Wegen seiner guten Deutschkenntnisse, die eine Synchronisation unnötig machen, und seiner Popularität beim deutschen Publikum ist der schwedische Schauspieler Peter Haber auch regelmäßig in deutschen Reihen wie „Tatort“ und in deutschen Fernsehfilmen zu sehen. Derzeit spielt er die Titelfigur des „Götz von Berlichingen“ bei den Burgfestspielen in Jagsthausen. Ein Gespräch über wundervolle Euphorie und die totale Hölle, über Krimis und die Unterschiede zwischen Schweden und Deutschland.
FRAGE: Ihre Agentur sagt, Sie seien schüchtern.
PETER HABER (antwortet sofort): Ja, bin ich! Ich glaube, alle Schauspieler sind schüchtern. Deswegen sind wir Schauspieler. Dann können wir Rollen spielen – dann sind wir nicht schüchtern. Aber im Privatleben bin ich schüchtern.
Sie vermitteln den Eindruck eines eher melancholischen Typs. Ist es diese Melancholie, mit der Sie den Kommissar Beck zu dem machen, was er ist?
HABER: Beck ist ein melancholischer Typ. Er hat sich ein bisschen aufgegeben und fragt sich oft: „Was nützt das? Wir arbeiten und arbeiten, und die Kriminalität wird schlimmer und schlimmer.“ Beck ist Humanist und denkt, man könne auch mit Worten und Gedanken zu einem Resultat kommen.
Sie reihen sich nahtlos in die Reihe der vorherigen Kommissar-Beck-Darsteller ein. Und da sind große Namen darunter, etwa Walther Matthau. Ein schweres Erbe?
HABER: So darf man nicht denken! Dann müsste ich mich auch in Jagsthausen fragen: „Wer hat nicht schon alles den Götz gespielt?“ Das muss man beiseitelegen, sonst geht es nicht (lächelt).
Sjöwall/Wahlöö, die Erfinder von Kommissar Beck, gelten als „Eltern“ des schwedischen Krimis, gefolgt von Henning Mankell, Haakan Nesser und vielen anderen. Warum gibt es so viele erfolgreiche schwedische Krimiautoren?
HABER (überlegt lange): Unsere Beck-Filme haben ja nichts mit den Büchern von Sjöwall/ Wahlöö zu tun. Das sind neu erfundene Geschichten. Aber Maj Sjöwall war ein „dramaturgisches Überauge“. Sie hat uns beraten und gesagt, was in den Filmen geht und was nicht.
Was zum Beispiel geht nicht?
HABER: Es geht nicht, dass Martin Beck jemandem eine Ohrfeige gibt. Das akzeptiert Maj Sjöwall nicht. Er trägt auch keine Waffe. In einem Film hatte ich eine, und das mochte sie überhaupt nicht. Aber warum die schwedischen Krimis so erfolgreich sind? Es gibt einen gewissen gesellschaftlichen Ernst. Die Krimis zeigen die Realität. Es ist nicht James Bond!
Die meisten deutschen Krimis sind nicht so gut . . .
HABER (lacht): Darüber soll ich nicht sprechen, sonst sagen die Leute, der Haber meint, die Schweden machten die besseren Krimis. Aber ich kann ehrlich sagen: Einige gingen ja. „Tatort“ mit Götz George war sehr populär in Schweden. Das war auch ein bisschen realistisch. Auch „Der Alte“ – 30 Jahre her. Also ich finde manchmal, die deutschen Krimis sind ein bisschen zu „hübsch“, „nett“. Und Kriminalität ist nicht nett.
Beim „Götz“ geht's um Rebellion, Liebe, Leidenschaft und Tod. Was reizt Sie an dieser Figur?
