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BAD KISSINGEN: Die Silbermond-Therapie

BAD KISSINGEN

Die Silbermond-Therapie

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    Die vier Silbermond-Mitglieder (v. links) Johannes Stolle, Andreas Nowak, Stefanie Kloß und Thomas Stolle haben ihre Band-Krise überwunden.
    Die vier Silbermond-Mitglieder (v. links) Johannes Stolle, Andreas Nowak, Stefanie Kloß und Thomas Stolle haben ihre Band-Krise überwunden. Foto: Foto: harald hofmann

    Es ist eine Geschichte wie aus dem Bilderbuch: Vier junge Musiker aus dem ostsächsischen Bautzen lassen ihre Heimatstadt hinter sich, um in Berlin den großen Durchbruch zu schaffen. Ihre Single „Symphonie“ erreicht Platz fünf der Charts. Heute, zwölf Jahre später, gehört Silbermond (Konzert am 16. Juli in Bad Kissingen) noch immer zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Bands. Warum die Poprocker dennoch ernsthaft über eine Trennung nachdachten und welche Rolle die Gruppenreise ins US-amerikanische Nashville spielte, erzählen Sängerin Stefanie Kloß und Schlagzeuger Andreas Kowak im Interview.

    Frage: Frau Kloß, in Ihrem neuen Album singen Sie „Soweit ich weiß, sind die mit den guten Geschichten immer die Mutigen“. Was ist Silbermonds beste Geschichte?

    Stefanie Kloß: Ich weiß nicht, ob es mutig ist, eine Band zu sein, nach Berlin zu gehen und Musik zu machen. Wir wussten damals nicht, ob es clever ist, keine Lehre zu machen oder zu studieren. Wir haben darüber einfach nicht nachgedacht. Eigentlich entstehen die guten Geschichten immer dann, wenn man das tut, was der Bauch einem sagt.

    Der war sich bei Ihrer Band zwischendurch unsicher, wie er sich entscheiden soll. Sie haben überlegt, die Gruppe aufzulösen. . .

    Kloß: Das war keine schöne Erkenntnis. Das ist ein bisschen wie in einer Beziehung gewesen. Du bist seit zehn Jahren zusammen, machst dein Ding und stellst irgendwann fest: Mensch, irgendwas stimmt da nicht mehr bei uns. Wir sehen uns jeden Tag, aber wissen nicht, was bei dem anderen los ist.

    Hat Sie diese Erkenntnis überrascht?

    Kloß: Wir waren zehn Jahre lang viel unterwegs, hatten Erfolg, und alles war super. Aber mit dem Erfolg wächst der Druck von innen und außen. Es haben sich Dinge eingeschlichen, die man nicht mehr hinterfragt hat. In einer Beziehung sollte man sich nach acht Jahren auch mal die Frage stellen: Haben wir noch den gleichen roten Faden? Und wie fühlst du dich denn eigentlich?

    Die Antwort darauf kann wehtun. . .

    Kloß: Ja. Deswegen haben wir auch eine Weile gebraucht, um die Situation tatsächlich zu erkennen. Als die Sache auf dem Tisch war, gab es für uns nur zwei Lösungen. Entweder wir lassen es sein, weil so, wie es zu dieser Zeit war, machte es keinen Spaß mehr. Oder wir setzen uns hin und gehen das Ganze an. Wir sind unser halbes Leben lang eine Band, und daher bin ich sehr froh, dass wir uns richtig entschieden haben.

    Wie haben Sie die Entscheidung gefällt?

    Kloß: Das hat viel Wein gekostet und viel Pizza. Wir haben lange Zeit miteinander geredet, auch über jeden Einzelnen. Haben jeden gefragt, wie er die letzten Jahre verbracht hat und was ihm wichtig ist.

    Eine Gruppentherapie bei Wein und Pizza?

    Kloß: Es war einfach wieder ein Update. Wir haben geschaut, ob wir es schaffen, den Ballast auf unseren Schultern so zu reduzieren, dass wir sagen: Wir packen das.

    Ihrem Album haben Sie anschließend den Titel „Leichtes Gepäck“ gegeben. Von welchem Ballast haben Sie sich verabschiedet?

    Kloß: Das Motto „Leichtes Gepäck“ hat wirklich jeder in seinen Alltag integriert. Ich habe mir vorgenommen, mir weniger Gedanken zu machen, ob ich etwas Falsches gesagt oder gemacht habe. Mich beschäftigen manche Dinge ewig, und das tut mir nicht gut. Ich versuche, emotionalen Ballast schneller aus dem Weg zu räumen, habe aber auch Klamotten aussortiert (lacht).

    Andreas Nowak: Ich finde, das ist nicht so einfach zu sagen. Es war der Druck von außen und innen, der uns kreativ eingedämmt hat. Davon muss man sich lösen und den Kopf freibekommen. Das kann am Ende nur jeder für sich machen. Der eine geht spazieren, der andere meditieren.

    Wieder zu viert sind Sie nach Nashville geflogen, um Ihr neues Album aufzunehmen. Hat Ihnen der „American Way of Life“ die Leichtigkeit zurückgegeben, die Sie vorher vermisst haben?

