Sich fast zwei Stunden lang das Markusevangelium anhören? Ohne Pause? Abschreckend? Nein. Das Interesse war am Montagabend riesengroß, das Platzangebot im Würzburger Ratssaal zu klein. Nicht alle, die es wollten, konnten dabei sein und den Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz erleben, seinen fesselnden Monolog "Markus - der Löwe" in dramatischen Bildern, der die Zeit vergessen ließ. Selten waren eine Stunde und 50 Minuten so kurz.
Verblüffend ist das Projekt (entstanden in Kooperation mit der Würzburger Domschule) allemal. Wie kann jemand ein ganzes Evangelium auswendig vortragen, den langen Text im Kopf behalten? Diese Frage stellte sich jedoch erst nach der Vorstellung. Während des langen Monologs ohne Längen hing man an den Lippen des Schauspielers.
Keine Lesung wie im Gottesdienst
Kai Christian Moritz trug barfüßig, aber nicht im antiken Gewand das älteste und zugleich kürzeste Evangelium vor, in Szene gesetzt durch Sprache und lebendige Erzählweise, mal mit Nachdruck, mal lässig, mal leise, dann laut, aufbrausend. Natürlich gehören Gestik und Mimik dazu. Schauspielkunst pur. Es sollte bewusst keine gottesdienstliche Lesung sein, nichts getragen Feierliches. Es sei eine Botschaft, die auch unsere Gegenwart "zum Guten wie zum Schlechten" beeinflusst habe, so Moritz im Vorabgespräch mit dieser Redaktion. Deshalb wünschte er sich als Ort den Ratssaal - in denen heute die Ideen und neue Gedanken aufgegriffen werden.
Sicher, die Zuhörer in den hinteren und äußern Reihen mussten ein wenig mehr die Ohren spitzen. Der Ratssaal besitzt nicht die Akustik einer antiken Arena. Und Moritz verzichtete weitestgehend auf eine den Raum füllende technische Verstärkung. Ebenso auf viele Requisten. Zwei Stühle, ein Stab mit Krümme, Tonkrug, Trinkbecher genügten. Bühnenbild war das Wandgemälde des Künstlers Wolfgang Lenz. Der Blick wurde jedoch auf eine gespannte Leinwand gelenkt, auf die ein bewegtes "Bild" projiziert war, das die Farben wechselte.
Neues Hörerlebnis durch die Übersetzung von Martin Ebner
Darüber hinaus arbeitete Moritz mit kurzen Unterbrechungen, in denen Wasserrauschen, Donner - sowie lautes Schnaufen und Schritte zu hören waren, die den Weg Jesu nach Jerusalem hörbar machten. Längere Akzente sowie Momente des Innehaltens setzte die Violinistin Roberta Verna mit der Chaconne aus der Partita Nr. 2 in d-Moll (BWV 1004) von Johann Sebastian Bach. Schön zu Beginn die Idee mit dem Rilke-Gedicht "Archaischer Torso Apollos" vorneweg - und als Ausstieg das Ende des Evangeliums (Mk 16,1-8) übertragen aus dem Off beziehungsweise Radio, optisch angedeutet auf der Leinwand als Sendersuchlauf eines Röhrenradios.
Auch wer das Evangelium kennt, erlebte etwas Neues, Ungewohntes. Kai Christian Moritz wählte die Übersetzung des Neutestamentlers und gebürtigen Schweinfurters Professor Martin Ebner (zuletzt Uni Bonn). Ebner, der wie zum Beispiel Bischof Franz Jung zu den Gästen im Ratssaal gehörte, strahlte am Ende sichtlich zufrieden.
Die nächsten Termine für "Markus - der Löwe" sind am 6. und 7. April im Kleinen Stadttheater in Gerolzhofen. Kai Christian Moritz wird auch die anderen drei Evangelien als Monolog erzählen und ebenfalls an ungewöhnlichen Orten.