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Würzburg: Feine Sahne Fischfilet: Der Weg zum Erfolg führte auch durch Würzburg

Würzburg

Feine Sahne Fischfilet: Der Weg zum Erfolg führte auch durch Würzburg

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    Feine-Sahne-Fischfilet-Frontmann Jan "Monchi" Gorkow (rechts, mit Bierflasche) beim Taubertal-Festival 2018.
    Feine-Sahne-Fischfilet-Frontmann Jan "Monchi" Gorkow (rechts, mit Bierflasche) beim Taubertal-Festival 2018. Foto: Fabian Gebert

    Sechs junge Männer, die meisten gerade Anfang 20, sprangen wie kleine Kinder vor Freude auf den Betten herum. Vorausgegangen war der erste Auftritt ihrer Band in Bayern, dem bis dahin weitesten Tourziel für die Freunde aus Mecklenburg-Vorpommern. Feine Sahne Fischfilet spielten im März 2009, zwei Jahre nach ihrer Gründung, im Würzburger B-Hof. In das Kellergewölbe des Jugendzentrums in der Hofstraße, direkt gegenüber der Residenz, hatten sich etwas mehr als 100 Zuschauer verirrt, um den Auftritt der bis dato überregional völlig unbekannten linken Politpunk-Band zu erleben.

    Es wurde ein schweisstreibender Abend, bei dem die Combo um Frontmann Jan "Monchi" Gorkow  trotz aller Unerfahrenheit das Publikum vollkommen in ihren Bann zog. Bevor danach aber im Hotelzimmer gefeiert werden konnte,  musste Sänger Monchi noch von der Würzburger Polizeistation abgeholt werden. Er war in einer Diskothek festgenommen worden, Grund war eine Verwechslung nach einer körperlichen Auseinandersetzung. "Da war ich natürlich wie immer unschuldig", erinnert er sich. Dabei muss man wissen, dass er 2006 – noch vor Gründung der Band – einmal zu einer Bewährungsstrafe  verurteilt worden war, weil er als damaliger Fußball-Ultra-Fan des FC Hansa Rostock einen Polizeibus angezündet hatte.

    Dieser Tage, zehn Jahre nach dem ersten Würzburger Konzert, traten Feine Sahne Fischfilet wieder in Franken auf. Diesmal in Bamberg. Nicht in einem Jugendzentrum, sondern in der Brose Arena, Bayerns drittgrößter Mehrzweckhalle. Aus 100 Konzertbesuchern wurden knapp 8000. Der Siegeszug einer Band im Zeitraffer. Ein Höhenflug, den so niemand erwarten konnte. Ein Punkrock-Märchen Made in Germany.

    "Wenn dich alle mögen, machst du irgendetwas falsch", sagte Bandleader Gorkow schon in den Anfangstagen. Es folgten Auftritte im ganzen Land. Meist in linken Kulturzentren oder auf linken Festivals. Mal vor 200, 300 Zuschauern, mal auch wie 2011 im oberbayerischen Dorfen vor nur fünf Zahlenden. Der große Wurf folgte später, auf eine Weise, die direkt in das Leben der Bandmitglieder eingriff.

    Der Verfassungsschutz brachte einen Peilsender als Monchis Auto an

    2011 fand einer der "Fischfilets" beim Zuschlagen des Kofferraums von Monchis Auto einen Peilsender. Zunächst war unklar, ob dieser von Neo-Nazis oder dem Verfassungsschutz angebracht worden war. Später die Gewissheit: Letzterer war verantwortlich, wie aus einem Schreiben hervorging, in dem mitgeteilt wurde, dass die Überwachung beendet sei.

    2013 wurden der Band zweieinhalb Seiten im Verfassungsschutzbericht gewidmet. Grund war unter anderem, dass Feine Sahne Fischfilet das Release ihres zweiten Albums zum „Antifaschistischen Aktionstag" erklärten und dass Sänger Gorkow mehrfach im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen auf Demos angeklagt war, allerdings nie mehr rechtskräftig verurteilt wurde. Politisch war vor allem er in der autonomen antifaschistischen Szene zu verorten.

