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Gegen Uniformen und Klassik-Pinguine

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Gegen Uniformen und Klassik-Pinguine

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    Vorliebe für extravagante Hemden: Mischa Maisky. Am 9. Juni kommt der Cellist zum Würzburger Mozartfest.
    Vorliebe für extravagante Hemden: Mischa Maisky. Am 9. Juni kommt der Cellist zum Würzburger Mozartfest. Foto: FOTO mF

    Mischa Maisky gilt als einer der besten Cellisten der Welt. Die Familie des am 10. Januar 1948 in Riga geborene Künstlers wurde in der ehemaligen UdSSR wegen ihres jüdischen Glaubens verfolgt. Maisky landete im Arbeitslager. Im Gespräch reagierte der bei dem kürzlich verstorbenen Mstislaw Rostropowitsch ausgebildete Musiker auf Stichworte, erzählte von dunklen Zeiten, von Vaterglück – und von seinem Hang zu extravaganter Kleidung.

    Sowjetunion.

    Mischa Maisky: Nicht nur ein dunkles Kapitel. Immerhin habe ich in der früheren Sowjetunion meine musikalische Ausbildung erhalten. Aber es gibt auch die andere Seite. Schon mein Vater hatte unter Antisemitismus zu leiden, er verlor sogar seine Arbeit. Ich wuchs unter schwierigen Umständen auf. Meine Eltern versuchten zwar, die Probleme vor uns Kindern zu verheimlichen, aber wir spürten schon, dass etwas nicht stimmte. Später musste ich selbst Erfahrungen mit Antisemitismus machen. Nachdem meine Schwester 1969 nach Israel emigriert war, bekam ich eine Menge Schwierigkeiten. Die gipfelten darin, dass ich im Sommer 1969 verhaftet wurde und eineinhalb Jahre im Gefängnis und im Arbeitslager verbrachte. Ich habe Zement geschaufelt. Ich kommentiere das immer sarkastisch: Ich habe den Kommunismus gebaut – offensichtlich ohne Erfolg . . . Danach habe ich zwei Monate in einer Nervenheilanstalt verbracht, um dem Militärdienst zu entkommen. Ich habe in der Sowjetunion also zwei Jahre meines Lebens verloren. Mein Cello habe ich da nicht einmal gesehen. Es war eine harte Zeit. Aber ich glaube auch, dass ich dadurch wichtige Erfahrungen gesammelt habe. Auf eine seltsame Art bin ich sogar dankbar. Eine harte Schule macht einen auch selbst härter und selbstsicherer. Ich glaube, dass man auch in schwierigsten Situationen versuchen sollte, positive Elemente zu finden. Es ist wichtig, das Glas immer als halb voll zu sehen und nicht als halb leer.

    Heimat.

    Maisky: Ich habe einen israelischen Pass und einen belgischen – ich lebe seit 19 Jahren in der Nähe von Brüssel. Ich bin in Lettland geboren – das war damals Teil der Sowjetunion –, ich wurde in Russland erzogen, in Moskau und St. Petersburg, ich ließ mich 1972 in Israel einbürgern, ich verbringe einen großen Teil meines Lebens in Europa – ich habe einen Wohnsitz in Brüssel–, spiele ein Cello aus Italien, verwende einen Bogen aus Frankreich und Saiten aus Deutschland, meine Tochter wurde in Paris geboren, mein älterer Sohn in Brüssel, mein kleiner Sohn in Italien, ich fahre ein japanisches Auto, trage einen indischen Halsschmuck und eine Schweizer Uhr. Ich reise rund um die Welt und fühle mich überall dort zu Hause, wo Menschen Freude an klassischer Musik haben.

    Hemden.

    Maisky: Seit zehn oder zwölf Jahren trage ich auf der Bühne nur Hemden von Issey Miyake. Vorher habe ich mit verschiedenen Outfits experimentiert – aus rein praktischen Gründen: Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich im traditionellen Frack spiele. Ich bin ein Musiker, der sich viel bewegt. Also habe ich nach bequemer Kleidung gesucht, habe sogar auch meine Hemden selber designt. Dann entdeckte ich Issey Miyake, der meiner Meinung nach einer der größten Mode-Designer ist. Seine Kleidung finde ich bequem, und sie sieht interessant aus. Außerdem sind seine Hemden praktisch zum Reisen: Sie brauchen wenig Platz, und man muss sie nicht bügeln. Viele denken, es sei Protest gegen den konservativen Konzertbetrieb, dass ich im Hemd auftrete. Das ist höchstens unbewusst so. Ich finde es sehr unglücklich, dass gerade junge Leute nicht in Konzerte wollen, weil sie schon von den Fotos abgeschreckt werden, auf denen Sinfonieorchester wie eine Versammlung von Pinguinen aussehen. Da glauben die Jungen dann, klassische Musik sei nur was für konservative Alte. Was natürlich überhaupt nicht stimmt. Wenn ich durch meine Outfits unbewusst ein Image entwickelt habe, das Klassik für Junge attraktiv macht, umso besser. Zudem habe ich, solange ich denken kann, eine Abneigung gegen Uniformen und Uniformität. Beim Militär oder bei der Polizei ist das in Ordnung – aber nicht bei einem Solisten. Es ist ja auch beinahe sexistisch: Frauen können sich auf der Bühne anziehen, wie sie wollen. Aber Männer müssen alle schwarz und weiß aussehen.

    Glück.

    Maisky: Glück ist, zu sehen, dass Du mit den Möglichkeiten und Talenten, die Dir die Natur – oder Gott – gegeben hat, Menschen froh machen kannst, dass Du vielleicht sogar ihr Leben mit Musik ein bisschen besser machen kannst. Und persönlich: Ich habe drei wunderbare Kinder. Sie von Anfang an aufwachsen zu sehen – ich war jedes Mal bei der Geburt dabei –, ist das größte Glück, das ich mir vorstellen kann.

    Gefühl.

    Maisky: Gefühl, Emotion ist das Wichtigste, wenn man in der Sprache der Musik kommuniziert, eigentlich aber in allen Bereichen des Lebens. Ich glaube, der Unterschied zwischen guten und wirklich großen Musikern liegt genau in diesem Element der emotionalen Kommunikation. Das hilft – zumindest manchmal –, eine direkte Verbindung zu den Herzen der Zuhörer zu finden, also nicht nur ihre Ohren mit Tönen und ihre Gehirne mit musikalischen Ideen zu erreichen.

    Montagnana.

    Maisky: Montagnana war ein großer venezianischer Geigen- und Cellobauer des späten 17., frühen 18. Jahrhunderts. Ich bin einer der Glücklichen, der seit über 30 Jahren ein schönes Cello von Montagnana spielt. Es wurde 1720 gebaut. Es ist ein Unterschied, ob man ein altes Instrument spielt oder ein neues. Ein Instrument wie meines hat, ich möchte fast sagen: eine Seele. Es hat 300 Jahre Geschichte in sich. Da entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung zwischen dem Spieler und dem Instrument. Mit einem anderen Spieler würde dasselbe Instrument anders klingen – das hat etwas Geheimnisvolles. Zudem haben alte italienische Streichinstrumente klangliche Qualitäten, die man heute leider nicht nachahmen kann.

    Mischa Maisky spielt am 9. Juni beim Würzburger Mozartfest mit den Prager Sinfonikern im CCW Dvoáks Cellokonzert h-Moll. Restkarten für das Mozartfest (8. Juni bis 7. Juli) im Würzburger Falkenhaus, Tel. (09 31) 37 23 36.

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