Ein Leben wie eine Shakespeare'sche Tragödie, filmreif dazu: Günther Kaufmann wurde in Filmen von Rainer Werner Fassbinder zum Star, saß wegen eines Mordes, den er nicht begangen hatte, drei Jahre im Gefängnis, und aus Geldnot wurde er auch noch Insasse des RTL-Dschungelcamps. Jetzt spielt er in Michael „Bully“ Herbigs „Wickie und die starken Männer“, der am Donnerstag, 9. September, in die Kinos kommt, den Schrecklichen Sven. Ein Gespräch über Rassismus, Aufopferung und eine junge Liebe.
Frage: Sie gingen aus Geldnot ins Dschungelcamp, sagten Sie mal. Haben Sie denn dort Erfahrungen gemacht, die Sie nicht missen wollen?
Günther Kaufmann: Also, die positivste Erfahrung war, dass ich 13 Kilo abgenommen habe in 13 Tagen. Und alle sagen: „Du schaust zehn Jahre jünger aus, Kaufmann.“ Ich bin wesentlich fitter jetzt, brauche keine Tabletten mehr gegen Zucker. Das Dschungelcamp war die perfekte Diät.
Hatten Sie mit den anderen Kandidaten Erlebnisse, die Sie beeindruckt haben?
Kaufmann: Da hat mich gar nichts beeindruckt. Jeder macht seinen Stiefel und profiliert sich, wenn er will. Ingrid van Bergen war natürlich interessant, sie ist Schauspielerin, Profi, hat mit Weltstars gedreht wie Curd Jürgens und Kirk Douglas. Die Frau hat wirklich viel hinter sich. Mal ganz abgesehen davon, was sie für Erfahrungen im Gefängnis gemacht hat. Sie saß ja, weil sie ihren Freund erschossen hatte.
Sie saßen auch, von 2002 bis 2004, weil Sie einen Mord gestanden, den Sie nicht begangen hatten. Sie deckten Ihre krebskranke Frau . . .
Kaufmann: Das war nicht sehr lustig. Ich konnte mich aber dadurch, dass ich Disziplin und Gehorsam gewohnt bin, sehr gut einfügen. Die Beamten haben mich sehr gemocht, keiner hat geglaubt, dass ich jemanden umbringen würde. Aber nun war's halt, wie's war, ich hatte ein falsches Geständnis abgelegt, und das war dumm. Auf jeden Fall habe ich die Zeit sehr gut hinter mich gebracht. Ich war Chef der Bücherei und durfte in München kochen für die Beamten. Und ab und zu gab's sogar ein Schnäpschen (lacht).
Würden Sie ein solches Opfer noch einmal für jemanden bringen?
Kaufmann: Weil ich als Mensch so gelagert bin, würde ich vermutlich wieder so handeln, wenn es um meine Kinder ginge oder um meine Frau. Aber ich habe jetzt eine Frau, die offen und ehrlich ist und mir alles sagt. Das wird mir also so nicht mehr passieren.
Drei Jahre saßen Sie – eine lange Zeit.
Kaufmann: Es war eine lange Zeit, ich konnte mich gut erholen. Man sieht nur die Leute, die man sehen will, sonst kommt ja keiner rein. So hatte ich meine Ruhe, konnte einiges aufarbeiten. Vor allem das mit meiner Ex-Frau, die mich in ihre Machenschaften verstrickt hat. Das war wichtig, um zu mir selbst zu finden. Natürlich kann man auf so eine Erfahrung verzichten, keine Frage.
Sie leben heute mit ihrer Frau Patrizia in Bremen. Sie ist 25 Jahre jünger als Sie . . .
Kaufmann: Na ja, ich hatte immer Frauen, die erheblich jünger waren als ich. Das gibt natürlich positive Energie. Es gibt andererseits natürlich auch verschiedene Interessen. Wir leben miteinander und auch mal nebeneinander. Wir lassen uns gegenseitig auch Freiheiten. Mir war wichtig, dass sie nicht wusste, wer ich bin, als wir uns kennen lernten. Sie sagte nicht: „Das ist ein Schauspieler, den kennt man, und deswegen komme ich zu ihm.“ Sie mochte mich einfach so.
In „Wickie und die starken Männer“ mimen Sie nun den Schrecklichen Sven. Wie schrecklich ist Günther Kaufmann?
Kaufmann: Der Schreckliche Sven ist wirklich schrecklich. Er ist ein Wahnsinniger, ein Menschenhasser, ein Kinderhasser, ein Killer. Er hasst alles, sich selbst am allermeisten. Ein wirklich böser Mensch. Das sollte die Rolle sein, und so habe ich sie gespielt. Nicht weil Günther Kaufmann selbst so ist.
Die Dreharbeiten fanden oft auf dem Wasser statt. Wurden Sie seekrank?
Kaufmann: Nein. Ich war vier Jahre bei der Marine, auf dem Segelschiff Gorch Fock. Ich bin ein Seebär. Aber es war auch sehr anstrengend. Ich hatte einen Fettanzug an. Sven ist ja fett und hässlich und riecht übel. Der Anzug wog zehn Kilo. Mit diesem Ding auf Malta, bei 37 Grad im Schatten und Milliarden von Fliegen, das war alles andere als angenehm. Mein Rücken war durchgescheuert, meine Schulterknochen waren offen bis aufs Blut, die Fliegen saßen drauf, fürchterlich. Aber Bully hat gesagt: „Irgendwann lachen wir drüber, Günther.“
Ist Regisseur Michael „Bully“ Herbig denn immer ein Spaßvogel?