    Nowak: Die Deutschen sagen gerne, die Amerikaner seien oberflächlicher. Das stimmt irgendwie, aber man wird dort sehr nett empfangen, und die Menschen interessieren sich auch für dich. Gerade in Nashville zählt die Musik ganz viel.

    Einmal waren wir beispielsweise in einem Café, und die Kellnerin hat sofort gefragt, ob wir eine Band seien und hat uns minutenlang ausgequetscht. Sagen wir mal so: Wie man in Deutschland Autos lebt, wird dort die Musik gelebt.

    Silbermond hat seinen Bandsitz in Berlin. Gibt es dort kein vergleichbares Viertel?

    Nowak: In Berlin gibt es schon viele Kulturschaffende, aber in Nashville haben einfach noch viel mehr Menschen dieses Interesse und den Spaß an der Musik. Einen Abend waren wir zusammen in einer Bar, und es hat eine Band Covermusik gespielt. Plötzlich ist einer aus dem Publikum aufgesprungen und hat laut mitgesungen – und das war richtig gut. Die Musikalität und die Freude sind da einfach sehr, sehr groß.

    Das hört sich so an, als ob Sie gerne in den nächsten Flieger steigen würden. Tritt Silbermond künftig in den Bars von Nashville auf?

    Nowak (lacht): Ne, ne, also ich glaube, da drüben wären wir eine richtig schlechte Band. Die würden sagen „What the Hell“ und uns auslachen.

    Nicht ausgelacht, sondern ausgelassen gefeiert haben Sie Ihre Fans in den vergangenen Monaten. Wie haben Sie Ihre „Leichtes Gepäck“-Tour bislang erlebt?

    Nowak: Anfangs hat uns ein kleines unsichtbares Wesen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Wir waren alle etwas angeschlagen und krank. Aber trotzdem waren es unglaublich tolle Konzerte. Die Fans haben sich so gefreut und uns so eine Energie gegeben. Es ist total geil, dass sich die neuen Lieder mit den alten vertragen. Manchmal sind das ja so Bruder und Schwester mit einer Nachgeburt, die sich nicht so gut verstehen.

    Wie viele Tränen flossen bei der Liederauswahl?

    Kloß: Bei den fünf Alben ist uns die Entscheidung echt schwer gefallen. Die ersten Tage ging gar nichts. Je näher die Konzerte rückten, umso mehr Druck habe ich gemacht und gesagt: Hey, Leute, so langsam sollten wir uns entscheiden, sonst stehen wir sechs Stunden auf der Bühne. Irgendwann ging es dann. Wir haben uns natürlich für viele neuen Songs entschieden, und dann gab es noch einen Lostopf, in den jeder seine zwei Lieblingslieder von den alten reinlegen durfte.

    Gibt es alte Lieder, für die Sie sich heute schämen?

    Nowak: Ja, da gibt es schon einige Leichen im Keller, aber die werden wir jetzt nicht verraten (lacht). Das ist glücklicherweise nicht so schlimm, weil wir genügend Lieder haben. Aber ganz ehrlich: Ich kann Bands verstehen, die irgendwann psychische Hilfe brauchen, wenn sie aus ihren zehn Alben ein paar Songs für ein Konzert aussuchen sollen.

    Eines Ihrer Konzerte stand unter keinem guten Stern: Drei Tage vor Ihrem Heimspiel in Bautzen hat es dort einen Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft gegeben.

    Kloß: Ich war schockiert. Ich meine, man macht sich eh schon seine Gedanken, aber es ist natürlich intensiver, wenn du deine eigene Heimatstadt in den Schlagzeilen siehst. Man fragt sich einfach, in welchem Land lebe ich eigentlich, und in welchem Land will ich leben. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen und können gemeinsam mehr erreichen, statt uns die Köpfe einzuschlagen. Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, dass wir zusammen funktionieren, damit wir alle im Einzelnen unsere Freiheit behalten können. Das habe ich auch genau so auf dem Konzert gesagt. Demokratie ist sicher manchmal anstrengend – das merken wir auch in der Band seit Jahren. Es dauert länger, aber für mich ist es trotzdem die einzige Lösung.

    Sie blicken als Band auf eine bewegte Zeit zurück, haben Ballast abgeworfen und sich wieder neu gefunden. Wen sehen die Fans am 16. Juli im Bad Kissinger Luitpoldpark auf der Bühne?

    Kloß: Eine ganz neue Band. Vier Typen, die Bock haben, einen schönen Abend mit den Leuten zu verbringen, und sich keinen Kopf mehr machen, ob sie sich verspielen oder nicht, weil es scheißegal ist. Wir werden einen tollen Abend haben, denn bei der tollen Location kann nicht viel schiefgehen.

    Silbermond in Bad Kissingen

    Die vier Musiker aus dem sächsischen Bautzen traten 2002 erstmals als Silbermond auf. Zu den erfolgreichsten Liedern von Johannes Stolle (Bass), Andreas Nowak (Schlagzeug), Stefanie Kloß (Gesang) und Thomas Stolle (Gitarre, Klavier) gehören „Symphonie“ (2004), „Das Beste“ (2006) und „Irgendwas bleibt“ (2009). „Leichtes Gepäck“ ist bereits das fünfte Album der Band. In Bad Kissingen tritt Silbermond im Luitpoldpark am 16. Juli um 20 Uhr auf.

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