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Helmut Zierl über Pilcher, Theater und Internet-Freundschaften

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Helmut Zierl über Pilcher, Theater und Internet-Freundschaften

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    Auf der Bühne: Helmut Zierl mit Elisabeth Degen in „Wir lieben und wissen nichts“.
    Auf der Bühne: Helmut Zierl mit Elisabeth Degen in „Wir lieben und wissen nichts“.

    Derzeit ist Helmut Zierl mit dem Theaterstück „Wir lieben und wissen nichts“ unterwegs, mit dem er auch in Schweinfurt gastierte. Er spielt einen erfolglosen Schriftsteller, der für Internet & Co. nichts übrig hat.

    Frage: Sie stehen derzeit in „Wir lieben und wissen nichts“ als Sebastian auf der Bühne. Der sagt Dinge wie „Alles ist miteinander vernetzt, aber die Entfernungen zwischen den Menschen werden immer größer“.

    Helmut Zierl: Stimmt. Das geht einem unter die Haut.

    Sie geben ihm recht?

    Zierl: Absolut. Manchmal kann ich nur staunen: Ich fahre beispielsweise an einer Bushaltestelle vorbei, und die Leute, die da sitzen – nicht nur Jugendliche! – haben alle den Kopf gesenkt. Starren auf ihre Handys und schreiben SMS, Mails, ich weiß nicht, was alles. Die kommunizieren eigentlich nicht mehr miteinander, sondern beschäftigen sich nur mit ihren Endgeräten. Wenn Menschen nebeneinander sitzen und eigentlich miteinander reden könnten, stattdessen aber entrückt über ihre Handys kommunizieren, kann man schon mal drüber nachdenken, ob man nicht von einer Entfernung zwischen den Menschen sprechen kann.

    Die sogenannten Freundschaften sind nichts Echtes, nur Ersatz . . .

    Zierl: Ich bin zwar selbst nicht bei Facebook, kenne das aber von Bekannten, die mir vom inflationären Gebrauch des Begriffs Freund erzählen. „Willst du mein Freund sein? Dann adde mich!“ (lacht) Ich finde die Sprache ja spannend. Zu meinen Kindern – die sind 19 und 22 Jahre alt – habe ich mal gesagt: Wenn eure Großmutter noch leben würde, die würde gar nicht mehr wissen, in welcher Sprache ihr redet (parodierend): „Ey, ist das voll krass ey, oaah, und dann hab' ich den geaddet.“ Da kommt doch keiner mehr mit!

    Man kann jemanden auch „liken“.

    Zierl (amüsiert): Ja, genau: „Like ihn mal!“, oder: „Mir fehlen noch 300 Likes.“ Schreck-lich.

    Sie stehen derzeit zwar auf der Bühne, bekannt geworden sind Sie aber durch Film und Fernsehen. Ich hab' im Internet grob 130 Rollen gezählt. Selbst über mehr als 30 Jahre verteilt, ist das eine ganze Menge.

    Zierl: Es sind sogar über 300 Rollen! Aber eigentlich komme ich vom Theater. Ich war an der Schauspielschule, dann drei Jahre am Theater in Hanover, vier Jahre am Hamburger Thalia-Theater.

    . . . eine Top-Adresse . . .

    Zierl: . . . erst nach sieben Jahren Ensembletheater habe ich angefangen, regelmäßig für Fernsehen und Film zu arbeiten. Ich war jung – Anfang, Mitte 20 – und habe so eine Möglichkeit gesucht. Ich hatte auch Glück. Im Nachhinein beschreibe ich das als Schneeball-Effekt: Es wurde immer mehr. Eigentlich wollte ich auch immer wieder Theater spielen. Aber es kam nie dazu. Theater müssen Jahre vorausplanen. Sagen wir – als fiktives Beispiel –, 1989 kommt die Anfrage von den Kammerspielen in Hamburg, ob ich dort 1991 spielen will. Ich möchte mich aber nicht festlegen, denn vielleicht kommt gerade dann der große tolle Kinofilm – wer weiß? Es hat sich jedenfalls nie mehr ergeben, drum habe ich 20 Jahre mit dem Theaterspielen pausiert.

    Jetzt sind Sie wieder aktiv.

