"Ja hallo Schüttauf hier, Jörg Schüttauf", der Schauspieler spricht am Telefon, als müsste man ihn nicht kennen, er wirkt ein wenig nervös, ist er aber erst einmal im Redefluss, dann sprudelt er die Sätze nur so heraus. Dabei kennen den einstigen "Tatort"- und "Fahnder"-Star viele. 1961 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) geboren, hat er die Zeit der Wende ganz bewusst miterlebt und mitgestaltet. In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre etablierte er sich als gefragter Darsteller im DDR-Kino und konnte nach der Wiedervereinigung auch bundesweit an diese Erfolge anknüpfen. Grund genug für die Organisatoren des Internationalen Filmwochenendes Würzburg, den Schauspieler im Rahmen der Retrospektive "Plus Minus 89", in der prägnante Filme aus dieser Zeit präsentiert werden, einzuladen. Er wird mit den Zuschauern über seine Erlebnisse und Erfahrungen während der Revolutionszeit in der DDR sprechen. Vorab erzählt er im Gespräch, wie er die Wende beruflich erlebt hat, wie sie die Filmbranche geprägt hat und von seinen ersten beruflichen Schritten im Westen.
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Frage: Sie spielen in zwei Filmen, die im Rahmen der Retrospektive gezeigt werden mit. „Die Architekten“ schildert am Beispiel eines jungen Architekten den Untergang der letzten DDR-Jahre. Mit welchem Blick sehen Sie heute auf den Film?
Jörg Schüttauf: In erster Linie erinnere ich mich daran, dass ich das Drehbuch bekommen habe und mir beim Lesen die Tränen gekommen sind. Der Film behandelte endlich mal das, was uns in der DDR wirklich beschäftigt hat, so war beispielsweise vom Ausreiseantrag die Rede, also all das, was uns im Alltag beschäftigt hat. Der Film war nah an der Wirklichkeit, vorbei an der Zensur. Das war nicht immer so in der DDR und im Filmgeschäft sowieso nicht. Es ist ein Film über Aufbegehren, über Verbesserung, über Mitdenken und sich Einbringen in der Gesellschaft und das war damals genauso wichtig wie heute. Wenn man die politischen Tendenzen betrachtet, die national, wie auch international absolut vorherrschen, wird deutlich, wie wichtig es ist, laut zu werden, aufzustehen und sich zu kümmern, dass nicht alles den Bach runtergeht.
Nach dem Zusammenbruch der DDR wurden Sie im gesamtdeutschen Fernsehen ein bekannter Fernsehschauspieler. Wie haben Sie beruflich die Wende erlebt?
Schüttauf: Schon 1987 wollte ich mit Blick auf Ostberlin an eines der beliebtesten Schauspielhäuser Deutschlands und tatsächlich habe ich dort auch für die Spielzeit 90/91 einen Vorvertrag abgeschlossen. Nach der Wende stellte sich dann durch Zufall heraus, dass das Theater meinen Vertrag versemmelt hat und niemand dort mit mir rechnete. Dieser Umstand führte dann dazu, dass ich auf einmal kein einziges Rollenangebot mehr bekam, da ich schlicht und einfach keinen Arbeitgeber mehr hatte. So habe ich mich gezwungenermaßen in eine Phase der Freischaffenheit bewegt. Das war am Ende des Tages aber mein Glück, denn ich hatte plötzlich viel Zeit und konnte mir meine Angebote selber suchen, was mir auch zügig gelang. Mit anderen Worten: Der Schüttauf hat es dann ans Maxim-Gorki-Theater geschafft und während dieser Probezeit kam dann das erste Fernsehangebot.
Und das war welches?
Schüttauf: Als Ermittler in der Vorabend-Krimiserie "Der Fahnder". Vier Jahre lang spielte ich Thomas Becker, bis ich irgendwann anfing Verbrecher zu spielen. Vom Jäger zum Gejagten quasi.
Inwiefern hat die Wende die Filmbranche verändert?
Schüttauf: Plötzlich kamen neue Gesichter auf den Markt. Die Kollegen im Osten mussten jedoch alle von Null anfangen, denn sie waren gänzlich unbekannt im Westen. Im Osten hingegen gab es nichts mehr zu tun, das DDR-Fernsehen gab es nicht mehr, die ehemalige DDR-Filmproduktionsgesellschaft DEFA wurde mehr oder weniger zerhauen. Ich war einer der Wenigen, die aus irgendwelchen Zufälligkeiten relativ flüssig reingekommen sind. Plötzlich kamen zwei verschiedene Geschichten, zwei verschiedene Mentalitäten und Menschen zusammen, die Gott sei Dank wenigstens die selbe Sprache sprachen. Die Filme haben sich meiner Meinung nach mehr spezialisiert, der Fokus wurde weiter, die Welt wurde größer - auch für den Wessi. Und das haben wir auch ein paar Ossis zu verdanken.

Sie kommen zum internationalen Filmwochenende nach Würzburg. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach heutzutage Programmkinos?
Schüttauf: Sehr wichtig, aber sie haben es - genauso wie die großen Kinos auch - immer schwerer, denn mittlerweile hat jeder sein eigenes Kino zu Hause. Stichwort Streaming. Kurz gesagt: Schön, dass es sie gibt. Ich hoffe auch noch sehr lange, aber es wird schwer.
Welche Art von Filmen bevorzugen Sie persönlich?
Schüttauf: Alles, was gut gemacht wurde. Mich interessiert auch schon mal ein gut gemachter Dialog, das muss nicht unbedingt gleich ein gut gemachter Film sein. Ich lege mich auf kein Genre fest.
Ohne zu viel zu verraten: Auf was können sich die Besucher des Filmwochenendes freuen? Was werden Sie erzählen?
Schüttauf: Auf einen hoffentlich gut gelaunten Kollegen Schüttauf, der im Übrigen das zweite Mal nach Würzburg kommt. Denn Würzburg war die erste Stadt meiner Wahl, die ich planmäßig kurz nach dem Mauerfall besucht habe, denn dort kamen immer die Westpakete her, dort war nämlich die Verwandtschaft zuhause. Ich bin mal gespannt, wie sich die Stadt verändert hat, 30 Jahre nach der Wende.
Aber Sie haben die Stadt positiv in Erinnerung?
Schüttauf: Absolut. In Würzburg war im Übrigen auch das erste Theater, an dem ich nach der Wende vorgesprochen habe. Ich wollte nur wissen, ob Bühneneingang und Bühne genauso aussehen, wie im Osten. Und beim Rundgang durch die Stadt knallte ich - ohne zu Übertreiben - plötzlich gegen das Schild zum Bühneneingang.