Es ist nun also so: Vier junge Männer, die alle aus dem westmittelfränkischen Örtchen Dietenhofen stammen, machen zusammen Volksmusik mit Gitarre, Akkordeon, Schlagzeug, Klarinette und Saxofon. Hier könnte die Geschichte schon zu Ende sein, wären die ehemaligen Schulfreunde und Blaskapellenkumpels nicht . . . naja, man kann eigentlich gleich die Süddeutsche Zeitung zitieren: „anarchisch, verrückt, brillant“.
Drei bessere Attribute kann man Simon Schorndanner, dem smarten Klarinettisten und Rock'n'Roller, dem hochmusikalischen und ziegenbärtigen Akkordeonisten Maximilian Eder, dem zuckenden und zappelnden Bäckersohn Johannes Sens, der sein Schlagzeuger so athletisch bearbeitet, als sei's ein Sportgerät, und dem irren, weil irre guten Gitarristen Ralf Wieland, gar nicht andichten.
Seit gut zehn Jahren sind die vier Dietenhofener nun in der näheren und weiteren Welt unterwegs und erheitern ihr Publikum mit kultivierter Volksmusik, die garantiert ARD-inkompatibel ist und zum Spektakel wird. Kultiviert will heißen: Das Quartett, das sich als Reiseband versteht und „Gankino Circus“ nennt, kreuzt Weisen und Melodien aus Westmittelfranken und von anderswo her spektakulär mit Klezmer, Punk, Blues und Balkan-Rhythmen und macht was Schönes, Schnelles, Schräges draus. Oder zur Abwechslung was Weltgewandtes, Wildes, Wahnsinniges.
Der Legende nach, die sie bei ihren Auftritten pflegen, haben sie ihre Jugend im Wirtshaus „Zur heiligen Gans“ verbracht und jenes nur in Notfällen verlassen, zum Beispiel, wenn im Nachbarkaff Starkbieranstich war. Im Januar hatte in München ihr langerwartetes neues Programm „Die letzten ihrer Art“ Premiere. Und damit, und mit der gleichnamigen neuen CD, sind sie jetzt in der Welt und zum Beispiel in Franken unterwegs. Vor zehn Tagen schon in Schweinfurt in der Disharmonie, am Samstag im Würzburger Bockshorn. Was deshalb besonders ist, weil Bockshorn-Chef Mathias Repiscus Regie geführt und die Band ein halbes Jahr lang beim Proben begleitet hat.
Ausgerechnet und blöderweise am Samstag von der Grippe niedergestreckt, bekommt Repiscus nicht mit, wie „Gankino Circus“ im Bockshorn aus ihrer Jugend erzählen. Was dann in den Liedern in knappen wie aussagekräftigen Texten kulminiert: „Marie, Marie, warum glaub ich Dir immer und du glaubst mir nie“ oder „Hat si denn der Wirt erhängt, weil er uns ka Bier ausschenkt“.
„Irrsinn und Idyll“ hieß das Vorgängerprogramm. Und irrsinnig wie irre sinnig sind „Gankino Circus“ noch immer, Mathias Repiscus hat den Wahnsinn, dem die vier Raum geben, allenfalls in stringente Bahnen gelenkt. So gibt's zur Volksmusik fränkisches Yoga,bei dem Simon Schorndanner bäuchlings auf den Fußsohlen Ralf Wielands schwebend auf der Klarinette „Horch was kommt von draußen rein“ spielt. Danach beweist der Dietenhofener Gitarrist, dass beim griechischen Original-Sirtaki zum Souflaki die Saiten dank einer laufenden (!) Bohrmaschine so rasend schnell gezupft werden. Dabei könnte er selbst es wohl auch ohne Hilfsmittel vom Baumarkt furios.
Erwähnt werden muss, dass Maximilian Eder auf einem großen „Bonophon“ aus den Überresten des Wirtes der „Heiligen Gans“ ein Requiem auf eben den Weizen-Charly spielt. Und dass das Publikum sein Verständnis für jenen bulgarischen Elf-Achtel-Takt beweisen darf, der der Band den Namen gab. Tatsächlich schafft es eine Zuhörerin, sowohl die im Elf-Achtel-Takt gespielte Melodie aus Vivaldis „Vierjahreszeiten“ wie ein echt atemraubendes „Atemlos“ zu erkennen.
Fazit: Vier junge Männer machen auch in ihrem neuen Program zusammen Volksmusik. Nur eben wider großartig unerbittlich komisch anders. Sie sind nicht nur die letzten, sondern die schrägsten, die lustigsten ihrer Art. Reicher Applaus.
PS.: Vielleicht schon mal vormerken, am 18. Mai spielen „Gankino Circus“ in Karlstadt im Alten Rathaus.