Warum sein neues Programm „Deppenmagnet“ heißt? „Ich bin ein Deppenmagnet, einer, der die Deppen anzieht, vor dem zum Beispiel an der Supermarktkasse immer gerade ein Idiot steht, der sein Geld vergessen hat. Das geht doch jedem von uns so, dass er hin und wieder das Gefühl hat, von lauter Deppen umgeben zu sein“, sagt Günter Grünwald (am 20. November in der Kulturhalle Grafenrheinfeld, am 8. Dezember in den Mainfrankensälen Veitshöchheim) – und noch vieles mehr. Vorstellen mus man sich seine Antworten im Interview in dem für den Ingolstädter typischen Dialekt.
Frage: Gleich zu Beginn ein Klischee: Menschen, die berufsmäßig lustig sind, sind privat ernst und nachdenklich. Wie ist das bei Ihnen?
Günter Grünwald: Ich bilde mir ein, dass ich doch relativ alle Facetten des menschlichen Daseins habe. Manchmal bin ich ruhig, manchmal nachdenklich, manchmal lustig, manchmal schlaf' ich, manchmal bin ich wach. Der traurige Clown, der die anderen glücklich macht und selber in sich hinein weint, bin ich definitiv nicht.
Wenn Sie an der Supermarktkasse stehen und die Leute vor Ihnen ewig lang brauchen – läuft dann in Ihrem Inneren sofort so eine deftige Szene ab wie in Ihrem neuen Programm „Deppenmagnet“?
Grünwald: Nein. Das muss dann schon noch daheim eingedampft werden oder ausgebaut, je nachdem. Es ist aber relativ selten, dass man Anregungen von draußen kriegt, dass einem wirklich was passiert, das man sofort in eine Form für die Kabarettbühne bringen möchte. Und nicht alle meine Geschichten sind tatsächlich echt selber erlebt. Viele sind bloß ausgedacht.
Es gibt da eine ältere Geschichte, in der Sie beklagen, dass Mercedes keine Bordkanone als Extra anbietet . . .
Grünwald: Ich fahr' 50 000 Kilometer im Jahr. Und die Anzahl der Kreisverkehre nimmt zu, bei denen Menschen 20 Meter vorher anhalten. Und dann kommen sie nicht in den Kreisel rein, weil der Weg zu weit ist und schon das nächste Auto kommt, bis sie vorne sind. Manchmal ist es schon wirklich so, dass man . . . Also ich weiß nicht, ob ich sie immer gleich benutzen würde, aber manchmal wäre eine Bordkanone schon tatsächlich nicht ganz verkehrt.
An sich ist das eine heftige Aussage. Wenn Sie's aber sagen, klingt's amüsant und gar nicht so hart – und das scheint mir typisch für Ihre Art Kabarett. Liegt das auch am bayerischen Dialekt, den sie sprechen?
Grünwald: Ja, schon. Es ist ja ein sehr weicher Dialekt. Da kann man härtere Sachen wesentlich besser ausdrücken. Natürlich ist es nicht nur das Bayerische, sondern auch die Art, wie ich's mach'. Ich relativier' ja sofort, wenn ich übers Ziel hinausgeschossen bin – und setz' noch was Härteres drauf. Das funktioniert im bayerischen Dialekt sehr gut. Wobei ich's jetzt nicht einschätzen kann, ob's auf Ostfriesisch auch funktionieren würde. Weil ich's net kann.
Sie sagten „übers Ziel hinausschießen“. Improvisieren Sie auch mal?
Grünwald: Kommt vor, ja. Aber dann werden immer nur Geschichten ausgebaut. Wenn ich übers Ziel hinausschieße, dann tu' ich das mit Absicht. Das steht so im Text.
Macht es einen Unterschied, ob Sie auf der Bühne stehen oder, etwa für Ihre „Freitagscomedy“, vor der Fernsehkamera?
Grünwald: Ja. Auf der Bühne habe ich viel Zeit, Geschichten aufzubauen und dann mit der Pointe aufzulösen. Diese lange Zeit hat man im Fernsehen nicht. Da muss alles viel knackiger formuliert werden, da muss die Pointendichte höher sein, weil die Texte kürzer sind. Von daher unterscheidet sich mein Bühnenprogramm schon sehr von dem, was ich im Fernsehen mache.
Es unterscheidet sich wahrscheinlich auch das Publikum.
Grünwald: Genau. Zum Bühnenprogramm kommen Leute, die wissen, was Kabarett ist. Die kommen gezielt, um sich jetzt diesen Mann anzuschauen. Ins Fernsehen schaut man halt manchmal einfach rein.
Da kriegen Sie dann sicher ganz andere Reaktionen. Leute, die sich aufregen . . .