HABER: Ich habe mit dem dänischen Regisseur Jan Maagaard oft zusammengearbeitet. Ich fragte ihn nach seinen kommenden Projekten, und er begann über den „Götz“ in Jagsthausen zu erzählen. Dann sagte er: „Und ich habe eine Idee?!“ – „Nein, kommt überhaupt nicht in Frage, Schluss. Aus. Nein. Nein. Nein“, sagte ich. Aber Maagaard ist stur, und wir haben noch oft über das Projekt gesprochen. Schließlich sagte ich: „Okay, ich lese das Stück.“ Schließlich lenkte ich ein, denn was ich interessant fand: Kann man einen Ritter ohne Streitgefühle spielen, ein bisschen nachdenklich, sozusagen? Was fühlt Götz, wenn er sagt: „Sie haben mich nach und nach verstümmelt. Meinen Arm, meine Freiheit.“ Also diesen Kontrast zwischen diesem potenten Rittersmann und der ganz kleinen, geschlagenen Person – das zu versuchen zusammenzubringen, das war der Reiz. Ob es mir gelungen ist – das muss das Publikum entscheiden.
War das eine Herausforderung?
HABER: Ja, enorm. Die Proben schwankten zwischen wundervoller Euphorie und der totalen Hölle. Manchmal dachte ich: „Ich fliege nach Hause.“ Aber ich glaube, es ist gut gegangen (er klopft auf den Holztisch).
Sie haben ja auch Shakespeare gespielt.
HABER: Ja! Shakespeare-Komödien, Shakespeare-Tragödien habe ich gespielt. Und Jan Maagaard sagte ja, Shakespeare sei seine große Inspiration hier für Jagsthausen gewesen.
Welche Rolle spielt die Lokalität Jagsthausen für Sie?
HABER: Es ist wunderwunderwunderschön hier! Aber natürlich fühlt man sich ein bisschen isoliert. Ich muss mich auf Kollegen verlassen, um zumindest nach Möckmühl fahren zu können, um etwas einzukaufen. Hier in Jagsthausen gibt's ja nicht so viel – sozusagen. Wenn ich zu Hause, in Stockholm, eine große Rolle probe, dann gibt es Zerstreuungsmöglichkeiten, ich meine Fernsehen, schwedische Zeitungen. Hier bin ich, um zu arbeiten.
Sie haben eine schwedische Mutter, einen deutschen Vater, Sie sprechen fließend deutsch . . .
HABER: Einigermaßen. Mein Vater kam aus Remscheid – kennst du Remscheid?
. . . nun ja . . .
Haber: Na ja, du weißt, wo es ist, Wuppertal, Bergisches Land. Ich war als Kind sehr oft da, um Großvater, Großmutter zu besuchen.
Sie sind ja auch dort getauft worden, oder?
HABER: Geboren bei Stockholm, getauft in Remscheid. Aber dann sagten meine Eltern: „Nein, Schule besser in Schweden.“ Dann waren wir nur im Sommer in Deutschland, manchmal über Weihnachten. Und dann glaubte ich, ich hätte alles vergessen, aber das hatte ich nicht.
Was macht für Sie Schweden aus, was macht Deutschland aus? Was ist wo anders?
HABER: Es gibt viele Dinge, die ganz verschieden sind. Aber was mir am besten in Deutschland gefällt, ob hier in Jagsthausen oder in Berlin, wo ich zum Beispiel während der Berlinale bin: Es gibt gibt hier eine Freundlichkeit und Höflichkeit, die man nicht in Schweden findet. Zum Beispiel: Wir sitzen hier, es kommen zwei fremde Menschen rein – die begrüßen uns. Das passiert in Schweden nicht. Das ist der große Unterschied, finde ich.
Peter Haber
Der schwedische Schauspieler, geboren am 12. Dezember 1952 in Stockholm, wuchs als Sohn einer Schwedin und eines Deutschen in Södertälje in der Nähe von Stockholm auf. Getauft wurde er in Remscheid, wo die Familie seines Vaters lebte. Bis heute ist er Deutschland verbunden. Nach der Schulzeit besuchte Haber die staatliche Schauspielschule in Stockholm, brach sie jedoch ab und übernahm Theaterengagements in Landskrona und Gävle, wo er häufig in Shakespeare-Rollen zu sehen war. Haber wurde auch als Tenor ausgebildet und sang in Opern. Von 1987 bis 1994 war er am Stadttheater Stockholm engagiert. Seither ist er freischaffend tätig. Peter Haber ist seit 1990 mit seiner Kollegin Lena T. Hansson verheiratet, das Paar hat einen gemeinsamen Sohn. Text: JUK