Gleich viermal tritt der Kabarettist Rolf Miller im Dezember in Unterfranken auf. Sein Programm heißt seit vier Jahren "Obacht Miller". Das ist hat seinen Sinn, denn Millers Kunstfigur ist in ihrer selbstgerechten Gleichgültigkeit geradezu gemeingefährlich. Warum sich das auch angesichts großer Krisen nicht ändert, erklärt der 55-jährige Odenwälder im Interview.
Rolf Miller, seit 2018 sind Sie mit Ihrem Programm "Obacht Miller" unterwegs. Hat sich die Tour durch Corona hingezogen?
Rolf Miller: Nein, ich spiele meine Programme immer für vier Jahre, der Rekord liegt bei vier Jahren und sechs Monaten, das war so um 2012 herum bei meinem Durchbruch mit "Tatsachen". Bei mir spielt Aktualität kaum eine Rolle. 2018 waren das noch Erdogan und Trump, die ich jetzt durch Putin und Corona ersetze. Aber das sind nur zwei, drei Minuten. Corona ist zudem so ausgelutscht, die Leute haben keine große Lust mehr, noch viel von mir zu Lauterbach und Lockdowns zu hören.
"Bei mir ist die Figur das Hanebüchene und nicht das, worüber ich rede."
Rolf Miller über sein dramaturgisches Konzept
Wie geht Ihre bräsige Kunstfigur mit der Kriegssituation in der Ukraine um?
Miller: Meine Figur steht wie der Ochs vorm Berg. Er sagt, er schaut keine Tagesschau mehr, weil er weiß, was da kommt. Er schaut jetzt Servus TV und meint: "Das prallt von mir ab, wie das Reh von der Motorhaube." Da wird die Figur zum Gegenstand der Satire und nicht der Inhalt. Bei mir ist die Figur das Hanebüchene und nicht das, worüber ich rede. Deshalb ist es wurscht, ob ich über Atomwaffen, eine französische Bulldogge oder Achim und Jürgen bei der letzten Familienfeier spreche.
Verliert Ihre Figur in Anbetracht des Ukrainekrieges ihre Empathielosigkeit?
Miller: Warum sollte sie? Wer ist denn anders, nur weil in einem anderen Land Krieg herrscht? Er redet weiterhin langsam, in Halbsätzen, verspricht sich oft, verwechselt Sachen. Aber ohne es zu merken und produziert so unfreiwilligen Humor.

Es hätte ja sein können, dass er nachdenklicher wird?
Miller: Krisenzeiten bieten sich für das Kabarett geradezu an, denn bei diesen Themen kann ich seine Empathielosigkeit noch deutlicher machen. Das tut noch mehr weh, wenn ihn der Krieg nicht kratzt, die Waffen nicht. Er hat genug Holz zum Heizen. Deshalb interessieren ihn auch die Energiepreise nicht, ihm geht es gut. Er sagt, das interessiert ihn nicht und das hat es schon immer gegeben, vor hunderttausenden vor Jahren in der Natur bei den Schimpansen, auch wenn genug Bananen da waren - und stellt fest: "Der Mensch ist ganz normal, und das ist das Problem."
Also geht es mit Ihrer Figur in ihrer Gleichgültigkeit weiter wie gehabt?
Miller: Ja, mein nächstes Programm heißt: "Wenn nicht wann, dann jetzt", auch so ein verdrehtes Ding. Da liege ich im Liegestuhl, wie im Urlaub. Das Obacht in "Obacht Miller" ist ja multipel einsetzbar und eine Warnung vor diesem gemeingefährlichen Typen, der gefährlich ist, ohne es zu merken. Wir ahnen, er könnte AfD wählen, wir sind uns aber nicht sicher, er könnte auch aus alter Tradition heraus SPD wählen und trotzdem über sie schimpfen. Alles sehr vage, er könnte auch CSU-Mitglied sein. Ein Fels in der Brandung, aber ein ignoranter Fels.
In der Ankündigung des Programms stand, die Figur bekommt einen Namen, stimmt das?
Miller: Ich glaube, ich habe es als Frage aufgeworfen und nicht, dass er mittlerweile einen hat. Für mich ist er ein 08/15-Typ, und ich finde es nicht wichtig, wie er heißt, der soll Otto Normalverbraucher sein, Max Mustermann.
"Wenn ich jemanden zum Heizungsbau engagiert habe, sollte er nicht die Fassade streichen."
Rolf Miller findet, dass Journalismus und Kabarett getrennt bleiben sollten
Ist es nicht erschreckend, wenn Otto Normalverbraucher so zu sein scheint?
Miller: Das war schon bei Ekel Alfred so in den 50er Jahren oder bei Olaf Schubert, Heinz Becker oder Olli Dietrich mit "Dittsche". Deswegen machen wir es ja, um aufzudecken, aber ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Ich finde es schade, wenn in der Satire das Humoristische zu sehr in den Hintergrund rückt. Bei mir geht Humor vor Inhalt. Erstmal muss es lustig sein, da bin ich auf Harald-Schmidt-Spur. Ich finde, wir haben inzwischen eine Hypermoral überall und deshalb kommen die Leute auch zu mir, weil sie nicht andauernd erklärt bekommen wollen, was sie zu tun haben. Es gibt momentan Kabarettvorstellungen, da ist es 80 Minuten still im Saal, weil allein "aufgeklärt" wird. Doch ich finde, in einer Comedyshow sollte schon auch mal gelacht werden. Ansonsten ist das Journalismus.
Ist Ihr "Auftrag", lustig zu sein?
Miller: Ja, schon. Denn wenn ich mich als Zuschauer entscheide, zu einem Humoristen zu gehen, dann erwarte ich das. Man darf schon Journalismus in der Satire machen, aber wenn es das nur ist, dann ist das für mich Etikettenschwindel.
Gibt es diese Tendenz, weil in der Gesellschaft das Gefühl entsteht, Journalismus tut zu wenig?
Miller: Wenn Sie so eine Sendung sehen und dabei lachen, dann passt das. Aber allgemein sollten die Berufe nicht verschwimmen. Wenn ich jemanden zum Heizungsbau engagiert habe, sollte er nicht die Fassade streichen. Das heißt, natürlich soll es Tiefe geben, aber ohne mit der Tür ins Haus zu fallen. Vielleicht haben es Figurenspieler hier etwas leichter als die, die klassischen Stand-up machen. In den Figuren gibt es das "Scheitern als Chance" und das per se ist schon lustig. Darin sehe ich meinen Job: Bei mir dürfen Menschen über Situationen lachen, in denen sie im realen Leben verzweifeln würden.
Ist es nicht anstrengend, so eine Figur Abend für Abend darzustellen?
Miller: Gar nicht. Ich hab selber meinen Spaß und entspanne total dabei. Die Menschen wissen ja, dass ich nicht so bin, wie auf der Bühne, aber sie spielen das Spiel mit.
Rolf Miller in Unterfranken: So., 4. Dezember, 19 Uhr, Aschaffenburg, Hofgarten; Do., 8. Dezember, 20 Uhr, Bad Neustadt, Stadthalle; So., 11. Dezember, 20 Uhr, Veitshöchheim, Mainfrankensäle; Fr., 16. Dezember, Grafenrheinfeld, Kulturhalle. Vorverkauf: www.rolfmiller.de