Grünwald: Ja, klar. Da schreiben dann irgendwelche Leute an den BR, zum Beispiel, ich dürfe nicht so über alte Leute reden, dann kommen Briefe in Sütterlin-Schrift . . . Manche haben offensichtlich nicht mitgekriegt, dass das schon auch irgendwo eine Art Satiresendung ist. Die behandeln das, als ob ich der Nachrichtensprecher wäre. Die kriegen das vollkommen in den falschen Hals.
Wir leben halt in politisch sehr korrekten Zeiten. Da wird sogar darüber diskutiert, ob man das Wort „Neger“ in Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ ersetzen sollte.
Grünwald: Das kommt auch in meinem Programm vor.
Ein Großteil Ihres Erfolgs liegt womöglich genau darin, dass Sie nicht immer politisch korrekt sind und richtig vom Leder ziehen . . .
Grünwald: Das schon. Man muss natürlich auch vorsichtig sein, dass man nicht in die falsche Richtung galoppiert. An manchen Stellen ist politische Correctness absolut richtig. Ich kann nicht zu einem Schwarzen „Servus, Neger“ sagen. Das geht einfach nicht. Man muss die Menschen schon so nennen, wie sie genannt werden wollen. Aber dieses Übertriebene in jeder Anrede – „Bäckerinnen und Bäcker haben Brot gebacken“ –, also das geht mir schon sauber auf den Docht.
Verändert sprachliche politische Korrektheit das Bewusstsein?
Grünwald: Vielleicht sieht irgendeine spätere Generation mal Menschen vollkommen neutral. Aber ich weiß nicht, ob das ein Ziel sein soll. Es gibt unterschiedliche Menschen und unterschiedliche Geschlechter. Das ist so. Und ich find' das auch in Ordnung, weil: Mir ist es eigentlich ganz recht, dass ich mit einer Frau verheiratet bin.
Glauben Sie, dass Sie als Kabarettist etwas beeinflussen können?
Grünwald: Das ist schwer. Wen kann man schon generell überzeugen? Mit den Mitteln des Humors ist es schwierig, Menschen zu überzeugen, die gestern noch der Pegida nachmarschiert sind. Die gehen doch nicht in ein Kabarettprogramm und sagen: „Mensch, bin ich ein Idiot gewesen, jetzt weiß ich, was richtig ist!“ Das wird nicht funktionieren. Aber trotzdem muss man sein Maul aufmachen und das sagen, was man meint – auch wenn man die Menschen nicht unbedingt davon überzeugen kann.
Aber zumindest zum Nachdenken anregen, das könnte doch funktionieren . . .
Grünwald: Ich fürchte, Leute, die der Pegida hinterherrennen, die haben's nicht so mit dem Nachdenken. Eigentlich geht man ins Kabarett, um sich seine eigene Meinung bestätigen zu lassen.
Gibt es einen Gag, von dem Sie sagen: Das tut mir leid, das würd' ich heute so nicht mehr sagen?
Grünwald: Fällt mir, jetzt zumindest, keiner ein. Aber es kann sein, dass ich einen Gag jetzt nicht mehr machen würde, weil er dann in einem falschen Licht erschiene. Zum Beispiel: Wir haben mal die Werbung „Neulich im Paulanergarten“ persifliert. Bei Youtube ist das ein Renner. Da sitzen ein Araber und ein Türke im Biergarten. Sie bestellen in ihren Heimatsprachen, und die Bedienung versteht sie einwandfrei. Dann sitzt da auch ein Sachse und sagt (sächselnd) „Ich hätt' gern 'n Broiler und e Maß Bier“. Den versteht die Bedienung nicht, und sie sagt, er solle erst mal Deutsch lernen. Damals haben wir die Sachsen gerne auf den Arm genommen, und da war das auch lustig. Aber jetzt hat's irgend so ein Arschkeks auf seine Internetseite gestellt und „Deutschland in zehn Jahren“ drüber geschrieben. Da erscheint das natürlich in einem vollkommen falschen Licht.
Günter Grünwald
Günter Grünwald wurde 1956 in Ingolstadt geboren, wo er auch die Grundschule und die Hauptschule besuchte. Mitte der 1980er Jahre startete er seine Laufbahn als Kabarettist. Er schreibt bis heute alles selbst. 1996 trat Grünwald für Bündnis 90/Die Grünen bei der Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt an und erreichte einen Stimmenanteil von 4,81 Prozent. Medial trat Grünwald zunächst zusammen mit Andreas Giebel und anderen im Bayerischen Fernsehen auf, unter anderem in „Kanal fatal“ und „Die Komiker“. Seit 2003 hat er eine eigene Show („Freitagscomedy“).