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BERLIN: Marie NDiaye: Die Göttliche und der Wolfshund

BERLIN

Marie NDiaye: Die Göttliche und der Wolfshund

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    Buchumschlag
    Buchumschlag Foto: Foto: Suhrkamp

    Sie gilt als Wunderkind der französischen Literatur, Marie NDiaye veröffentlichte mit knapp 18 ihren ersten Roman. Geboren wurde sie 1967 in der Nähe von Orléans als Tochter einer Französin und eines Senegalesen. Nach dem frühen Debüt folgten zahlreiche Romane und Theaterstücke, 2009 gewann NDiaye für „Drei starke Frauen“ den renommierten Prix Goncourt.

    In „Ladivine“ entfaltet die Autorin, die in Berlin lebt, nun ein verstörendes Psychogramm, das sich über vier Generationen erstreckt. Der Roman beginnt mit der Beziehungsgeschichte einer alleinerziehenden farbigen Mutter, die sich als Putzfrau und Kindermädchen über Wasser hält, und ihrer einzigen Tochter, Malinka, die sich für ihre Herkunft schämt und die Mutter verleugnet. Selbst ihren Namen legt Malinka ab, nennt sich Clarissa. Ihrem zukünftigen Ehemann Richard sagt sie, ihre Mutter sei gestorben. Von Schuldkomplexen geplagt, besucht Clarissa einmal im Monat heimlich die Verlassene, die sie früher oft nur die „Dienerin“ nannte: „Eine dunkle Blume ohne Lebensberechtigung.“

    Jeder trägt eine Maske

    Marie NDiaye breitet mit großer erzählerischer Wucht bis in feinste psychologische Verästelungen hinein dieses von Schuld und Scham geprägte Verhältnis aus. Niemand kommt aus seiner Rolle raus, jeder trägt eine Maske, das Verhängnis hängt wie ein Fluch über der Familie. Clarissas Ehe scheitert, eine neue Beziehung führt zur Katastrophe.

    Im zweiten, schwächeren Teil des Romans erzählt NDiaye die freudlose Ehegeschichte von Clarissas Tochter Ladivine, die mit ihrem deutschen Mann und zwei Kindern in Berlin lebt. Als Baby hatte Ladivine, die Göttliche, einen geheimnisvollen Kontakt zu einem Wolfshund. Als Erwachsene wird sie oft von Hunden begleitet, die sie zu beschützen scheinen. Als die Familie während eines chaotischen Afrika-Urlaubs am Rande des Nervenzusammenbruchs steht, kommt Ladivine wieder ein Hund zur Hilfe. Jetzt dominieren diffuse übernatürliche Mächte den Roman, statt psychologischem Scharfsinn regiert das Unnennbare, „die Fleischwerdung von Schatten“. Leider bedient die Autorin auch Klischees über den „dunklen Kontinent“ Afrika. Trotzdem ist NDiaye ein starkes Bild psychischer und physischer Verstörung gelungen.

    Marie NDiaye: Ladivine (Suhrkamp, 445 Seiten, 22,95 Euro)

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