Hauptdarsteller, Drehbuchautor, Produzent: Der Würzburger Kabarettist Frank-Markus Barwasser, 47, bringt seinen Erwin Pelzig jetzt ins Kino. Ein Gespräch mit dem Pelzig-Erfinder über Glück und Unglück.
Frage: Erwin Pelzig philosophiert in „Vorne ist verdammt weit weg“ über Glück. Ist Pelzig glücklich?
Frank-Markus Barwasser: Ja, ich glaube schon, dass er ein glücklicher Mensch ist. Weil er auf seine Weise versucht, konstruktiv zu wirken. Er glaubt ja tatsächlich, dass es Sinn macht, was er macht. Dass es Sinn macht zu versuchen, den Arbeitsplatz seines Nachbarn zu retten, indem er einspringt und dessen Posten als Chauffeur vorübergehend übernimmt.
Und als er hört, dass keiner ihn ausstehen kann und die Kinder des Nachbarn ihn als Arschloch beschimpfen . . .
Barwasser: Tja, da schwimmt schon ein Tränchen in seinem Auge . . . Bei der Szene hat übrigens der Tonmann hinterher zu mir gesagt: Ich habe die Träne gehört, die Du da vergießt . . .
Ein schönes Kompliment . . .
Barwasser: Finde ich auch.
Ist Frank-Markus Barwasser glücklich?
Barwasser: Ja.
Was macht Sie glücklich?
Barwasser: Glücklichsein ist ja kein Dauerzustand. Glück erlebt man vor allem in Momenten, in denen es dich durchdringt. Glück ist auch eine Frage des Bewusstseins, und kein Mensch ist 24 Stunden am Tag glücklich. Dieser Satz, den der Pelzig im Film sagt: „Man soll das Glück nicht suchen. Man soll sich dem Glück anbieten“, das ist mir so richtig erst bewusst geworden, als ich das jetzt auf der Leinwand sah: Dieser Satz hat schon sehr viel mit dem zu tun, wie ich glaube zu leben.
Sind Sie derzeit glücklich auch deshalb, weil Sie sich mit dem Film einen Traum erfüllt haben?
Barwasser: Ich habe das alles ja nicht direkt gesucht. Es ist ein unglaubliches Privileg und ein großes Glück, so einen Film machen zu können. Es ist auch großes Glück, relativ selbstbestimmt leben zu können und die Chancen zu bekommen, die ich habe. Aber um das zu erleben, muss man sich dem Glück tatsächlich anbieten durch eine gewisse Aktivität. Man muss die Voraussetzungen schaffen, dass das Glück einen dann auch findet – und nimmt.
Muss man, um Glück empfinden zu können, Unglück erlebt haben?
Barwasser: Ja, klar. Wobei Unglück sehr relativ ist.
Was haben Sie an Unglück erlebt?
Barwasser: Was ich in meinem Leben bislang als Unglück empfunden habe, das würden sich andere vielleicht wünschen, wenn sie beispielsweise todkrank im Bett liegen. Was ist Unglück? Das eigene Unglück relativiert sich immer im Angesicht des Unglücks anderer. Insofern kann ich nicht behaupten, schon ein großes Unglück erlebt zu haben.
Was wäre ein großes Unglück?
Barwasser: Das größte Unglück, die größte Katastrophe eines Menschen ist krank zu sein, und zwar so krank zu sein, dass du nicht mehr selbstbestimmt in deinem Leben entscheiden kannst.
Was wäre für Pelzig großes Unglück?
Barwasser: Der Verlust seiner Freiheit. Und: Wenn er seinen Glauben verlieren würde, seinen Glauben an das Gute und daran, dass alles doch irgendwie a weng 'n Sinn machen dät. Dazu muss man sich natürlich eine Portion Naivität erhalten. Ich glaube, wenn Pelzig seine liebenswerte Naivität verlieren würde, bei der man sich auch nicht sicher sein sollte, dass es wirklich Naivität ist, das wäre das größte Unglück für ihn.
Und deshalb ist es ihm auch egal, wenn Kinder ihn beschimpfen?
