Hans Magnus Enzensberger (85) ist immer wieder für Überraschungen gut. Sein neuer „Wirtschaftsroman“ mit dem Titel „Immer das Geld!“ ist dafür der beste Beweis. Der Schriftsteller schlägt darin ganz neue Töne an. Es ist eine Art Jugendbuch geworden mit didaktischem Anspruch: Man lernt so einiges über die Welt der Finanzen. Aber egal ob Kleinkredite oder Börsengeschäfte, Enzensberger erzählt davon im Plauderton, dem man auch ohne BWL-Abschluss entspannt zuhören kann. Aufwendig illustriert ist das Buch auch noch, von Franz Greno, den Enzensberger aus der gemeinsamen Arbeit an der Buchreihe „Die andere Bibliothek“ kennt.
Die Geschichte ist nicht aufregend: Da geht es um die Federmanns, vor allem um die drei Kinder Fanny, Fabian und Felicitas. Federmanns sind eine stinknormale Familie, die in einer noch nicht abbezahlten Doppelhaushälfte wohnt. Vater Federmann arbeitet als Sachbearbeiter in einer Kfz-Zulassungsstelle. Von etwas anderem Schlag ist Tante Fé, die eigentlich auch Felicitas heißt. Sie lebt in einer Villa am Genfer See und gilt als reich.
Mit Chauffeur ins Luxushotel
Und so benimmt sie sich auch: Wenn sie Fanny, Fabian und Felicitas sehen will, lässt sie die drei von einem Chauffeur abholen und ins Luxushotel fahren. Dort plaudern sie dann regelmäßig über Geldthemen, denn Tante Fé hat eine Mission: Sie will den Nachwuchs aufklären über die Geheimnisse der Finanzwelt. Und wählt dafür das zwanglose Gespräch mit bohrenden Nachfragen und gelegentlichen Hausaufgaben.
Und so unterhalten sich die Teenager und die betagte Dame zum Beispiel darüber, seit wann es Geld gibt und warum, oder widmen sich der Überlegung, was vom Gehalt übrig bleibt, wenn Steuern, Sozialbeiträge und Versicherungen abgezogen sind. Emporkömmlinge, Neureiche, Aufsteiger sind ein Thema, die Finanzkrise, der Steuersatz vor dem Esten Weltkrieg oder die hässliche Tatsache, dass es von der Bank Kredite nur gegen Sicherheit gibt.
Das Patenkind als Alleinerbin
Und was passiert, wenn man die Zinsen für die Hypothek nicht bezahlen kann? Tante Fé steht Banken denkbar kritisch gegenüber. Enzensberger legt ihr einige passende Bonmots in den Mund: „Eigentlich bekommt man nur dann einen Kredit, wenn man keinen nötig hat“ zum Beispiel. Am Schluss stirbt Tante Fé. In ihrem Testament hat sie ihr Patenkind Felicitas als Alleinerbin eingesetzt. Und was heißt das für die Erbschaftssteuer? Enzensberger macht viele Kurven und nimmt keine Abkürzungen. Nach der Lektüre hat man im besten Fall einiges dazugelernt, ohne sich zu langweilen. Große Literatur ist das nicht. Aber das hatte Enzensberger auch gar nicht beabsichtigt.
Hans Magnus Enzensberger: Immer das Geld! Ein Wirtschaftsroman (Suhrkamp, 213 Seiten, 22,95 Euro)