Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Von Nazi-Fratzen und dem fetten Deutschen

Kultur

Von Nazi-Fratzen und dem fetten Deutschen

    • |
    • |
    Ein Deutscher bei James Bond: Jürgen Tarrach.
    Ein Deutscher bei James Bond: Jürgen Tarrach. Foto: FOTO CINETEXT

    Der Schauspieler Jürgen Tarrach (45) hat einen Sinn für das Schräge und lotet gern das Abgründige im Kleinbürger aus. Im Interview plaudert er über seine Rolle als Nazi-Blockwart und die Erfahrung, im neuen James-Bond-Film mitwirken zu dürfen

    Frage: In "Neger, Neger, Schornsteinfeger" spielen Sie den Blockwart Wilhelm Mahnke. Obwohl ein überzeugter Nazi, lässt er seinen Sohn mit einem farbigen Nachbarsjungen spielen. Ist das der gute Nazi?

    Jürgen Tarrach: Einen guten Nazi kann es gar nicht geben. Die Nazi-Fratzen, Bluthunde und brutalen Aufseher kennen wir zur Genüge. So einen zu spielen, wäre für mich nicht interessant gewesen. Es gab aber auch überzeugte Nazis, die durchaus noch Mitgefühl kannten und einfach nicht sahen, was diese Ideologie wirklich bedeutete. Gerade das machte es so schwer, diese Leute zu erkennen.

    Wie nähert man sich solch einer widersprüchlichen Figur?

    Tarrach: Da ist gar nicht so viel zu spielen. Im Grunde genommen zieht man einfach nur eine Uniform an und sofort ist klar, auf welcher Seite man steht. Auch die Texte sagen viel über das schlichte Weltbild der Figur aus. Für viele Menschen war es während der Nazidiktatur sehr verlockend, eine bestimmte Position inne zu haben und dabei eine gewisse Macht zu verspüren. Da wurde gar nicht viel reflektiert. Unbildung gepaart mit dem Gefühl, Macht zu besitzen, ergibt eine unselige Allianz. Bei Mahnke bleibt unklar, inwiefern er andere angeschwärzt hat. Da er Blockwart ist, kann man aber davon ausgehen.

    Am Drehort Wittenberge gab es auch rassistische Übergriffe gegen die drei farbigen Massaquoi-Darsteller.

    Tarrach: Leider klingt der Nationalsozialismus auch über 60 Jahre nach dem Ende des Krieges noch nach. Als ich in den 70ern als Jugendlicher nach Holland und Frankreich fuhr, bekam ich immer noch Ressentiments zu spüren. Da war die europäische Annäherung längst da. Obwohl ich mit dem "Dritten Reich" gar nichts zu tun hatte, schämte ich mich für meine Herkunft.

    Bei der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft konnte man sehen, dass die heutige Generation viel ungezwungener mit der deutschen Vergangenheit umgeht.

    Tarrach: Mein Sohn hat mir auch erzählt, wie toll es auf der Fanmeile war. Aber ich mochte die Beflaggung an den Häusern und die Standarten an den Autos nicht. Das war mir unheimlich, obwohl das wahrscheinlich gar nicht so gemeint war. Ich brauche ein deutsches Nationalgefühl nicht für mein Selbstbewusstsein.

    Am 24. November startet das neue James-Bond-Kinoabenteuer "Casino Royale". Wie sind Sie in den Film gekommen?

    Tarrach: Das ist über Freunde gelaufen. Die kannten die englische Casting-Frau, die suchte einen dicken Deutschen. Zwei Drehtage, aber eine Woche Bahamas - ich sagte, das machte ich auf jeden Fall! Ich bin dann nach Prag geflogen, um den Regisseur Martin Campbell kennen zu lernen. Danach war alles okay.

    Welche Rolle spielen Sie?

    Tarrach: Meine Figur hieß anfangs nur "Fat German" (fetter Deutscher). Ich bin ein präpotenter deutscher Tourist, der in einer kleinen witzigen Nebenepisode auftaucht. Das hat enorm viel Spaß gemacht. In einer Szene musste ich etwas improvisieren, was dem Regisseur sehr gefallen hat. Am Ende wurden aus zwei Drehtagen vier und ich bekam sogar einen Namen. Ich bin jetzt Mister Schulz! Für mich ist das eine irre Erfahrung: Die ganze Welt sieht mich demnächst als Schulz!

    Wie war die Zusammenarbeit mit dem englischen Team?

    Tarrach: Die Arbeit am Set war angenehm und gleichzeitig hoch professionell. Und dann waren da natürlich auch noch die Bahamas! Die Engländer sind großzügig, amüsant und vor allem selbstironisch. Letzteres fehlt uns Deutschen leider. Ich bin gerne witzig und manchmal auch ironisch, werde dabei aber meistens missverstanden, und dann sind die Leute beleidigt.

    Der neue Bond-Darsteller Daniel Craig wurde im Vorfeld massiv kritisiert. Wie haben Sie ihn erlebt?

    Tarrach: Ich kann nur sagen, ein zauberhafter Kollege. Ich hatte zwei kleine hübsche Episoden mit ihm. Wie sehr ihn die Medienschelte getroffen hat, konnte ich nicht erkennen. Der Druck auf den Hauptdarsteller ist natürlich wahnsinnig groß. Die Handlung basiert auf dem ersten Roman von Ian Fleming, in dem die Bond-Figur erfunden wird. Der Stoff wurde jetzt zu einem richtigen Bond-Thriller umgeschrieben. Allerdings sind mit Daniel Craig andere Akzente gesetzt. Soweit ich das beurteilen kann, ist er wohl etwas tragischer als seine Vorgänger und kommt auch ein bisschen rauer und härter daher.

    Sind Sie Bond-Fan?

    Tarrach: Ja. Für mich ist das ein bisschen wie Asterix und Obelix oder Tim und Struppi. Man freut sich auf Figuren und Dinge, die immer wieder auftauchen: M., Q., die Bond-Girls, die illustren Drehorte. Jürgen Tarrach.


    "Neger, Neger, Schornsteinfeger"
    läuft am 1. und 2. Oktober, je
    2015 Uhr im ZDF. "James Bond -
    Casino Royale" startet am 24.
    November.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden