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Ottmar Hörl kritisiert die BBKs: Ein Künstler über Künstler spielende Künstler

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Ottmar Hörl kritisiert die BBKs: Ein Künstler über Künstler spielende Künstler

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    Der Künstler Ottmar Hörl trägt Eulen nach Athen, heißt seine Sammler mit Gartenzwergen willkommen, verwandelt Dürers Hase ein dreidimensionales Massenprodukt – und hat damit sehr viel Erfolg. Als Präsident der Nürnberger Kunstakademie auch einer der hochrangigsten deutschen „Kunst-Manager“, eckt er an in der Kunstszene. Ein Gespräch über den schwierigsten Beruf aller Berufe, über sein Ziel, Mitteleuropa zu erobern, und über seine tiefe Abneigung gegen Gemauschel in berufsständischen Organisationen.

    Frage: Sie stellen die Kunstszene auf den Kopf.

    Ottmar Hörl: In der Kunstszene gibt es ein Elitedenken, auch wenn man das öffentlich nie zugeben würde. In Künstlerkreisen ist man der Ansicht, dass man sich nicht mit Krethi und Plethi vereinen und mit einem Straßenbahnschaffner über die Problematik eines Gartenzwergs in der Kunst sprechen sollte. Ich habe in den letzten Jahrzehnten ganz bewusst ein Programm entwickelt, mit dem ich Menschen ins Boot nehmen möchte, die denken, dass ich als Künstler ein System repräsentiere, mit dem sie nichts zu tun haben. Mich interessiert aber nicht, mit welchem System sie vermeintlich nichts zu tun haben, sondern ich repräsentiere ein System, das mit allen Menschen zu tun hat.

    Sie möchten die Kunstszene verändern?

    Hörl: Die Teilnahmegebühr an der Kultur ist normalerweise sehr hoch. Das garantiert, dass man unter sich bleibt. Man hält sich für etwas Besonderes, weil man mehr Geld hat als andere. Ich gehöre zu den Ketzern, die diesen elitären Club in seinem Innersten zerstören, den Nobilitätsgedanken auflösen. Ich entwerte damit das System, in dem ich zum Teil lebe.

    Wie wichtig sind Künstlervereinigungen für dieses System?

    Hörl: Die Kunstszene ist ein Paralleluniversum. Diese Künstlervereinigungen wie der BBK, der Berufsverband Bildender Künstler hat in Bayern eine große Macht, und die Bayern lassen das auch noch zu. Ich halte Künstlervereinigungen lediglich aus einem einen Grund für wichtig: um künstlerische Interessen politisch zu vertreten. Das ist in Ordnung. Aber der BBK kann unglaubliche Manipulationen bewirken. Etwa, wenn die Vorsitzenden in allen Jurys sitzen und ihre Mitglieder mit Aufträgen belohnen. Dadurch versaut man das Land. Vielmehr müsste man am künstlerischen Niveau arbeiten. Die wenigsten Künstler möchten jedoch etwas verändern. Im Verein muss jeder so sein wie alle Mitglieder. Man darf dort nicht besonders ehrgeizig sein, sonst stellt man die anderen bloß. Aber fürs Bravsein sollte es in diesem Beruf keinen Preis geben.

    Wer sollte in den Jurys sitzen?

    Hörl: Das ist eine schwierige Situation. Jurys brauchen Fachleute, die relativ unbestechlich sind in ihrem Urteil. In den Jurys sollten jedoch keine Vertreter von Standesorganisationen sitzen, weil die Gefahr von Korrumpierbarkeit besteht, von Vereinsmeierei, durch die immer bestimmte Leute zu Wettbewerben eingeladen werden und zu Aufträgen kommen. Ich mag kein Gemauschel.

    Ist Gemauschel auch der Grund, dass Sie und die anderen Jury-Mitglieder vor fünf Jahren die Wettbewerbsarbeiten für das Würzburger Uni-Klinikum komplett abgelehnt haben?

    Hörl: Wir haben den Wettbewerb einstimmig abgelehnt, weil die Arbeiten nicht gut genug waren. Mein Argument ist: Wenn die Allgemeinheit Geld ausgibt, dann hat sie ein Recht darauf, die beste Leistung zu erhalten. Wenn Künstler sich angewöhnt haben, dass jeder Mist und Müll belohnt wird, dann finde ich das nicht in Ordnung. Viele denken, die Gesellschaft hat die Aufgabe, Künstler und ihre Vereine am Leben zu erhalten. Sie hat jedoch nur die Aufgabe, die Idee von Kultur am Leben zu erhalten.

    Künstler sein bedeutet . . .

    Hörl: . . . die Welt verändern zu wollen. Künstler kämpfen um alles und nichts, nehmen in der Gesellschaft ganz bestimmte Aufgaben wahr, gehen das Risiko ein, dafür gescholten zu werden. Die wenigsten sind allerdings dafür geboren, als Berufskünstler zu leben und dieses Leben auch auszuhalten.

    Sagen Sie das Ihren Studenten?

    Hörl: Ich sage ihnen, dass sie den schwierigsten Beruf aller Berufe gewählt haben, dass sie, wenn sie aus ihrem Leben noch irgendetwas Sinnvolles machen möchten, nach der Akademie noch eine zusätzliche Ausbildung anstreben sollten. Statistiken belegen, dass aus dem Ausbildungsprozess einer Kunstakademie nur drei Prozent als Künstler hervorgehen, die von sich sagen können, dass sie mit Kunst ihren Lebensunterhalt verdienen. Wirkliche Künstler sind erfolgreich, weil sie ein glaubwürdiges Modell darstellen.

    Brotlose Kunst ist also unglaubwürdig?

    Hörl: Manche Künstler spielen nur den Künstler. Ich kann den meisten Menschen innerhalb eines Jahres beibringen, wie sie halbwegs schöne Bilder malen können. Das ist lernbar wie viele andere Dinge auch. Nur, die Genialität, die Welt wirklich zu verändern zu wollen, neue Prozesse, neue Strukturen, neue Ideen in eine Gesellschaft zu transplantieren, die Fähigkeit Probleme zu lösen, misstrauisch zu sein, ob die Dinge, wie sie sind, richtig sind – das hat mit Schönmalenkönnen nichts zu tun. Das geht weiter, steht eine Stufe höher.

    Künstler wollen nicht nur glaubwürdig, sondern auch Geld verdienen, oder?

    Hörl: Sicher. Sie brauchen ja Geld. Und ab und zu machen sie auch etwas nur für Geld. Aber sie sollten versuchen, den Kompromiss so klein wie möglich zu halten.

    Was möchten Sie in und an der Welt verändern?

    Hörl: Ich habe immer an der Veränderung von Mitteleuropa gearbeitet. Das war für mich nie eine Frage der Überheblichkeit, sondern eine Frage der Notwendigkeit. Die Entwicklung unserer Welt ist ein ästhetisches Problem. Wenn dieses Problem nicht gelöst wird, kann das zu Schizophrenie führen.

    Zu Schizophrenie?

    Hörl: Die Schizophrenie fängt zum Beispiel an, wenn jemand jeden Tag nach Frankfurt zu seinem Arbeitsplatz fährt, in ein Gebäude mit hoch moderner Stahl-Glas-Architektur, die er als kalt oder feindlich ansieht. Abends kehrt er in sein Zuhause zurück, in dem ein altdeutsches Wohnzimmer steht, weil er Gelsenkirchener Barock gemütlich findet, nostalgisch. Wir müssen aber die Welt, in der wir uns hinein entwickeln, annehmen, auch ästhetisch. Das ist ein Lernprozess, den Künstler vorbereiten können. Künstler beobachten die Welt, entwickeln ein ästhetisches Modell, das den Menschen hilft, ihre Welt anzunehmen, sie zu verstehen, intuitiv, sinnlich, emotional.

    Sie haben viele erfolgreiche Projekte: Plastikhasen mit dem Dürer-Hasen als Vorbild, Plastikeulen zu Olympia 2004 in Athen, Plastikzwerge . . .

    Hörl: Ich habe keinen Stil, sondern ein Werk mit vielen Varianten. Wenn ich zum einem Problem genug gesagt habe, dann fange ich etwas Neues an. Als Künstler muss ich den Mut dazu haben, auch wenn ich mit einem bestimmten Modell Erfolg habe, Geld verdiene und das gefährliche Gefühl bekomme, dass ich alles richtig mache.

    Machen Sie alles richtig?

    Hörl: Ich wollte immer während meines kurzen Lebens berühmt werden. Aber es war und ist mir egal, ob ich das schaffe. Was mich am Ende meines Lebens interessiert, ist, ob ich es überhaupt probiert habe und alles dafür getan habe, dass es funktioniert. Das versuche ich auch meinen Studenten beizubringen: Wenn du nur Kreismeister werden willst, wirst du nicht mal Stadtmeister. Du musst als Berufskünstler alles wollen und den Anspruch haben, Großartiges zu machen. Das heißt aber nicht, dass ich mich selbst für großartig halte. Selbstwahrnehmung bedeutet für mich, sich selbst in Zweifel zu ziehen. Nur so kann Großes entstehen.

    Sie sind mittlerweile berühmt.

    Hörl: Ich war allerdings schon berühmt als Künstler, ohne dass mich jemand kannte. Denn als Künstler lebt man in konspirativen Kreisen, ist berühmt in der Szene, in der man sich für Kunst interessiert. Diese Szene stellt allerdings nur drei Prozent in unserer Gesellschaft dar. Ich will aber, wie gesagt, Mitteleuropa verändern – als Eroberer in friedlicher Absicht.

    Mit Hasen, Eulen und Gartenzwergen?

    Hörl: Ich habe versucht, die billigsten Kunstwerke überhaupt herzustellen und sie zu Hunderttausenden unter die Leute zu bringen, um ihr Denken zu verändern, um sie wach zu halten. Aber im Kunsthandel kommt das nicht so gut an, weil für Galeristen mit billigen Kunstwerken kein Geld zu verdienen ist.

    Sie verkaufen auch Werke für weit mehr als 40 Euro.

    Hörl: Ich arbeite sicher auf verschiedenen Ebenen: in der kleinen Kunstszene und im großen öffentlichen Raum. Der öffentliche Raum ist für mich ein Kommunikationsraum, in dem ich klar mache, dass Prozesse nicht mehr hierarchisch zu betrachten sind, sondern gesamtgesellschaftlich. Ich darf keinen Unterschied machen zwischen dem Interesse einer Krankenschwester oder dem eines Multimillionärs an künstlerischen Prozessen. Wichtig ist nicht die Kunst oder das Original im Sinne von einzigartig, besonders, oder ob mich jemand für gut oder für einen Gauner hält, sondern was insgesamt funktioniert.

    Was stört Sie am Original?

    Hörl: Das Original ist überbewertet. Für Künstler ist es viel einfacher ein mittelmäßiges teures Original in einer Millionärsvilla verschwinden zu lassen. Dagegen kann man beispielsweise mit einem Multiple, einem Kunstwerk, das es eine Million Mal gibt, weniger betrügen. Denn es muss in dieser Menge wirklich gut, genial sein, wenn es die Massen überzeugen will. Dieses Denken hat gesellschaftliche Konsequenzen.

    Welche?

    Hörl: Unser Leben ist unglaublich reich und angenehm geworden, weil unglaublich viele Menschen an diesem Prinzip der Reihung, an der Serie gearbeitet haben. Deshalb sind Dinge so günstig geworden, und alle können daran teilnehmen. Das ist eine der größten Revolutionen unserer Zeit. Kein Mensch kommt auf die Idee, dass seine Stereoanlage oder sein Auto nichts wert ist, nur weil Millionen andere Menschen das gleiche Modell haben. Ihn interessiert nur, ob es für ihn nutzbar ist. Und genau das entwickle ich in der Kunst. Mich interessiert nicht, ob ein Gegenstand fünf oder zehntausend Euro kostet, ob mein Dürer-Hase nichts wert ist, weil er nur 40 Euro kostet, sondern: Was kommt beim Menschen an?

    Zur Person

    Ottmar Hörl Der 1950 in Bad Nauheim geborene Künstler studierte zuerst Maschinenbau und arbeitete als Konstrukteur. 1975 begann er ein Kunststudium an den Akademien in Frankfurt und Düsseldorf. 1999 erhielt Hörl eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, die er seit 2005 als Präsident leitet. Ottmar Hörl lebt und arbeitet in Wertheim (Dietenhan) und in Nürnberg. Mehr Informationen über Ottmar Hörl, seine Kunstwerke, Projekte, Installationen und Ausstellungskonzepte im Internet:

    www.ottmarhoerl.de

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