"Wir sind die Hand, die auf die andre Wange schlägt, die Hand, die den Finger in die Wunde legt. Wir sind die Hand, die untätig bleibt. Wir sind die Hand, die diese Zeilen schreibt." – Das Duo Carolin No, das sehr kurzfristig eingesprungen war, sang für das Konzert ganz nebenbei das Motto für die "Songs an einem Sommerabend" beim Würzburger Hafensommer. Am Samstagabend kam das traditionsreiche Festival zu seiner 32. Ausgabe, von 1987 bis 2017 auf Kloster Banz in Bad Staffelstein, nun schon zum zweiten Mal hier in der Stadt des Ur-Liedermachers Walter von der Vogelweide.
Die Beteiligten zeigten sich glücklich über den Umzug in das eindrucksvolle Hafenambiente: "Es ist genau dieses Songs-an-einem-Sommerabend-Gefühl da", schwärmt Moderator Matthias Brodowy. "Ich finde, das hier ist viel, viel moderner als Banz", sagt das Urgestein Manfred Maurenbrecher. Der Sommerabend war ein langer: In knapp viereinhalb Stunden bot sich ein Mini-Festival, das zwar deutlich intimer war als die großen kommerzialisierten Spektakel auf Banz, aber dennoch eine vielfältige Bandbreite der Liedermacherwelt abdeckte.
Krankheitsbedinge Änderungen im Programm
Neben dem Duo Carolin No, ein Eigengewächs der Würzburger Musikhochschule, das seine Klavierlieder um elektronische Klangflächen, Beats und Effekte bereicherte, und Maurenbrecher, der sich die Bühne mit dem Saxofonisten Richard Wester teilte, waren vier weitere Acts zu Gast. Krankheitsbedingt gab es dabei einige Unterschiede zu den Ankündigungen.

Das – nicht nur musikalische – Paar "Mackefisch" bewegte sich in cleveren Arrangements zwischen romantisiert-mondänem Glück sowie den Themen Fremdenhass und Klimakrise. Lars Reichov, selbstdiagnostiziert im "Deutschlandblues", spart nicht mit aktuellen politischen Kommentaren im fein pointierten Kabarettstil. Karsten Troyke bot sein Spezialgebiet, den vom Aussterben bedrohten jiddischen Tango, mit bittersüßen Zeilen wie "Liebe, 's is a Gefil, vus martert iedm" ("Liebe ist ein Gefühl, das quält jeden"). Schwungvoll war das "Padam" des vertriebenen Würzburger Komponisten Norbert Glanzberg.
Mischung aus Politik und Gefühlvollem
Es ist das Nebeneinander aus Protestliedern und Persönlich-Gefühlvollem, das die Szene so ausmacht: Das Private ist politisch, oder wie Liedermacher Marcus Wiebusch mal auf den Einwand, er könne doch nicht direkt Liebeslieder auf Protestsongs folgen lassen, sagte: "Digga, es ist das gleiche Herz". Moderator Brodowy griff den "Hirnschiss" von sogenannten Querdenkern und Rechten an, nachdem in der letzten Zeit ja so manche Künstlerin und mancher Künstler zwischen Verschwörungsmythos und Putin geirrlichtert war.

Auf Barbara Zanetti, die mit ihrem "Der Ring" einen Polit-Song lieferte, der hinter Anklängen von Hufeisentheorie so unkonkret alles und nichts bedeutete, folgte Maurenbrecher, der hingegen in seinem "Frieden im Krieg" ein virtuos-kritisches Feingespür für all die Zwischentöne und Ambivalenzen im Angesicht des Kriegs in der Ukraine bewies. Die besten Songs an diesem Sommerabend trugen eben sowohl das private und politische Herz in ihrer Brust und waren von Menschlichkeit und Widersprüchen gezeichnet – von genau solchen Händen gemacht.