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LOHR/WÜRZBURG: „Kunst geht fremd“: Sinnkugel im Märchenschloss

LOHR/WÜRZBURG

„Kunst geht fremd“: Sinnkugel im Märchenschloss

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    Dicht und harmonisch: Angelika Summas „Sinnkugel Nr. 5“ bereichert derzeit das Spessartmuseum in Lohr.
    Dicht und harmonisch: Angelika Summas „Sinnkugel Nr. 5“ bereichert derzeit das Spessartmuseum in Lohr. Foto: Foto: Museum im Kulturspeicher

    Wer durch die schmale Eingangstür ins Innere des Spessartmuseums im Schloss zu Lohr am Main vordringt, tritt eine Reise in eine andere Welt an. Der feuchte Kellergeruch kündet von vergangenen Zeiten, und das Auge bestätigt, was die Nase bereits weiß. Hinter einem altehrwürdigen Verkaufstresen türmen sich hölzerne Schubkästen fast bis unter die Decke. Auf die erstaunte Frage, ob dies einmal eine Apotheke gewesen sei, antwortet die Empfangsdame: „Nein, ein Kolonialwarenladen.“ Nostalgische Blechdosen und Metallschilder mit Bierwerbung, echte Schwämme, Setzkästen mit Mineralien, riesige Maggidosen und bunte Bonbons in Glasbehältern bilden ein chaotisch-buntes Sammelsurium. Als sei der Besucher in einen Märchenfilm geraten.

    Der Blick um die Ecke

    Irgendwo hinter diesem Kabinett der Kuriositäten, das so gar nicht an eine Museumsrezeption denken lässt, versteckt sich die stählerne „SinnKugel“ von Angelika Summa.

    Im Zuge der diesjährigen „Kunst geht fremd“-Aktion ist sie vorübergehend vom Würzburger Museum im Kulturspeicher ins Lohrer Schloss gewandert. Der Blick links um die Ecke holt den Besucher dann auch schnell aus dem Märchen ins Heute zurück. Hinter einer alten Mostpresse mit Sandsteintrog führt ein Aufgang direkt auf Summas schlichte, mattglänzende Drahtkugel zu, die in dieser urigen Atmosphäre einen modernen, ruhigen, gleichzeitig luftig-leichten Akzent setzt. Ihr Platz ist optimal gewählt, da sie mit ihrer nächsten Umgebung – einer gedrechselten Kugel aus Kirschholz und einem Video, auf dem die Drehbewegung des Drechselvorgangs zu sehen ist – sofort und wie selbstverständlich eine Beziehung eingeht.

    Angelika Summa, 1952 geboren in Bayreuth, ist seit über 30 Jahren als freischaffende Künstlerin in Würzburg tätig. Mit ihren eigenwilligen Skulpturen aus Stahl und anderen Metallen hat sie sich überregional einen Namen gemacht: Voriges Jahr war sie am Bondi Beach in Sydney mit einer 350 Kilogramm schweren „Alien“-Kugel in einer Ausstellung vertreten.

    Massiv und doch leicht

    Zunächst verarbeitete die zierliche Künstlerin feinen Draht geduldig zu dichten Knäueln, bevor sie zunehmend mit jenen monumentalen Kugeln in Erscheinung trat, die bei gleichbleibender Grundform einen je ganz eigenen Ausdruck zeigen. Der wird beeinflusst durch das gewählte Material – etwa Stacheldraht oder Schraubenmuttern –, durch dessen Verarbeitung und schließlich durch die Größe des Objekts. Die aus Draht geschweißte, 60 Zentimeter große „SinnKugel“ etwa wirkt dicht und harmonisch.

    Die parallelisierten Metallstränge deuten unterschiedliche Bewegungsrichtungen an, so dass die Kugel optisch regelrecht ins Rollen zu geraten scheint und trotz des massiven Materials Leichtigkeit und Durchlässigkeit ausstrahlt. Der Titel „SinnKugel“ spielt darauf an, dass es hier nicht nur um die zweifellos schöne Form geht, sondern auch um eine Sinnhaftigkeit, die dem Objekt erst durch die Emotionen und Assoziationen des Betrachters zuteil wird.

    Bis 5. November bietet die Kugel einen erfrischend klaren Kontrast im Lohrer Spessartmuseum, einer verwinkelten Schatzkammer voller Geschichte und Geschichten, in der sich – zumindest am Wochenende – Touristen und Einheimische auf die Füße treten. Unter dem Motto „Mensch und Wald“ führt das Museum im historischen Gebäude auf über 2000 Quadratmetern auf vier Ebenen durch Gegenwart und Vergangenheit eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands.

    Das Museum präsentiert Berufe wie Holz- und Steinhauer, Schmiede, Töpfer, Zimmerleute, Schiffbauer, Büttner und Schreiner und erzählt von den legendären Spessarträubern, die als gesellschaftliche Außenseiter einst ihre eigene Subkultur entwickelten. Auch Schneewittchen, das angeblich aus Lohr stammte, spielt eine Rolle.

    Die Spessarter Glasherstellung ist mit seltenen Glanzstücken aus sechs Jahrhunderten vertreten. Ein gläserner Weinkelch mit eingeschnittener Jagdszene aus dem 18. Jahrhundert ist als Tauschobjekt gerade im Würzburger Kulturspeicher zu sehen (wir berichteten).

    Kunst geht fremd Zum siebten Mal tauschen unterfränkische Museen – in diesem Jahr sind es 14 – untereinander Ausstellungsstücke aus. Jeweils ein Objekt wird bis 5. November in ein anderes Haus ausgeliehen und präsentiert sich in fremdem Umfeld, fügt sich in eine andere Ausstellungskomposition ein – oder irritiert ganz bewusst. Wir stellen in unserer Serie aus- gewählte Stücke und Museen der diesjährigen Aktion vor. Öffnungszeiten des Spessartmuseums Lohr: Dienstag bis Samstag 10–16 Uhr, Sonn- und Feiertage 10–17 Uhr

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