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Interview: Peter Maffay und das stärkste Thema überhaupt

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Interview: Peter Maffay und das stärkste Thema überhaupt

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    Peter Maffay hat mehr Platten verkauft als jeder andere deutsche Musiker. Der Sänger widmet sich seit 35 Jahren aber nicht nur der Musik: Er initiierte Friedensprojekte, gründete Stiftungen, treibt die Völkerverständigung voran. Am 29. August erscheint sein neues Album, „Ewig“.

    Frage: Gehen Sie immer mit einem bestimmten Konzept an eine Platte heran?

    Peter Maffay: Die Frage, was man mit einem Album erreichen will, ist für mich ganz entscheidend. Ich trage laufend Gedanken und Ideen in mein Notizbuch ein, um meiner Texterin Beatrice Reszat Steilvorlagen zu liefern. Auf „Ewig“ verarbeite ich persönliche Erfahrungen, die ich seit „Laut und Leise“ gemacht habe. Innerhalb dieser Zeitspanne wurde mein Sohn Yaris geboren, der heute vier Jahre alt ist. Es werden auch völlig neue Themen angesprochen. So habe ich erstmals die Musik, die ich mache, in einem minimalistischen Song mit Cellobegleitung besungen. Das leise Titelstück „Ewig“ spielte mir Lukas Hilbert um zwei Uhr nachts am Klavier vor; Carl Carlton bereicherte es spontan mit einem verlorenen Gitarrensound. Eine neue Liedform, die ganz fantastisch zur neuen Platte passt.

    Die Liebe spielt eine zentrale Rolle in den neuen Songs. Warum können Sie dem Thema nach so vielen Jahren immer wieder Neues abgewinnen?

    Maffay: Über Liebe zu singen, ist grundsätzlich machbar. Aber macht man es sich nicht zu einfach, wenn man diese Thematik immer wieder bemüht, oder gibt sie in der Tat so viel her, dass das funktioniert? Ich glaube, wenn die Liebe in anderer Verpackung daherkommt, ist sie immer noch das stärkste Thema überhaupt. Kein anderes Gefühl bestimmt unser Dasein als Menschen mehr. Und daraus abgeleitet auch der Hass.

    Ein Song heißt „Du bist göttlich“. Ist die Liebe der Sinn des Lebens?

    Maffay: Der Song ist in erster Linie meiner Frau Tania gewidmet. Aber sie weiß, dass es noch andere hübsche Mädels auf der Welt gibt. Ob und wie man das auslebt, ist eine andere Frage. Für mich ist inzwischen die Fantasie eine ungemeine Bereicherung. Wenn du mit jemandem ins Bett steigst und dabei an einen anderen denkst, ist etwas nicht in Ordnung. Wenn sich aber zwei angucken und in dem Moment wissen, es hätte passieren können, dann finde ich das klasse.

    Sex und Popmusik bilden seit dem Hüftschwung von Elvis und den Lustschreien von Little Richard eine unauflösliche Einheit in den letzten 50 Jahren Popgeschichte. Welche Rolle spielt der Sex in Ihrer Musik?

    Maffay: Heutzutage betont über Sex zu singen, ist einfach nicht mehr cool. Da würde man denken, der Sänger hätte ein Problem. Es ist kein Tabu mehr, über Beischlaf in einer drastischen Form zu sprechen, aber eine Textzeile wie „Komm, lass uns miteinander bumsen“ fände ich ziemlich uncharmant. In meinen Songs gibt es eher sinnliche Situationen a la „Komm, lass uns miteinander schweigen gehen.“

    Sie werden nächstes Jahr 60. Fühlen Sie sich dennoch manchmal als Berufsjugendlicher?

    Maffay: Dieses Bild will ich auf keinen Fall erzeugen. Spätestens nach zwei Flaschen Wein würde man mir ansehen, dass ich nicht mehr jung bin. Natürlich gibt es Phasen, in denen ich jünger wirke, aber manchmal sehe ich auch ganz schön alt aus. Ich bin 59, von meiner Haltung wirke ich vielleicht wie 45. Die Zahl 60 halte ich für nichts Besonderes.

    Schon mal ernsthaft krank gewesen?

