Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

KÖLN: Gerhard Richter - Ein Künstler auf der Suche

KÖLN

Gerhard Richter - Ein Künstler auf der Suche

    • |
    • |
    Farbenspiel statt realistischer Heiliger: Richter-Fenster im Kölner Dom.
    Farbenspiel statt realistischer Heiliger: Richter-Fenster im Kölner Dom. Foto: Fotos: Oliver Berg, dpa

    „Picasso des 21. Jahrhunderts“ wird er gerne genannt. Gerhard Richter lacht freundlich und findet, eine derartige Etikettierung sei schlichtweg „Quatsch“, „Ich bin's überhaupt nicht“, sagte er einmal im Gespräch mit dieser Redaktion. „Picasso war auch viel selbstsicherer als ich. Und viel mächtiger.“ Richter, der an diesem Donnerstag 85 Jahre alt wird, ist einer der wichtigsten Künstler der Gegenwart. Und dennoch ist es kein Kokettieren, wenn er die eigene Bedeutung tiefstapelt. Er stellt sich nicht gerne in den Vordergrund. Besuchermassen und stundenlange Warteschlangen vor einer seiner Ausstellungen in Berlin? „Erfreut“ habe ihn das. Er sei aber auch erschrocken. Erschrocken vor der eigenen Popularität.

    Gerhard Richter, geboren am 9. Februar 1932 in Dresden als Sohn eines Lehrers und einer Buchhändlerin, hat sich nie selbst inszeniert. Nie hat er sich stilisiert wie Markus Lüpertz mit seinen Klunkern und dem Totenkopf-Gehstock. Nie hat er boulevardtauglich über die Stränge geschlagen wie Jörg Immendorff, der wegen seines Kokain-Konsums sogar vor Gericht kam. Gerhard Richter steht eher für Tugenden wie Ordnung, Fleiß und Disziplin. Er spricht leise, höflich und zurückhaltend. Alles andere wäre ihm unangenehm.

    Das Domfenster zu Köln

    Skandale sind nicht sein Ding. Immerhin umstritten ist „18. Oktober 1977“. Das Bild von 1988 bezieht sich auf die Nacht, als sich die RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe im Gefängnis selbst töteten. Kritiker warfen Richter Verharmlosung des Terrorismus vor.

    Eine Kontroverse löste auch sein 2007 vollendetes Fenster im südlichen Querhaus des Kölner Doms aus. Der Auftrag für den seit langem in Köln lebenden Ex-Professor der Düsseldorfer Akademie war auch auf Vermittlung von Friedhelm Hofmann zustande gekommen: Der wirkte vor seiner Zeit als Bischof von Würzburg in Köln.

    Wird 85 Jahre alt: der Künstler Gerhard Richter.
    Wird 85 Jahre alt: der Künstler Gerhard Richter. Foto: A3250/_Oliver Berg (dpa)

    Richter gestaltete das 19 Meter hohe Fenster nichtgegenständlich. Er setzte es per Zufallsgenerator aus 11 263 Farbquadraten zusammen. Kardinal Joachim Meisner, damals Erzbischof von Köln, kritisierte, das Fenster würde „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“ passen als in eine gotische Kathedrale. Er hätte auf dem Fenster lieber christliche Märtyrer des 20. Jahrhunderts gesehen. Das Domkapitel entschied sich dennoch für Richters Konzept. Der hätte den Auftrag auch gar nicht anders erfüllen können. Denn Richter ist nicht im eigentlichen Sinne gläubig: Als Atheist möchte er sich nicht bezeichnen („das klingt so arrogant“), eher als Agnostiker.

    Grundsätzlich sei er beeinflusst durch Traditionen der Kirche, die wiederum die westliche Kultur prägen, doch: „Ich kann den Glauben der Kirche nicht teilen.“ Das wirkte sich auch auf die Gestaltung des Domfenster aus, denn: Hätte er so getan, „als könnte ich Heilige malen, käme mir das wie eine Art Theater vor“.

    Was nun wirklich nicht bedeutet, dass Gerhard Richter es rein technisch nicht draufhätte, realistische Heilige zu malen. Seine fotorealistische „Kerze“ von 1982 – sie ging bei einer Auktion für zwölf Millionen Euro weg – scheint geradezu Licht und Wärme in die Welt des Betrachters auszustrahlen.

    Gerhard Richter, der auch als Fotograf und Bildhauer arbeitete, kann praktisch alles, ob altmeisterlich oder abstrakt. Der Träger des weltweit wichtigsten Kunstpreises, des Praemium Imperiale, hat immer wieder altbekannte Genres aufgegriffen: Landschaften, Porträts, Aktbilder, Stillleben, Historienbilder. Zu DDR-Zeiten praktizierte er auch „Sozialistischen Realismus“. 1961 floh er in den Westen.

    Richters Atelier befindet sich in einem bunkerähnlichen Riegelbau im Villenviertel Köln-Hahnwald. Wie ein Schutzschild schirmt der Bau das dahinterliegende Wohnhaus ab. Der Künstler lebt dort mit seiner dritten Frau Sabine Moritz – einer ehemaligen Schülerin – und dem jüngsten Sohn Theodor (11).

    Der vermutete Reichtum

    Der Maler wurde im vorigen Jahr zum wiederholten Mal im „Kunstkompass“-Ranking zum „weltweit wichtigsten Künstler“ gekürt. Er wird mitunter zu den reichsten Deutschen gerechnet, was er aber bestreitet. Vermögend ist er sicherlich, auch wenn er von den Rekordpreisen, die bei Auktionen für seine Bilder gezahlt werden, nicht direkt profitiert. Denn dabei handelt es sich durchweg um ältere Bilder, die schon durch mehrere Hände gegangen sind. „Abstraktes Bild (789-3)“ brachte bei Christie's 21,8 Millionen Euro, „Seestück (Leicht bewölkt)“ von 1969 ging für 19,3 Millionen weg.

    Gerhard Richter steht noch immer tagtäglich in seinem Atelier. Und das wahrscheinlich nicht, um schnell mal ein paar Millionen zu verdienen. Er malt auch, weil er auf der Suche ist. Denn Kunst sei „die einzige Möglichkeit, uns in Gebiete zu führen, die über uns hinausführen“, sagte er. „Wir brauchen Ideen, die größer sind als wir. Und die Kunst ist ein Mittel, dass wir uns diesem, unseren Horizont übersteigenden, Gebiet annähern.“ Mag seine Kunst auch weltlich sein – für Richter hat sie eine spirituelle Dimension. Mit Material von dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden