Bei allem Respekt: Rezitative können sich bisweilen hinziehen, manchmal sogar ermüden. Wenn sie allerdings vorgetragen werden wie in der Premiere der Opera buffa „Der Barbier von Sevilla“ (in italienischer Sprache) im Mainfranken Theater Würzburg sind sie das i-Tüpfelchen auf einer spritzigen, von Anfang bis Ende unterhaltsamen Aufführung, die mit musikalischen und gesanglichen Highlights nur so glänzt. In dieser Produktion treiben sie im besten Sinne jede Handlung voran, halten so durchgängig die Spannung und geben einer der meist gespielten Opern eine anmutige Leichtigkeit.
Unter der Regie von Markus Trabusch entwickelt sich das Geschehen um Faktotum Figaro, Graf Almaviva, die schöne Rosina und den schrulligen Doktor Bartolo stimmig und voller Situationskomik. Komponist Gioachino Rossini hat so manchen Gag zwischen die Töne gesetzt, die Marie Jacquot den Musikern im Orchestergraben mit Verve entlockt und die großenteils punktgenau mit den Sängern korrespondieren. Die Akteure auf der Bühne unterstreichen die sprühenden Melodien mit sichtbarer Lust am Spiel und großartiger Ensembleleistung – alle Sängerinnen und Sänger aus dem eigenen Haus –, was angesichts übler Krankheitsfälle während der Probenzeit nicht selbstverständlich ist.
Farbenfroh die Kostüme
Doch trotz aller Komik – es geht um eine große Liebe. Und es bleibt durchaus Raum für ernste Elemente. Vor Kulissen in Schwarz-Weiß-Ästhetik, gemalten und geprinteten Flächen, einigen realistischen Versatzstücken (Bühne: Susanne Hiller) und passend eingesetztem Licht (Benedikt Kreutzmann) sorgen die farbenfrohen Kostüme (Katharina Diebel) für Laune. Hier schmieden Graf Almaviva und das Faktotum Figaro nach seinem Auftrittsgesang (energiegeladen: „Largo al faktotum – Ich bin das Faktotum der schönen Welt“) Pläne, wie sie die schöne Rosina aus den Klauen ihres Vormunds befreien können. Bartolo, Doktor der Medizin, möchte sie nämlich ihrer Mitgift wegen heiraten. Graf Almaviva dagegen hat sich unsterblich in die Schöne verliebt.
Kabinettstückchen, die gefallen
Rossinis melodische Vorgaben interpretieren Daniel Fiolka als Figaro mit abenteuerlichen Perücken und Roberto Ortiz in der Rolle des Grafen im farbenfrohen Outfit mit Sonnenbrille heiter und bestechend schön, beispielsweise im Duett („All?idea di quel metallo – Strahlt auf mich der Blitz des Goldes“). Hier servieren sie eines der vielen Kabinettstückchen, mit denen diese Aufführung brilliert, spielen die Szene bis ins Detail aus und gefallen beide durch gesanglich hervorragende Leistung: Fiolka wie immer mit mühelosem, sicherem, Ortiz mit schmeichelndem, graziösem Ton.
Die Harmonie sämtlicher Stimmen, die sich wie hier bei Tenor und Bariton wunderbar zusammenfügen, gehört zu den glückvollen Erlebnissen dieser Produktion. Mezzosopranistin Marzia Marzo ist eine anmutige Rosina im weit schwingenden rosafarbenen Rock samt Petticoat. Sie kann samtweich und hauchzart wie in ihrer Cavatine „Una voce poco fa – Frag ich mein beklommnes Herz“, setzt die Farben ihrer Stimme sicher ein. Koloraturen perlen ihr wie ihren Sängerkollegen mühelos aus der Kehle.
Mit dem in Altmännerbeige steckenden, grauhaarigen Bryan Boyce erlebt das Publikum einen Bass voller Gestaltungskraft, der mit der Arie „A un dottere de la ma sorte – Einen Doktor meinesgleichen“, einem technisch schwierigen Charakterstück, an Wohlklang und Komik nahezu nicht zu überbieten ist.
Zum Sängerteam gehören Basilio, Rosinas Musiklehrer, musikalisch souverän gestaltet von Bass Igor Tsarkov, und die entzückende Akiho Tsujii in der Rolle der Hausangestellten Berta, die mit Überlegungen über das Alter eine hörenswerte Charakterstudie formuliert. Auch der Männerchor (Einstudierung: Anton Tremmel), Paul Henrik Schulte als Fiorello und David Hieronimi in der Rolle eines Offiziers tragen zum Erfolg der Aufführung bei, die mit stehenden Applaussalven belohnt wird.