Am Donnerstag, 25. April, ist der gebürtige Würzburger Andreas Pietschmann in der ZDF-Komödie „Vorzimmer zur Hölle 3 – Plötzlich Boss“ zu sehen (20.15 Uhr). Er spielt den Manager Dr. Philipp Richter, den ein seltsames Experiment der Firmenchefin zum Rollentausch mit seiner Sekretärin zwingt. Und plötzlich wird aus der Sekretärin (die auch noch seine Geliebte ist) eine Vorgesetzte . . .
Frage: Was halten Sie von einer Frauenquote für Führungspositionen?
Andreas Pietschmann: Hab' ich mich, ehrlich gesagt, noch nicht damit beschäftigt, weil sich für mich die Frage nicht stellt. Bei mir zu Hause ist sowieso alles auf vier Schultern verteilt, Erziehung, Haushalt, auch Arbeit. Und in meiner Branche sind sowohl Frauen als auch Männer in allen Bereichen vertreten. Ich finde es aber angebracht, auch in anderen Berufen Frauen die gleiche Chance zu geben wie Männern. Und weil unsere Gesellschaft ja offensichtlich so gebaut ist, dass das nicht von alleine funktioniert, wäre es durchaus sinnvoll gewesen, dass das von der Politik geregelt wird.
In der Komödie „Vorzimmer zur Hölle 3 – Plötzlich Boss“ kommen Frauen in Führungspositionen – und kriegen's irgendwie nicht wirklich hin . . .
Pietschmann: Das hat damit zu tun, dass für bestimmte Funktionen eine gewisse Qualifikation notwendig ist – unabhängig davon, ob es um Männer oder Frauen geht. Wenn einfach, wie in dem Film, wahllos Rollen getauscht werden, kann's zu Komplikationen kommen – das ist natürlich wichtig, damit die Komödie funktioniert. Aber schön weitsichtig war es, die Ausstrahlung so zu positionieren, dass sie in die Zeit der politischen Diskussion um die Quote fällt.
Wie viel nehmen Sie generell für sich selbst von einer Rolle mit? Bleibt da was an Ihnen hängen?
Pietschmann: Ja, natürlich. Wenn ich eine Figur spielen darf, die sich nicht in meinem Privatbereich widerspiegelt, muss ich die Recherchen weiter wegführen von mir und komm' manchmal zu Erkenntnissen und Erfahrungen, die ich ohne diese Rolle nie gemacht hätte. Natürlich fließt generell auch etwas von mir persönlich in die Rolle. Spontane Reaktionen suche ich zum Beispiel immer in meiner eigenen Person. Ich versuche, eine Figur stets mit eigenen Emotionen zu verbinden. Das gehört zum Handwerk.
Gelingt das Hineinschlüpfen in eine Figur am Theater intensiver als im Film?
Pietschmann: Kann man nicht notwendigerweise sagen. Die Intensität der Arbeit an diversen Filmrollen und am Theater ist manchmal sehr unterschiedlich. Es stimmt, dass für Dreharbeiten meist weniger Zeit für das Einfühlen in eine Rolle zur Verfügung steht. Die Vorbereitung machst du meistens sehr alleine, zu Hause. Es passiert selten genug – leider! – dass man viel Zeit hat, sich mit dem Regisseur und den Kollegen auseinanderzusetzen. Man kommt also schon mit Vorschlägen ans Set, die müssen dann ziemlich schnell umgesetzt werden. Und wenn eine Szene abgedreht ist, ist sie vergessen. Im Theater setze ich mich normalerweise etwa zwei Monate lang in den Proben mit einer Figur auseinander. Dann wird das Stück über 'ne relativ lange Zeit gespielt. Das heißt, die Rolle wächst mit dir. Das ist ein sehr intensiver Vorgang, den du beim Drehen so nicht hast. Es gibt aber auch da Rollen, die eine lange Vorbereitung erfordern. Zum Beispiel habe ich vor anderthalb Jahren in der internationalen Produktion „Ihr Name war Maria“ Jesus gespielt. So eine Figur schüttelst du nicht einfach aus dem Ärmel. Ich habe mich ausgiebig vorbereitet, mich mit dem Neuen Testament beschäftigt, mit Überlieferungen, Einschätzungen und so weiter. Das war mitunter intensiver als manche Theaterrolle, die ich gespielt habe.
Spielen Sie denn aktuell Theater?
Pietschmann: Ich spiel' nach wie vor ein Stück am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Seit einigen Jahren bin ich aber nicht mehr fest engagiert. Ich bin Vater, habe jetzt zwei, bald drei Kinder. Festes Ensemblemitglied in einem Theater zu sein, ist leider kein familienfreundlicher Beruf. Gerade dann, wenn Familie und Kinder dich brauchen, bist du bei der Arbeit. Nach den Proben der ersten Tageshälfte bist du etwa ab 18 Uhr wieder zur Vorstellung im Theater, und das ist genau der Zeitpunkt, wo die Kinder zu Hause sind, wo man Essen macht, sich die Hausaufgaben ansieht. Deswegen spiele ich momentan bewusst weniger Theater und drehe mehr, weil sich das günstiger mit meinem Familienleben vereinbaren lässt.
Ihre Leidenschaft für die Schauspielerei hat angeblich am Würzburger Theater Chambinzky angefangen.
