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Interview mit Marietta Slomka: Sprache als Skalpell der Nachrichtenfrau

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Interview mit Marietta Slomka: Sprache als Skalpell der Nachrichtenfrau

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    Marietta Slomka: „An der Sprache wird gehobelt, gefeilt, es wird angemalt.“
    Marietta Slomka: „An der Sprache wird gehobelt, gefeilt, es wird angemalt.“ Foto: Fotos: dpa

    Die ZDF-Nachrichtenmoderatorin Marietta Slomka („heute journal“) hat schon viele Preise erhalten, aber noch nie einen für die Qualität ihrer Sprache. Ebenso geht es dem Medienjournalisten und Blogger Stefan Niggemeier. Am Samstag, 5. Mai, werden die beiden Journalisten mit dem renommierten Medienpreis für Sprachkultur der Gesellschaft für deutsche Sprache ausgezeichnet. Im Interview sprechen Slomka und Niggemeier darüber, wie wichtig ihnen Sprache ist und wie sie daran arbeiten.

    Frage: Wie arbeiten Sie an Ihrer Sprache?

    Marietta Slomka: Das Schreiben der Moderationen ist neben der inhaltlichen Vorbereitung das Wichtigste für das „heute-journal“. Wie für einen Chirurg das Skalpell oder für einen Musiker sein Instrument ist für mich die Sprache das, womit ich arbeite. An der Sprache wird gehobelt, gefeilt, es wird angemalt. Gleichzeitig darf es nicht zu ausgearbeitet klingen, als lese man ein Schriftstück vor. Es muss für das Fernsehen eine Sprechsprache bleiben.

    Stefan Niggemeier: Ich versuche, so zu schreiben, dass das Lesen Spaß macht. Ein Text soll dem Journalisten Arbeit machen, nicht dem Leser. Ich sitze vor meinem Computer und bastele an den Sätzen. Es hilft sehr, wenn jemand die Texte gegenliest. Das ist bei Printartikeln ohnehin so, aber auch die Beträge für meinen Blog liest oft jemand anderes vorher durch.

    Unser schriftlicher Sprachgebrauch verlagert sich immer ins Internet: Wir schreiben Mails, wir bloggen, twittern, posten in Sozialen Netzwerken? Was bedeutet das allerdings für unsere Sprache?

    Slomka: Auch im Internet gibt es sehr verschiedene Sprachen. Es ist aber richtig, dass immer mehr Menschen heute schriftlich kommunizieren. Bevor man anruft, schreibt man lieber eine SMS oder eine E-Mail. Ich glaube, dass das manchmal auch gefährlich sein kann, dass der Tonfall falsch rüberkommt, das Schriftliche schwerer im Raum steht. Im Gespräch, am Telefon kann der andere etwas erwidern, ich kann mich notfalls korrigieren.

    Niggemeier: Es gab vor ein paar Jahren im Zusammenhang mit dem Fernsehen einen Kulturpessimismus, dass wir einen Niedergang der geschriebenen Sprache erleben. Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Im Internet entstehen zwar viele Texte, die nicht geschliffen, nicht für die Ewigkeit formuliert sind. Ich erlebe es aber oft als eine Bereicherung, wenn Menschen schreiben, die keine Journalisten sind, die schnodderiger, ungefilterter, unpolierter publizieren. Auch auf Twitter gibt es nicht nur verkrüppelte Wegwerfkommunikation. Die Beschränkung auf 140 Zeichen erzwingt auch Kreativität, da ist eine Kultur von Mini-Aphorismen entstanden. Ich finde das inspirierend.

    Welches Medium ist dichter an der Realität, spricht emotional stärker an – das „alte“ Fernsehen oder das „neue“ Internet?

    Slomka: Fernsehen und Internet sind ja eh nicht mehr so zu trennen. Und für beide gilt: Bilder sind emotional am intensivsten, und sie wirken am stärksten, wenn es um Menschen geht, Geschichten erzählt werden. Im Internet gibt es mehr Vielfalt und Interaktion. Aber oft sind es nur Informationshäppchen, die man sich selber suchen und einordnen muss. Die Stärke des „alten Mediums“ Fernsehen liegt darin, dass der Zuschauer diese Einordnung mit einer bestimmten Glaubwürdigkeit und Handschrift präsentiert bekommt.

    Niggemeier: Ich bin kein Feind des Fernsehens, aber ich habe das Gefühl, dass es sich weit vom wirklichen Leben entfernt hat. Das Internet ist kreativer. Ehrlich gesagt: Ich habe auch im Netz schon Texte oder You-Tube-Videos gesehen, die mich angerührt haben.

    Was schätzen Sie an der Arbeit Ihres Mitpreisträgers?

    Slomka: Herr Niggemeier ist ein sehr guter Spracharbeiter, der scharf, präzise und sehr fantasievoll formulieren kann.

    Niggemeier: Frau Slomka biedert sich nicht an. Sie hat eine unverwechselbare, sehr persönliche Art zu formulieren und zu sprechen, die zum Zuhören zwingt. In Interviews mag ich Ihre Lust an der Konfrontation.

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