Die Menschheit an sich ist gut, die Herrschenden sind es auch. Nur Einzelne stören ein Zusammenleben in Frieden und Freiheit – doch mit denen werden die Guten schon fertig. Das ist Ludwig van Beethovens Vision. Eine Vision, die er in „Fidelio“, seiner einzigen Oper, verarbeitet. Eine Vision, der Regisseur Stephan Suschke am Würzburger Mainfranken Theater nicht folgen will.
Das ist problematisch, weil das Geschehen auf der Bühne dann andauernd gegen die Musik anrennt. Denn die verbreitet dieselbe idealistische Botschaft wie der Text. Es ist aber nachvollziehbar, weil ein Regisseur im 21. Jahrhundert nicht mehr ungetrübt von einer Welt voller Frieden und Freiheit träumen kann. Dazu gibt es zu viel Unfrieden und Unfreiheit – es ist seit der Französischen Revolution, für die sich Beethoven so begeisterte, nicht wirklich besser geworden.
Gefangene bleiben eingesperrt
Und so setzt der Würzburger Schauspieldirektor der optimistischen und triumphierenden Komposition ein mehrstöckiges Labyrinth aus Gitterwänden entgegen (Bühne: Momme Röhrbein). Hier ist niemand jemals wirklich frei. Auch die Gefangenen, die laut Libretto ins Freie dürfen, bleiben eingesperrt. Eher unglücklich blicken sie durch Maschendraht, singen aber „O welche Lust“. Damit muss der Zuschauer dieser Inszenierung leben. Auch das Finale, bei dem Beethoven Leonore geradezu zur Göttin der Freiheit stilisiert – eigentlich wollte sie, als Fidelio verkleidet, nur ihren Mann befreien – wird relativiert: Wieder sind die Figuren eingesperrt, und vorher modern gekleidet, stecken sie nun in Barock-Kostümen. Als hielten Regisseur Suschke und Kostümbildnerin Angelika Rieck Freiheitsutopien samt Happy End bestenfalls in der Beethoven-Zeit für möglich. Nicht aber im Heute.
Permanenter Blick auf Käfige
Man kann das so inszenieren. Aber der permanente Blick auf Käfige macht, abgesehen von den Reibungen mit der Musik, die ohnehin statische Beethoven-Oper fürs Publikum optisch nicht eben interessanter. Arien lässt Stephan Suschke brav mit dem Gesicht zum Publikum singen. Der Würzburger „Fidelio“ wirkt streckenweise wie ein Oratorium im Maschendraht-Ambiente.
Bei der Premiere hakte es bisweilen im Orchestergraben. Kapellmeister Sebastian Beckedorf setzte schon im ersten, singspielartigen Teil auf kompakten Klang, Details verwischten. Nicht immer stimmte die Koordination mit den Sängern. Deutlich besser lief es nach der Pause. Hier ist die Komposition bedeutungsvoller, Beethoven klingt so, wie man ihn von seinen Sinfonien kennt. Das kam den Philharmonikern offenbar entgegen.
Begeisterung im Publikum
Karen Leiber ist mit ihrer dramatisch aufgefassten Leonore/Fidelio ebenso eine Seelenfängerin wie Hans-Georg Priese als eingekerkerter Florestan. Sein Aufschrei „Gott, welch Dunkel hier“ geht unter die Haut, auch wenn der Tenor gegen Ende etwas unrund wird. Silke Evers (Marzelline), Lukasz Konieczny (Kerkermeister Rocco), Joshua Whitener (Jaquino), Bryan Boyce (Don Pizzarro) und Daniel Fiolka (Don Fernando) komplettieren ein Ensemble, das insgesamt bei der Premiere das Prädikat „gut“ verdiente. Allerdings blieb auch das Gefühl, dass es alle noch besser könnten. Ohne Einschränkungen stark die Chöre (Leitung: Michael Clark).
Das Publikum im voll besetzten Haus war begeistert. Es bejubelte alle. Auch den Regisseur, was in Würzburg nicht selbstverständlich ist.
Nächste Vorstellungen: 5., 12., 14. April. Karten: Tel. (09 31) 39 08-124