    Zierl: Ich habe 2004 an den Hamburger Kammerspielen wieder begonnen, mit „Ein besserer Herr“ von Walter Hasenclever. Also ich hätt' nie geglaubt, dass man das verlernen könnte. Aber allein dieser Bühnenton hat mich genervt. Beim Fernsehen kann man wunderbar diskret und fein arbeiten. Das Mikrofon ermöglicht es sogar, zu flüstern. Und die Großaufnahmen! Da kann schon ein Augenaufschlag die Emotion ausdrücken, die ich herstellen möchte. Beim Theater haben mich die große Geste und der laute Ton fast gestört. Erst Anfang 2012 habe ich mit „Die Wahrheit“ von Florian Zeller – wir waren damit auf Deutschlandtournee – wieder Spaß gefunden am Theaterspielen. Bei den Zwingerfestspielen in Dresden habe ich mit „Die Mätresse des Königs“ eine Uraufführung gespielt, dann war ich am Winterhuder Fährhaus, und irgendwie bin ich seit fünf, sechs Jahren wieder voll im Theaterbetrieb drin.

    Ohne Film und Fernsehen zu vernachlässigen?

    Zierl: Das lässt sich sehr gut vereinbaren, weil meist in den Monaten gedreht wird, in denen es mehr Licht gibt, im Frühling, im Sommer oder im Herbst. Meine Theatertermine sind im Winter.

    Sie sind immer wieder auch in Rosamunde-Pilcher und Inga-Lindström-Filmen zu sehen. Manche halten die für ziemlich seicht. Wie sehen Sie's?

    Zierl: Auf der einen Seite kann ich das nachvollziehen. Auf der anderen Seite tut man mir persönlich Unrecht, wenn man mich darauf reduziert. Ich habe auch in vielen Literaturverfilmungen gespielt, Keyserling, Kempowski, ich war bei „Tatorten“ dabei.

    Ja, aber . . .

    Zierl: Aber diese Lindströms und Pilchers scheinen ihre Berechtigung zu haben. Sonst hätten sie nicht sechs, sieben Millionen Zuschauer pro Sendung. Das heißt, es gibt eine große Klientel, die diese Filme liebt. Ich bekomme viel Fanpost, und selbst Männer schreiben: Wenn man den ganzen Tag hart arbeitet, will man abends vorm Fernseher nicht auch noch mit Problemstoffen konfrontiert werden. Da möcht' ich entspannen, da möcht' ich schöne Bilder sehen, „Traumschiff“, die Landschaft der Malediven, dazu noch 'ne kleine Liebesgeschichte. Ich kann auch das nachvollziehen.

    Meistens sind diese Filme ja auch mit guten Schauspielern besetzt.

    Zierl: Eben. Und weil die Leute es lieben, werden solche Filme auch immer gedreht werden. Früher gab's das ja auch, selbst im Kino. Denken Sie an Filme wie „Ich denke oft an Piroschka“, Ich glaube, ein großer Teil der Zuschauer mag solche Filme zum Angucken und Wegdämmern (lacht).

    Ich denke, man muss als Schauspieler ja auch nicht ständig den großen Anspruch vor sich hertragen.

    Zierl: Den Anspruch habe ich an die Rolle. Pilcher oder Lindström würde ich nicht drehen, wenn es eine blöde Rolle wäre. Wenn ich, sagen wir, einen alkoholkranken Gutsbesitzer in Schweden spiele, bei dem erklärbar ist, warum er alkoholabhängig wurde und warum er solche Szenen hat – die auch gar nicht leicht zu spielen sind –, dann ist das schon ein gewisser Anspruch. Zumindest an den Schauspieler.

    Helmut Zierl

    Ein Vollblut-Schleswig-Holsteiner sei er, sagt Helmut Zierl. Der Schauspieler wurde am 6. Oktober 1954 in Meldorf geboren, und er lebt auch in dem nördlichsten Bundesland – in einer 3000-Seelen-Gemeinde. Sein Großvater stammte aus Niederbayern.

    Als Synchronsprecher war Zierl die Stimme von Jeff Goldblum, Anthony Perkins, Dennis Quaid und anderen. Er sprach den Schlaubi-Schlumpf in der Serie „Die Schlümpfe“.

    Der Schauspieler lebte nach seiner Ehe mit Dolly Dollar, aus der er zwei Söhne hat, bis 2011 zehn Jahre mit der Schauspielerin Saskia Valencia („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Unser Charly“, „Rote Rosen“) zusammen.

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