Barwasser: Es wäre auch ein Unglück für ihn, wenn er sich von so einem Schlag in die Magengrube nicht erholen könnte. Aber er ist ja ein Lebenskünstler, der sagt: Na ja, die Kinner halt, ham 'n schlechten Tach kappt, die klenne Kröpf, des dürf mer net so ernst nemm.
„Mit Torten werfe ich ja auch sonst nicht“
Frank-Markus Barwasser
Hat Frank-Markus Barwasser auch die Gabe, so etwas auf die leichtere Schulter zu nehmen?
Barwasser: Mich würde das mehr treffen als den Pelzig. Aber dafür habe ich ihn ja.
Kabarettisten teilen viel aus – können Sie nicht gut einstecken?
Barwasser: Die Fähigkeit, sich selbst nicht so wahnsinnig ernst zu nehmen, ist mir schon wichtig. Ist doch klar: Wenn ich mich öffentlich mache, mich exponiere, einen Film mache oder ein Bühnenprogramm oder eine Fernsehsendung und mich so der öffentlichen Diskussion stelle, dann darf ich, weil es eben auch ein Teil meines Berufes ist auszuteilen, beim Einstecken nicht so mimosenhaft sein. Natürlich ärgert es mich, wenn ich falsch zitiert werde oder aus Boshaftigkeit oder Neid oder mit voller Absicht missverstanden werde, so etwas trifft und ärgert. Aber das darf man nicht so hoch hängen. Wer die Hitze nicht verträgt, soll aus der Küche gehen.
Wann ist der Film für Sie erfolgreich?
Barwasser: Ich kann das nicht in Zahlen festmachen. Natürlich wünsche ich mir, dass viele Leute ihn sehen, er nicht nach drei Tagen aus dem Kino verschwindet. Ich habe stets gesagt: Lasst uns einen Film machen, zu dem wir stehen können. Einen Film, den wir nicht völlig anders machen würden, wenn wir ihn uns in zwei, drei Jahren nochmal anschauen. So ist es nun weder ein Kunst- oder Festivalfilm, den wir für eine kleine intellektuelle Oberschicht gemacht haben, noch der klassische Comedy-Film, wo wir's dauernd nur krachen lassen. Komik liegt ja oft auch gerade in den melancholischen Momenten des Lebens.
Also keine Tortenschlachten?
Barwasser: Mit Torten werfe ich ja auch sonst nicht. Ich habe nichts gegen gute Comedy und Tortenwerfen und so – aber ich glaube nicht, dass darin meine persönliche Stärke liegt. Da sag' ich mir: Jeder sollte bei seinen Leisten bleiben. Uns lag am Herzen, einen Film zu machen, der letztlich das fortsetzt, was ich auch auf der Bühne mache, dass der Film eben zu meinem Stil passt.
Hatten Sie Angst, neben gestandenen Schauspielern wie Philipp Sonntag, Peter Lohmeyer oder Christiane Paul blass auszusehen?
Barwasser: Angst nicht. Respekt. Neben solch renommierten Leuten auf Augenhöhe zu bleiben und nicht als der exotische Kabarettistenkasper daherzukommen, der Figur also eine gewisse Glaubwürdigkeit zu geben, damit das alles insgesamt harmoniert, das war eine Herausforderung. Einerseits ist Pelzig ja ein Fremdkörper in dem Film, andererseits musste er sich beziehungsweise ich mich natürlich auch integrieren.
Herausforderung gemeistert?
Barwasser: Das Publikum wird's entscheiden. Für meinen Geschmack schon.
Im Blickpunkt
Wann Pelzig ins Kino kommt In „Vorne ist verdammt weit weg“ übernimmt Erwin Pelzig den Job seines Nachbarn (Peter Lohmeyer) als Chauffeur des Einkaufswagen-Herstellers Eduard Bieger (Philipp Sonntag). Pelzig bekommt mit, dass Biegers Tochter das Unternehmen in die Mongolei verlagern will. Um den Job seines Nachbarn zu retten, muss Pelzig die Firma retten – dabei hilft ihm Edelhure Chantal (Christiane Paul). Der Film (Regie: Thomas Heinemann) kommt in Bay- ern, am 13. Dezember in die Kinos, im Rest der Republik am 20. 12..