    Feine Sahne Fischfilet beim Taubertal Festival 2018 – im Vordergrund Sänger Jan "Monchi" Gorkow.
    Feine Sahne Fischfilet beim Taubertal Festival 2018 – im Vordergrund Sänger Jan "Monchi" Gorkow. Foto: Fabian Gebert

    Es wurde das ganz große PR-Ding für die Band, die nicht etwa daran zerbrach, obwohl es immer schwieriger wurde, Auftritte  im eigenen Bundesland zu organisieren – auch im restlichen Bundesgebiet gibt es bis heute gelegentlich Probleme in Folge der zeitweiligen Überwachung durch den Verfassungsschutz. Mit seinem Label "Audiolith" gelang es dem Sextett aber, die Angriffe stets für sich zu nutzen. Öffentlichkeitswirksam wurde dem Verfassungsschutz ein Präsentkorb für die Gratis-Werbung überreicht.

    Die Band, der der Bericht "anti-staatliche Haltung" bescheinigte, war bundesweit in aller Munde. Seit 2016 erscheint sie aber nicht mehr im Verfassungsschutzbericht. Mittlerweile haben die Musiker sich auch von altem Liedgut wie dem Song „Staatsgewalt“ und einigen Texten distanziert, die sie heute als sexistisch empfinden.

    Feine Sahne Fischfilet schien genau das zu sein, was der Rock-Landschaft fehlte

    Die Musikindustrie blieb unbeeindruckt. Schon die Toten Hosen oder Die Ärzte hatten den Durchbruch durch politische Polarisierung und Indizierungen geschafft. Feine Sahne Fischfilet schien genau das zu sein, was der deutschen Rock-Landschaft in den zwei Jahrzehnten danach fehlte. Austauschbarkeit sind in diesem Genre kein Erfolgsfaktor. Gorkows Band konnte das Vakuum füllen. Mit seinen rund 150 Kilo und seinem markanten Gesang ist Monchi auf der Bühne eine Urgewalt. 2018 wurde ihm die preisgekrönte Kino-Doku "Wildes Herz" gewidmet.

    Seine Präsenz funktioniert auch auf den allergrößten Bühnen wie bei Rock am Ring und Rock im Park, wo die Band seit 2015 regelmäßig auftritt. Dass sie sich musikalisch eher im Schneckentempo entwickelt, ist kein Problem. Der fast plumpe Sound ist auf seine Weise massentauglich, die Lieder der letzten beiden Alben sind zum großen Teil Mitgröhl-Hits. Aus den plakativ politischen Liedtexten des zweiten Albums ("Wut im Bauch, Trauer im Herzen") wurden ausgefeiltere Stücke über Persönliches, Freundschaft, Heimat und Feiern. Etwas, womit eben viele Tausende etwas anfangen können. Anstelle des Cover-Songs "Antifa Hooligans" der italienischen Polit-Punkband Los Fastidios, das die ersten Jahre auf den Konzerten gespielt wurde, wird heute mit "London Calling" von The Clash ein sanfterer, wenn auch weiter politischer Ton, angeschlagen.

    Die No-Names vom Land sind zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bands aufgestiegen

    Die Band wehrt sich heute dagegen, als linksextrem bezeichnet zu werden. „Wir sind Antifaschisten“, sagt Gorkow. Politische Ideologien lehne die Gruppe ab, erklärte er im Oktober gegenüber der Osnabrücker Zeitung: „Die Leute, die uns kennen, wissen, dass wir nicht irgendwelche Freaks sind, die in den Stalinismus wollen, sondern eine freie Gesellschaft ohne Rassismus und Neonazismus feiern."

     Die No-Names vom Land sind zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bands aufgestiegen, haben auf ihren Touren über 100 000 Zuschauer, ihr fünftes Studioalbum "Sturm & Dreck" landete auf Platz drei der Charts. Trotzdem versucht die Band authentisch zu bleiben und unterstützt weiter antifaschistische Projekte. Im Kommunalwahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern 2016 engagierte sie sich  gegen AfD und NPD und organisierte mit befreundeten Bands die "Wir sind mehr"-Konzerte in Chemnitz 2019.

    "Wir nutzen unsere Bekanntheit weiter schamlos aus", schreibt die Band via Social Media.  Everybody's Darling wird man so in einem Land, in dem der Rechtsruck seit Jahren anhält, nicht. Immer wieder kommt es zu Versuchen, Auftritte der Band zu verhindern. Nach nunmehr alter Tradition nimmt Feine Sahne Fischfilet die Angriffe dankend auf und bringt das eigene PR-Monster ins Rollen. So geschehen zuletzt 2018, als AfD und CDU ein Auftrittsverbot im Bauhaus in Dessau erwirkten. Was daraus wurde? Die Band wurde noch populärer.

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