Als „Rosa Roth“ löst sie Kriminalfälle, in zahllosen TV-Filmen verkörpert sie meist starke, unabhängige Frauen. In „Buddenbrooks“, der an diesem Donnerstag anläuft, spielt Iris Berben, 58, seit langer Zeit wieder eine große Kinorolle. Im Interview spricht die Schauspielerin über hilfreiche Korsetts und ihre Ungeduld bei ihrem politischen Engagement.
Frage: Sie setzen sich seit Jahrzehnten sehr engagiert für bessere deutsch-israelischen Beziehungen und gegen Faschismus ein. Befürchten Sie, dass dieses Anliegen angesichts immer neuer Krisen in den Hintergrund gedrängt wird?
Iris Berben: Natürlich wird das in den Hintergrund gedrängt. Darum ist es so wichtig, dass man immer wieder Verbündete findet überall auf der Welt. Was ich gelernt habe, ist, dass man das in die nächsten Generationen weitertragen muss. Die Überlebenden des Holocaust sind zählbar. Es ist so wichtig, jungen Menschen Zugänge und Möglichkeiten der Identifikation zu schaffen.
Wie stark ist Ihre Ungeduld angesichts von Ausländerfeindlichkeit und politischer Apathie?
Berben: Früher hab ich immer gedacht, Ungeduld sei etwas Negatives. Aber das finde ich überhaupt nicht mehr. Ungeduld ist gut, weil sie wach macht und neugierig lässt. Die Fassungslosigkeit, die ich vor Jahrzehnten erlebt habe, hat sich mehr in einen Trotz gewandelt. Man muss genau da etwas entgegensetzen. Die Wut bleibt, die Ungeduld bleibt.
Was denken Sie über die Aktualität des „Buddenbrooks“-Stoffes, die angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nahezu gespenstisch wirkt?
Berben: Ich finde es traurig, dass die Aktualität sich so verschoben hat. Die Aktualität, die wir gemeint haben, hat sich viel mehr auf die Globalisierung bezogen und auf die Art, wie wir der begegnen. Wie sehen wir Neuerungen, was lassen wir los? Wie gehen wir damit in Würde um? Wo bleibt unsere Identität? Dass wir jetzt so eingeholt und überholt werden, das macht mich wütend und traurig.
Sie tragen als Konsulin Bethsy wundervolle Kleider und strahlen eine ganz besondere Kraft aus. Helfen Kostüme, die richtige Haltung zur Rolle zu finden?
Berben: Wenn man in ein Kostüm steigt, das einem eine gewisse Haltung aufzwingt, dann muss man das auch ausfüllen. Das Korsett ist ja auch ein Korsett der Zeit, das sich von der Taille bis in den Kopf hineinzieht. Die komplizierten Frisuren, die verlangsamte Sprache, das sind alles Hilfsmittel, die einem Einblick geben in die Zeit, die man versucht möglichst wahrhaftig darzustellen.
Wie würden Sie Bethsy Buddenbrook mit ihren drei unglücklichen Kindern beschreiben?
Berben: „Sie führt eine Ehe nicht aus Liebe, sondern aus Vernunft. Sie gibt bewusst etwas auf, was auch in ihr ist, aber sie hat gar keine andere Chance. Sie ist eine Frau, die die Härte, die sie gegen sich zeigt, auch gegen ihre Kinder hat. Sie hält fest an einem Gerüst. Es geht um Kontrolle, Vernunft, Schein.
Gibt es Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und Konsulin Buddenbrook?
Berben: Bethsy Buddenbrook und ich decken uns beim Wunsch, dass Familie der Hort ist, wo man aufgehoben ist, der Ort des Geschützten. Aus der Sicherheit einer funktionierenden Familie kann man gut aufbrechen. Ich kenne auch die Sehnsucht nach Familie, in die man sich zurückziehen kann in Sicherheit und Vertrauen. Der Grundgedanke von Familie bleibt immer gleich.