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WÜRZBURG: Über die Zahl-was-Du-willst-Kultur

WÜRZBURG

Über die Zahl-was-Du-willst-Kultur

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    Hutablage: Hat das vor allem von Straßenmusikern bekannte Modell des Geldeinsammelns in der gesamten Kulturszene eine Zukunft?
    Hutablage: Hat das vor allem von Straßenmusikern bekannte Modell des Geldeinsammelns in der gesamten Kulturszene eine Zukunft? Foto: Foto: fotolia

    Studenten sitzen in einer Kneipe, reden, zechen. Auf einer kleinen Bühne macht eine Band Musik. Die Freunde bleiben stundenlang, trinken Wein, knabbern Salzstangen – doch: Beim Gehen wird ihnen nicht die Rechnung präsentiert. Auf der Theke steht lediglich ein großes Spendenglas. Dort dürfen die Gäste reinwerfen, soviel sie möchten. Ob einen Euro oder 100 – die Summe wird von niemandem kontrolliert.

    Tatsächlich kennt die „Weinerei“ in der Altstadt von Nürnberg keine festen Preise, lediglich mündliche Preisempfehlungen. Auch Kultur hat dort keinen Festpreis: Bei Konzerten, Lesungen und Ausstellungen wird um Spenden gebeten. „Vor allem BWL-Studenten glauben nicht, dass das funktioniert, doch uns gibt es mittlerweile seit 13 Jahren. Das Konzept geht also auf“, sagt Ulrich Schultze, der zum gemeinnützigen Verein der „Weine-rei“ gehört. „Klar gibt es Abende, an denen wir wenig verdienen, doch unterm Strich haut es hin, weil immer mal wieder Gäste auch deutlich mehr spenden.“

    Der soziale Charakter sei entscheidend für den Erfolg solcher Preismodelle, sagt Marcus Kunter. Der Betriebswirtschaftler forscht an der Technischen Hochschule Aachen über das „Pay what you want“-Konzept. Die Idee, zu zahlen, was man will, stammt aus dem Internet, wo Nutzer den Preis für Computerspiele, Musik oder Videos manchmal selbst bestimmen können. Was in alternativen Lokalen funktioniert, muss noch lange nicht bei der sogenannten Hochkultur funktionieren. Doch selbst da gibt es das Prinzip. Zum Beispiel bei Museen in New York. In der Region Franken ist man aber eher skeptisch.

    Karin Rhein vom Schweinfurter Museum Georg Schäfer glaubt zwar prinzipiell, dass manche Häuser mit dem flexiblen Bezahlsystem gut fahren. „Das funktioniert, weil Wohlhabende mehr geben, so dass Menschen mit geringem Einkommen weniger zahlen können.“ In ihrem Haus sei die Frage nach einem solchen Bezahlmodell bisher aber noch nicht aufgekommen. „Das wäre eine größere Entscheidung“, so die kommissarische Leiterin.

    Daniela Bell, Sprecherin des Würzburger Mainfranken Theaters, sieht wenig Chancen für Eintrittspreise nach Lust und Laune: „Ich glaube nicht, dass sich in Zukunft etwas an unserem klassischen Bezahlmodell ändern wird. Als städtische Institution brauchen wir eine gewisse Planbarkeit.“ Bell befürchtet, flexible Eintrittspreise könnten zu einer Umsonst-Kultur beitragen. „Kunst hat ihren Preis, und dafür muss man das Publikum auch sensibilisieren.“ Allerdings könnte sie sich vorstellen, das Solidaritätsprinzip für eine zeitlich begrenzte Aktion auszuprobieren. „Es wäre sicher spannend, zu sehen, was Menschen bereit sind, von sich aus für Kultur zu bezahlen.“

    Rainer Binz, Leiter des Würzburger Privattheaters Chambinzky, findet deutliche Worte gegen das auf Vertrauen basierende Konzept. „Das widerspricht jeder betriebswirtschaftlichen Betrachtung und ist so nicht machbar“, sagt er. „Wir kalkulieren auf Messers Schneide.“ Daran, dass Besucher ihre finanziellen Möglichkeiten ehrlich selbst einschätzen, glaubt er nicht. „Dafür ist in unserer Gesellschaft kein Platz“, so Binz. Auch der Kulturspeicher in Würzburg hat nicht vor, etwas am klassischen Bezahlsystem zu verändern. „Unsere Eintrittspreise sind mit regulär 3,50 Euro sehr moderat. Diesen Preis erwarten wir dann auch für das, was geboten wird“, sagt Direktorin Marlene Lauter. Ab Juli wird der Eintritt ins Museum am Alten Hafen dann regulär 4,50 Euro kosten.

    Um Menschen mit geringem Einkommen den Zugang zu den Ausstellungen zu ermöglichen, gäbe es zahlreiche Vergünstigungen, beispielsweise über die Kulturtafel. „Wer zu uns kommen möchte, ist immer herzlich willkommen, wir finden in jedem Fall eine Lösung“, so Lauter. Für den Veranstalter des Würzburger Poetry Slams, Christian Ritter, sind flexible Eintrittspreise keine Option. „Das Risiko, dass sich viele Zuschauer für wenig Geld einschleichen, ist mir gerade bei einem eher studentischen Publikum zu hoch“, sagt er.

    In Bremen hat ein Theaterhaus den Schritt zum flexiblen Eintrittspreis gewagt. Seit mehr als einem Jahr verzichtet man in der Schwankhalle der Hansestadt auf feste Ticketpreise. „Grundidee war, die Ausweisphilosophie abzuschaffen“, sagt Andrea Rösler. Die Besucher sollten nicht länger an der Kasse ihren Studentenausweis vorzeigen müssen oder eine Bescheinigung, dass sie arm sind. Seitdem verlassen sich Rösler und ihre Kollegen darauf, dass die Zuschauer ihre Finanzkraft selbst einschätzen können – und sich solidarisch verhalten.

    Die Gefahr von Missbrauch besteht tatsächlich, wie man in der „Weinerei“ in Berlin einräumt, die ein ähnliches Konzept wie ihr Nürnberger Pendant hat. Entstanden sei das Prinzip vor fast 20 Jahren bei Weinverkostungen unter Freunden, erzählt Besitzer Philippe Gross. Doch inzwischen hat sich das auch unter den Berlin-Touristen rumgesprochen: „Manche nutzen das aus.“ Mit Material von dpa

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