Kaufmann: Nein, Bully ist eigentlich kein Spaßvogel. Ich nenne ihn inzwischen Pit-Bully. Er beißt sich fest, wenn er etwas haben will, und ist genial auf seine Art. Man muss sehr, sehr gut vorbereitet sein, wenn man mit ihm dreht. So freundlich wie er ist, so hartnäckig ist er auch und so stur kann er werden. Wer da nicht gut präpariert ist, der hat es nicht leicht. Aber ich hatte es leicht, denn ich war sehr gut vorbereitet.
Die Schauspieler für den Wickie-Film hat Herbig in einem offenen Casting gesucht. Sie waren der einzige erfahrene Schauspieler.
Kaufmann: Man sagte mir, ich solle da hingehen, und ich dachte erst, es sei ein Witz. Die Wikinger sind ja meistens hellblond – ich bin dunkelblond (lacht). Trotzdem bin ich hin, aus Spaß an der Freud'. Und dann saß ich in München im Gang, Bully und Jürgen Vogel rannten plötzlich an mir vorbei und waren total überrascht: „Hey, Günther, was machst'n Du hier?“ Ich trug das bayrische Gedicht „Vom Semmelknödel und Leberknödel“ vor, alle waren ganz begeistert. Dann meinte Bully: „Ja, was möchtest Du spielen?“ Ich sagte: „Ich hab' gehört, da gibt's einen Faxe, so einen Dicken, der ein bisschen dämlich ist und viel frisst.“ Aber irgendwie hat das nicht gepasst, wegen meiner Haarfarbe wahrscheinlich (lacht). Da waren wir sehr traurig, und keiner wusste, was er mit mir anfangen soll. Als ich schon fast aus der Tür raus bin, ruft Bully: „Günther, sag mal, kannst Du richtig böse sein, ich meine, so richtig fies und böse?“ Ich sag': „Ich denke schon.“ „Ja“, sagt er, „dann bist Du mein Schrecklicher Sven.“ Und wie sich herausstellte: Es gibt keinen in Deutschland, der den Sven besser hätte spielen können als ich (lacht).
Ihr Gedicht „Vom Semmelknödel und Leberknödel“ ist anti-rassistisch. Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus gemacht?
Kaufmann: Damals, als die Weißen und die Indianer noch gegeneinander gekämpft haben, also als ich noch jung war, da habe ich einiges erlebt. Als ich zwölf war, im Schwimmbad, sagten die Leute schon „Jetzt geh'n wir raus, jetzt wird das Wasser dreckig“, als ich ins Wasser wollte. In dem Alter ist man dadurch schon sehr geknickt. Meine Eltern haben versucht, mich aufzubauen, deshalb ist das nicht nachhaltig geblieben. Aber die Zeiten haben sich zum Glück geändert.
Hatte Ihre Hautfarbe Auswirkungen auf Ihre Schauspielkarriere?
Kaufmann: Es ist natürlich immer noch problematisch als farbiger Schauspieler in Deutschland. Ich hab' viel gemacht, ich hab' mit Fassbinder gedreht, beliebte Serien wie „Derrick“ und „Der Alte“, große Kinofilme. Aber: Das Fernsehen lässt mich im Moment im Stich. Eigentlich müsste ich pausenlos beschäftigt sein, doch wir sind noch nicht so weit in Deutschland. Ich sag' immer: „Ich bin doch keine Schildkröte, ich werd' nicht 150.“ Vielleicht geht's nach dem Film wieder los. Die Leute lieben mich ja, im Dschungelcamp haben sie mich auch lange dringelassen.
Welche Pläne und Wünsche haben Sie?
Kaufmann: Mein Ziel ist eine bayrische Serie, „Der schwarze Columbo vom Starnberger See“. Ein Typ wie Columbo, etwas durchgeknallt, trotzdem sympathisch, unterschätzt, ein unspektakulärer, komischer Kauz. Ich denke, das könnte funktionieren . . .
Zur Person
Günther Kaufmann Der Schauspieler, geboren am 16. Juni 1947 in München als unehelicher Sohn einer Deutschen und eines afroamerikanischen Soldaten, wird Ende der 70er Jahre bekannt als Darsteller in Filmen von Rainer Werner Fassbinder („Die Ehe der Maria Braun“, „Berlin Alexanderplatz“,,Lola“). Ab 1990 wird es still um ihn, seine Ehefrau Alexandra erkrankt an Krebs. Die Therapie braucht die finanziellen Mittel auf. 2001 gesteht er den Mord an seinem Steuerberater, den er nicht begangen hat. Kaufmann wird zu 15 Jahren Haft verurteilt. In Wahrheit steckt seine Frau als Auftraggeberin hinter dem Verbrechen, Kaufmann deckt sie. Sie stirbt kurz vor dem Prozess. Nach zwei Jahren und acht Monaten unschuldig hinter Gittern wird Kaufmann freigesprochen, die wahren Täter werden verurteilt.