Pietschmann: Das ist ein Fakt, das war im Chambinzky. Im Dezember 1989 hab ich da das erste Mal Theater gespielt, in der damals legendären „Feuerzangenbowle“. Ich hatte das Glück, gleich in die erste Fassung reinzurutschen, weil ein Kollege ausgestiegen war. Abgesehen von Stadttheaterbesuchen, wo mich die Schauspielerei schon fasziniert hat, war das der erste intensive Kontakt mit dem Beruf – und auch richtungsweisend.
Wissen Sie noch, welche Rolle Sie in der „Feuerzangenbowle“ gespielt haben?
Pietschmann: Na klar: den Husemann. Es kam mir sehr entgegen, dass ich da nicht viel sagen musste. Der war hauptsächlich einer der Bankdrücker, saß die ganze Zeit in der Klasse, die ihren Blödsinn getrieben hat. Ich bin dem Chambinzky lange Jahre verbunden geblieben, hab' auch andere Stücke gespielt, hinterm Tresen gearbeitet und bedient. Wenn ich nach Würzburg komme, schau ich da immer gerne vorbei.
Man kann an so einem Privattheater also schon was lernen?
Pietschmann: Absolut. Du stehst vor Zuschauern, die 'ne Geschichte erzählt haben wollen, und du versuchst, mit allem, was du hast und was du kannst, das so gut wie möglich zu tun. Es ist das Gleiche wie an einem Staatstheater oder am Hamburger Thalia-Theater, wo ich lange gespielt habe. Natürlich hat das da einen anderen Rahmen, natürlich ist alles größer und professioneller, und ohne grundsolide Ausbildung kann man's nicht schaffen. Aber das Prinzip ist das gleiche. Ohne die Leute vom Chambinzky – Rainer Binz und damals Reinhard Mahlberg – und ihre Leidenschaft fürs Theater wär' ich wahrscheinlich nicht aufgebrochen, um Schauspieler zu werden. Bei diesen Leuten habe ich gemerkt: Alter, die brennen so dafür, das macht ihnen so einen Spaß – das hat mich angesteckt.
Und jetzt sind Sie so bekannt, dass Sie sogar einen eigenen Fanclub haben.
Pietschmann: Jaja. Denen hat ein Auftritt oder eine Rolle so gut gefallen, dass sie beschlossen haben, einen Fanclub zu gründen. Für mich eine schöne Bestätigung und sehr schmeichelhaft.
Täuscht das, oder werden Sie gerne in Richtung „Schönling“ besetzt?
Pietschmann: Es war durchaus so, dass ich – als erster Impuls derer, die mich besetzen wollten – mit Rollen in Verbindung gebracht wurde, die mir dann irgendwann zu langweilig waren oder zu oberflächlich, im Stil von: Blonder Schnulli, lange Haare, gerade Nase – da dachte man, das muss jetzt unbedingt der Liebhaber oder der befreundete Tierarzt von nebenan sein. Sich davon zu emanzipieren, ist richtig Arbeit. Da ist es wichtig, dass man genau überlegt, was man annimmt und was man nicht zu oft machen darf. Man muss versuchen, sich immer wieder für andere Rollen zu bewerben und die dann so gut zu machen, dass die Leute merken: Mensch, der kann auch andere Sachen.
Schurkenrollen sind wahrscheinlich ohnehin spannender. Ich fand Mephisto immer interessanter als Faust.
Pietschmann: Sagen wir mal so: Das sind die Rollen, die meistens beim Publikum den größeren Zuspruch finden. Schurkenrollen sind natürlich großartig. Wenn es gelingt, einen Jago oder einen Franz Moor so zu spielen, dass die zwar offenbar einen widerlichen Charakter haben, aber gleichzeitig verständlich zu machen, warum Jago so ekelhaft ist, warum er Othello hasst – oder warum Franz seinen Bruder so hasst –, dann bleibt der Zuschauer dran. Solche Rollen machen immer Spaß. Sie sind aber auch leichter zu spielen als zum Beispiel Karl Moor. Ich wollte immer Schillers „Räuber“ spielen, hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. Und ich hätte immer, obwohl ich wusste, Franz ist die Bringer-Rolle, gerne Karl gespielt. Der hat einfach mit mir persönlich viel zu tun, ohne dass ich mich mit ihm identifiziere. Aber klar: Die Scheusale sind meist interessanter. Mephisto – was hat der für Texte, was zieht der ab! – ist eine großartige Spielerrolle, ein großartiger Clown, und natürlich spiel' ich auch so was gerne. Jederzeit. Ich hab' ja schon etliche Schurken gespielt.
Andreas Pietschmann
Geboren am 22. März 1969 in Würzburg, ist Andreas Pietschmann einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler. In der harmlos-netten Fernsehkomödie ist er ebenso zu Hause wie in anspruchsvollen Rollen am Theater. Er war am renommierten Hamburger Thalia-Theater engagiert, spielt noch immer als Gast am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Auch im Kino ist Pietschmann immer wieder präsent („Sonnenallee“, „FC Venus“). Er arbeitete mit renommierten Regisseuren wie Leander Haußmann und Christoph Marthaler zusammen. Bevor Andreas Pietschmann sich intensiv mit der Schauspielerei beschäftigte und an der Schauspielschule in Bochum studierte, spielte er als Stürmer bei den Würzburger Kickers – und galt als Talent.
Privat lebt Pietschmann mit Schauspielerkollegin Jasmin Tabatabai zusammen (das Bild zeigt die beiden 2012 bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises). Das Paar wohnt in Berlin. Text:jk