„Ich denke nicht über sein Alter nach, wir empfinden das auch nicht so eklatant. Das tun nur die anderen“, sagte Rethel zum zehnten Hochzeitstag 2002 der „Bunten“. „Wir führen eine sehr gute, harmonische Ehe.“ Damals standen die beiden zusammen in München in „Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow“ auf der Bühne. Am vergangenen Donnerstag hatte Jopie wieder eine Premiere. Der 105-Jährige spielt in Stuttgart in „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal den „Gott“ (wir berichteten). Am heutigen Montag hat er spielfrei, die beiden werden wohl den Geburtstag in ihrem Haus am Starnberger See verbringen, die eigentliche Feier soll im Sommer nachgeholt werden.
Simone Rethel steht zwar im Schatten ihres berühmten Mannes, kann aber auf zahlreiche eigene Rollen und Engagements zurückblicken. Die Tochter eines Innenarchitekten und Bühnenbildners und einer Fotografin zeigt früh Begabung für die Bühne. Nach einer Schulaufführung rät ihr eine Lehrerin zur Schauspielerei. Mit 15 Jahren debütiert sie unter der Regie von Axel von Ambesser als Hauptdarstellerin in dem Film „Die fromme Helene“. Noch während ihrer Schauspielausbildung ist sie 1966 am Bayerischen Staatsschauspiel in München als Mariechen in Eichendorffs „Die Freier“ zu sehen – erneut unter Ambessers Regie, der seine Entdeckung nun mehrfach für Bühne und Fernsehen engagiert. „Ambesser war mein Ziehvater, ich habe ihm viel zu verdanken“, sagte sie einmal.
Von Derrick bis zum Kommissar
Simone Rethel spielt vor allem an Boulevard-Bühnen, an der „Kleinen Komödie“ in München ist sie in zahlreichen Stücken zu sehen, Gastspiele führen sie ins Berliner Renaissance-Theater, an die Düsseldorfer Komödie und nach Hamburg ins St.Pauli-Theater, aber auch ins Thalia-Theater. Sie gibt die Katharina in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Im Fernsehen spielt sie unter anderem in Serien wie „Derrick“, „Der Kommissar“, „Der Alte“, und „Diese Drombuschs“ mit, steht in den Kinofilmen „Der Lord von Barmbeck“ und „Der Pfingstausflug“ vor der Kamera. Und immer wieder trifft sie beruflich auf ihren Jugendschwarm Johannes Heesters.
Rethel ist 42 Jahre alt, als die beiden 1992 in aller Stille in Starnberg heiraten – er ist damals mehr als doppelt so alt: 88 Jahre. Nach der Hochzeit ist Simone Rethel nur noch selten auf Bühne oder Leinwand zu sehen. Heesters' Auftritte haben Vorrang. Rethel, die er „Poppie“ nennt, begleitet ihn stets, führt ihn, wiederholt Fragen, wenn er sie wegen seiner Schwerhörigkeit nicht versteht, und antwortet auch schon mal für ihn. Eher selten stehen sie gemeinsam auf der Bühne wie im „Kirschgarten“ oder 1996 in dem Stück „Ein gesegnetes Alter“. Rethel widmete sich zuletzt mehr der Malerei und der Fotografie, derzeit schreibt sie an ihrem ersten Buch, das Anfang nächsten Jahres erscheinen soll. Seit 2005 ist sie auch als Botschafterin für die Initiative „Altern in Würde“ unterwegs, um das Thema Alzheimer mehr in die Öffentlichkeit zu bringen – ihre Mutter litt an der heimtückischen Krankheit.
Ihre zahlreichen Werke – Ölbilder, Aquarelle, Hinterglasmalereien und Zeichnungen – zeigte die Nachfahrin des Malers Alfred Rethel bei Ausstellungen in München, Hamburg, Frankfurt, Berlin, Düsseldorf und Innsbruck. Ihre beiden Fotobände „Die Schönheit des Alters“ und „Ein Mensch und ein Jahrhundert“ sind – natürlich – ihrem „Jopie“ gewidmet.