    Maffay: Vor zwölf Jahren, als ich noch 80 Zigaretten am Tag rauchte, bin ich mal wegen einer Erkältung zu meinem Hausarzt gegangen. Er entdeckte einen Schatten auf meiner Lunge: Verdacht auf Lungenkrebs. Daraufhin bin ich in Starnberg in die Röhre geschoben worden. Das war zu einem Zeitpunkt, als ich mit meiner Plattenfirma die Jahresplanung durchging. Nach bangen Stunden bekam ich schließlich die Entwarnung. Seit diesem Tag habe ich das Rauchen gelassen und mit dem Workout angefangen.

    Plattenindustrie und Musiker ärgern sich über illegale Downloads. Anlässlich des „Tages des Geistigen Eigentums" haben Sie und andere Künstler die Bundeskanzlerin dazu aufgefordert, den „angemessenen Schutz“ Ihrer Werke „zur Chefsache zu machen“. Böse Zungen behaupten, es ginge den Unterzeichnern keineswegs um die Zukunft des Standorts Deutschlands und auch nicht – wie behauptet – um die Existenz junger Künstler, sondern um die Sicherung von Pfründen.

    Maffay: Wer so argumentiert, weiß nicht, wovon er redet. Offensichtlich halten es manche Leute für uncool, Besitz zu beanspruchen. Natürlich ist geistiger Klau für einen Vielverdiener eher verkraftbar. Aber das in den Vordergrund zu stellen, ist zynisch. Ich denke dabei auch nicht wirklich an mich. Wie, bitteschön, soll ein Newcomer seine ersten Schritte machen, wenn er für seine geistige Arbeit nichts mehr bekommt? Diejenigen, die von dem Problem am stärksten betroffen sind, würden die Sache gern beschleunigen, aber ich bezweifle, dass das von allen Seiten mit der gleichen Energie betrieben wird. Aus meiner Sicht als Musiker müsste die Sicherung der Urheberrechte hohe Priorität genießen.

    Sie gehören schon lange zum deutschen Pop-Establishment. Mussten Sie sich da irgendwann fragen, ob Sie überhaupt noch reizbar und unbequem sein können?

    Maffay: Ich habe das Projekt „Begegnungen – eine Allianz für Kinder“ initiiert und in meiner Stiftung spiegeln sich Schicksale wider. Alle zwei Wochen kommen 14 neue Kinder zu uns. 50 Prozent meiner Arbeit widme ich heute der Stiftung. Würde ich das alles nicht wahrnehmen, dann wäre diese Gefahr sicher da. Bei „Begegnungen“ war ich sechs Monate lang unterwegs. Und es war keine Sightseeing-Tour. Diese Dinge relativieren das Wohlgefühl, und ich fühle mich absolut nicht gefährdet, eingelullt zu werden. Vieles, was vielleicht harmonisch rüberkommt, ist in Wahrheit überhaupt nicht so. Bei uns gibt es rechts und links Einschläge wie bei jeder anderen Familie auch.

    Wenn sich Politiker mit Künstlern treffen, dann ist das oftmals knallhartes, cleveres Pop-Marketing. Haben Sie keine Angst, für Wahlkampfzwecke benutzt zu werden?

    Maffay: Zuerst einmal benutze ich die Politiker genauso für meine eigenen Interessen. Ich halte es für legitim, sich gegenseitig in einem erträglichen Maß zu benützen. Anders werden wir nie zu Synergien kommen. Man muss weltoffen sein und seine alten Berührungsängste ablegen. Frau Dr. Merkel hätte niemals die Schirmherrschaft für mein „Begegnungen“-Projekt übernommen, wenn sie nicht den Eindruck gehabt hätte, dass unsere Arbeit einigermaßen in Ordnung ist.

    Wie haben Sie für das „Begegnungen“-Projekt berühmte Paten wie Friedensnobelpreisträger Schimon Peres gewinnen können?

    Maffay: Bei unserer ersten Begegnung saß mir Schimon Peres mit einem Pokerface gegenüber, dass ich richtig nervös wurde. Er ist ein alter Hase der Weltpolitik. Seinen Erfahrungen bist du nie und nimmer gewachsen. Ich habe mir die Seele aus dem Leib geredet und hatte trotzdem das Gefühl, es kommt nichts bei ihm an. Nach 20 langen Minuten drehte er sich kurz zu seinen Beraterinnen um, um dann zu sagen: We do it! Hätten wir keinen anständigen Job gemacht, wäre er aus der Sache genauso schnell wieder draußen gewesen, aber am Ende hat er mir sogar das Du angeboten.

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