Verraten, verkauft, verzweifelt, wahnsinnig: Das ist Lucia di Lammermoor, die junge Frau, um deren tragische Geschichte es in der gleichnamigen Oper von Gaetano Donizetti geht. Das Mainfranken Theater präsentierte in der Theaterwerkstatt Blaue Halle in Würzburg eine Premiere, die es in sich hatte.
Der Plot, basierend auf einem Roman von Sir Walter Scott und als Libretto von Salvatore Cammarano, ist leicht zu verfolgen: Lucia liebt Edgardo aus einem verfeindeten Adelsgeschlecht, eine Intrige vereitelt die gemeinsame Zukunft. Aus politischem Kalkül von ihrem Bruder zu einer Hochzeit mit einem Mann genötigt, den sie nicht liebt, wird Lucia in der Hochzeitsnacht zur Mörderin ihres Bräutigams und findet sich dann selbst im Jenseits wieder mit Edgardo vereint.
Torso, Fleischerhaken und Marionettenfäden
Regisseur Matthew Ferraro, Bühnen- und Kostümbildner Pascal Seibicke und Lichtdesigner Ingo Jooß gelingt mit ihrer Inszenierung eine von historisierenden Klischees der Schauerromantik befreite Interpretation. Das Bühnenbild, eine wellenförmige Wand mit Lichtlamellen im unteren Bereich, lässt allen Raum für Fantasie, gelenkt von wenigen Requisiten und Lichteffekten.
Ein Torso, baumelnd von einem Fleischerhaken – aha, eine (Menschen-) Opfergeschichte. Lucia an Infusionsflaschen, von Marionettenfäden bewegt, dann in einem Käfig – die von Männern instrumentalisierte Frau und starke Bilder voller Symbolkraft!

Die Entwicklung vom verliebten Mädchen über den Versuch der Powerfrau hin zur verzweifelten Braut und wahnsinnigen Mörderin lässt sich auch anhand der Kostüme von Lucia verfolgen: ein bauschendes Kleid mit Naturmotiv zu Beginn, dann ein schlichtes Brautkleid, das an ein Totenhemd erinnert, ein blutgetränktes Nachtgewand.
Bis auf Sejong Chang, dem als Einspringer für den erkrankten Ihor Tsarkov ein überzeugender Geistlicher und Erzieher Raimondo gelang, sind alle Partien aus den Reihen des Würzburger Opernensembles besetzt. Hinrich Horn als Lucias Bruder und Roberto Ortiz als Edgardo verkörpern ihre Rollen als Feinde und blindwütige Duellanten darstellerisch und sängerisch sehr schlüssig. Mathew Habib als Bräutigam, Barbara Schöller als Vertraute Lucias und Yong Bae Shin als Befehlshaber der Jäger kommen Nebenrollen zu.
Starker Auftritt: Akiho Tsujii als Lucia
Allen voran steht jedoch Akiho Tsujii als Lucia: Sie spielt bei ihrem Rollendebüt nicht nur die Hauptfigur – sie lebt und durchdringt sie völlig. Stimmlich überragend eingestellt, schlägt sie den Bogen von der honigsüßen Weiblichkeit des verliebten Mädchens hin zur zerstörten jungen Frau, die zum Schatten ihrer selbst wird, als sie erkennen muss, welchem Verrat sie zum Opfer gefallen ist.
In die Wahnsinnsarie legt Tsujii Trunkenheit vor Glück und Wahnsinn zugleich, zeigt packende, gar bedrückende Präsenz und Expressivität. Die Koloraturen perlen, die Verzierungen sind leicht und schwerelos, die Spitzentöne mühelos. Astrid Kohnen (Harfe) und Stefan Albers (Flöte) sind ihr bei den Hauptarien kongeniale Partner.
Lob für Chor und Orchester des Mainfranken Theaters
Chor und Extrachor des Mainfranken Theaters (Einstudierung: Sören Eckhoff) singen und spielen wie ein geschlossener Körper, agieren als Jäger, Hochzeitsgesellschaft und Partyvolk, aber auch als blutrünstige Meute, Lucia raubtierhaft belauernd, später von Trauer umschattet.
Auch Generalmusikdirektor Enrico Calesso und das Philharmonische Orchester beweisen hervorragende Qualität. Gut die Balance zwischen Bühne und Orchestergraben, klar und aussagestark Calessos Dirigat, weit die Spanne zwischen elegant zurückhaltender Begleitung und großer musikalischer Gestik. Jubel für diese gelungene Inszenierung!
Die Aufführungen: 3., 12., 22. März, Blaue Halle. Karten: Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de