Der Sachse sei „helle“, sagt man. Vor allem wenn es darum geht, was die Stunde geschlagen hat. Da er von jeher regelrecht pingelig. Als 1920 die Deutsche Reichsbahn losrumpelte, wurde an sämtliche Bahnhöfe im Deutschen Reich aus Berlin die verbindliche Zeit für die Bahnhöfe per Telegraf übermittelt. Aus Berlin?! Das war den Sachsen nicht geheuer. Bis 1928 wurde in Dresden noch überprüft, ob die Reichshauptstadt die Zeit auch exakt angebe. Erst danach wurde der „Zeitdienst“ im Zwinger aufgegeben.
Der Zwinger war die Schaltzentrale. Schon die Kurfürsten wollten genau wissen, wie spät es ist. Deshalb wurden in Dresden höchstamtlich die Uhren gestellt – verbindlich für ganz Sachsen. Und zwar im Mathematisch-Physikalischen Salon, der von seinem Inspektor Johann Gottfried Köhler geleitet wurde. Wehe, der Mann hätte einen Fehler gemacht! Ging es im 18. Jahrhundert um die Zeit, kannte man bei Hofe keine Gnade. August etwa, der Sammlungsgründer, ein Kurfürst der Renaissance, war der Erste, der sich eine Spezialkutsche anfertigen ließ. Sie besaß einen eingebauten Radumdrehungszähler, der präzise die zurückgelegten Streckenmeilen maß. Die Routen wurden maßstabsgerecht aufgezeichnet, mit ihnen die Städte, Flüsse und Besonderheiten der Landschaft. In vielen sächsischen Städten richtete man daraufhin Postsäulen an zentralen Plätzen auf, die schönste gibt es am Marktplatz von Grimma. Kein deutscher Herrscher wusste besser Bescheid über das regierte Territorium als die Kurfürsten Sachsens.
Rechnen mit Pascaline
Ein trommelnder Bär empfängt die Besucher, er ist Teil einer Automatenuhr aus dem 17. Jahrhundert. Eine kleine Weltzeituhr besitzt 360 Ziffernblättchen. Der kurfürstliche Chronometer prunkt mit glänzendem Messing. Das meiste war auch schon vorher zu sehen, aber die Museologen haben die Schließzeit genutzt, um den Exponaten frischen Glanz zu verleihen. 17 Millionen Euro kosteten Sanierung und Umbau des Salons, sechs Jahre hat's gedauert – viel länger als geplant. Was damit zusammenhing, dass die Archäologen neu entdeckte Fragmente des ursprünglichen Baus sichern mussten.
Geht es um stolze Historie, nimmt man es in Dresden ernst. Der Abschnitt zwischen dem Kronentor des Zwingers und dem Wallpavillon wurde erneuert und zeigt sich nun, nachdem die Planen fielen, in anderer Gestalt. Der ehemalige Grottensaal wurde zum Foyer. Tief in den Zwingerwall hinein trieb man den neuen Ausstellungsraum. In ihm ist Augusts kostbare Globensammlung zu bestaunen. Das älteste Ausstellungsstück, ein arabischer Himmelsglobus in bestem Zustand, stammt aus dem 13. Jahrhundert.
Rund 500 historische Gerätschaften werden präsentiert: Neben unglaublich erfindungsreichen Uhren und Globen, kostbar ziselierte Apparate und seltene Messgeräte. Von Blaise Pascal gibt es die „Pascaline“, das Original einer der ältesten Rechenmaschinen. Die Besucher können es betreiben, indem sie im virtuellen 3-D-Modell Rechenaufgaben durchführen – beim Addieren ruckelt das Zählwerk, der Mechanismus läuft. Die frühe Begeisterung für Kunst und Wissenschaft fasziniert auch noch in der Computerzeit. Allerdings sind viele Objekte verloren gegangen. 1587 waren in einem Inventar noch 10 000 Stücke aufgelistet, davon 450 wissenschaftliche Instrumente und 7000 Werkzeuge.
1728 war der Salon eröffnet worden, eine Wunderwelt der Technik, ein Kabinett moderner Wissenschaft. Otto von Guericke wies an der Vakuumpumpe mit den Magdeburger Halbkugeln die Existenz des Luftdrucks nach. Riesige polierte Glaslinsen schmolzen in Mineralien bei 1400 Grad Celsius. Mit Parabolspiegeln wurden alle möglichen Elemente untersucht. Da durfte es auch mal zischen und dampfen, denn das gefiel dem Publikum – bis heute, wie man in Dresden sieht. Längst vergessen ist, dass in Sachsen die Präzisionsuhren-Industrie begann. In Glashütte wird immer noch kreiert und gearbeitet. Im digitalen Zeitalter genießen mechanische Chronometer höchste Wertschätzung.
Internet: www.skd.museum/