Es fällt dieser Tage schwer, die Geschichte eines Herrschers, dessen „rasender Hochmut die ganze Welt entzweit“, nicht auf den amerikanischen Präsidenten zu beziehen. Insofern wäre es schön, wenn „Nabucco“ als Parabel auch bis zum Schluss zuträfe, schließlich kommt besagter Herrscher in Verdis früher Oper rechtzeitig wieder zur Besinnung und schickt sich an, die Wunden zu heilen, die er geschlagen hat.
Pamela Recinellas hoch spannende „Nabucco“-Inszenierung für das Mainfranken Theater, die am Samstag Premiere feierte, kommt freilich ohne tagespolitische Anspielungen aus. Die italienische Regisseurin siedelt das Stück während des britischen Mandats in Palästina an, wobei Jerusalem zum Babel aus dem Libretto wird und die Hebräer damit zu Deportierten im (noch nicht) eigenen Lande.
Interessanterweise gelingt es Recinella, vor diesem komplizierten zeitgeschichtlichen Hintergrund die an vielen Stellen nicht minder verwirrende Handlung schlüssig und stringent zu erzählen. Die Schnittstelle dafür ist die Titelfigur: Nabucco, hier größenwahnsinnig gewordener Kolonialoffizier, sprengt sozusagen den Rahmen sachlicher Kausalitäten.
Machtfragen aller Art
Gleichwohl: Recinella nutzt die Extremsituation, um Machtfragen aller Art durchzuspielen. Und landet damit wieder in vertrauten Konstellationen: die Korona der Opportunisten, die jeder Despot um sich schart; die Möchtegern-Nachfolger, die jedes Zeichen der Schwäche nutzen; die Vertreter von Recht und Humanität, die letztlich doch auf das Einlenken der Macht angewiesen sind.
Madeleine Boyds Ausstattung, die orientalische Pracht nur noch erahnen lässt, liefert dazu einen Rahmen der Enge und der Beklemmung – höchst angemessen für ein Stück, in dem persönliches Glück nicht stattfindet. Die Bühne ist in drei Ebenen gegliedert: vorne der Bereich, in dem immer wieder das Volk zusammengetrieben wird. Dahinter das Zentrum der Macht: der Schreibtisch, an dem die Dekrete abgestempelt werden, von denen das Wohl und Wehe ganzer Völker abhängt.
Und noch eine Ebene weiter der Vergnügungsbereich, in dem sich die aufhalten, die immer wieder auf die Füße fallen.
Die dreigeteilte Bühne erlaubt parallele Erzählstränge
Diese Dreiteilung erlaubt schnelle Perspektivwechsel und gleichzeitige Erzählstränge. Und bekommt ihren tieferen Sinn beim Gefangenenchor (solistisch eingeleitet von der mit tröstlicher Wärme singenden Karen Leiber als Fenena), wenn das verzweifelte Volk als unaufhaltbare Kraft alle drei Ebenen in Besitz nimmt. Ein starkes Bild.
Auch musikalisch ist dieser „Nabucco“ ausgesprochen befriedigend: Der neuen Ersten Kapellmeisterin Marie Jacquot gelingt in ihrer ersten eigenen Produktion so etwas wie eine Rehabilitierung des Stücks. Unter ihrer energiegeladenen Leitung offenbart das ausgezeichnet vorbereitete Ensemble, wie viel Farbe, Dramatik, Lyrik und Tiefe im gesamten Stück und nicht nur im Gefangenenchor stecken.
Nabucco kontra Abigaille
Das Orchester hat mit süffiger und zupackender Präzision wesentlichen Anteil daran. Der Chor unter der Leitung von Anton Tremmel agiert blitzsauber, immer auf dem Punkt und einmal mehr schauspielerisch höchst engagiert. Bryan Boyce ist mit dunkel funkelndem Bassbariton ein faszinierend zerrissener Nabucco, dem Anna-Maria Kalesidis als Abigaille mit lupenreiner, strahlender Höhe und beängstigendem Furor idealer Widerpart ist. Tenor Roberto Ortiz nutzt die eher undankbare Rolle des Ismaele für einige schöne Belcanto-Momente.
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Tomasz Raff aber ereilt in der Rolle des Zaccaria der Alptraum jedes Sängers: ein fieser Frosch im Hals gleich im ersten Akt, Raff singt aber tapfer durch. Dieses Missgeschick kann den fabelhaften Eindruck, den diese „Premiere mit Hindernissen“ (Intendant Markus Trabusch) hinterlässt, ebenso wenig trüben wie der Schwächeanfall eines Orchestermusikers, dem es aber inzwischen schon wieder besser gehe, so die Ansage.
Weitere Vorstellungen: 3., 22., 24. Februar; 14., 23., März; 2., 15., 28. April; 6., 17. Mai; 5. Juni, jeweils 19.30 Uhr. 12. Februar, 12. März, 15 Uhr. Karten: Tel. (09 31) 39 08 124 oder karten@mainfrankentheater.de