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WÜRZBURG: Was Farbe bedeutet - im Leben wie in der Kunst

WÜRZBURG

Was Farbe bedeutet - im Leben wie in der Kunst

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    Fritz Bamberger: Albufera-See bei Valencia, 1862 – ein Bild mit vielen Gelb- und Brauntönen. Reduziert auf eine Farbkarte, ist das Ergebnis dennoch überraschend.
    Fritz Bamberger: Albufera-See bei Valencia, 1862 – ein Bild mit vielen Gelb- und Brauntönen. Reduziert auf eine Farbkarte, ist das Ergebnis dennoch überraschend. Foto: Foto: Kulturspeicher

    Farben gestalten die Welt. Farben gliedern die Welt. Farben schaffen Räume und Emotionen. Farben sind Signale und Statements. Farben sind Markenzeichen und stehen für Weltanschauungen.

    Und doch sind sie nur Illusion. Ohne Licht gibt es keine Farbe, und je nach Licht oder Material sieht jede Farbe anders aus. Man denke nur daran, wie manche Automodelle in Weiß elegant, in Blau möglicherweise ungeschlacht wirken.

    Bei voller Sehkraft kann der Mensch eine Million Farbnuancen wahrnehmen

    Hinzu kommt: Bei voller Sehkraft kann der Mensch eine Million Farbnuancen wahrnehmen. Höchst unwahrscheinlich also, dass zwei Menschen jemals die gleiche Farbnuance sehen. Oder, um den Künstler François Morellet (1926-2016) zu zitieren: „Kunstwerke sind Picknickplätze, spanische Wirtshäuser, wo man das verzehrt, was man selber mitgebracht hat.“

    • Welches Kunstwerk passt zu welchem Farbverlauf? Spiele Sie unser Quiz am Ende des Artikels!

    Und doch können Farben einen. In einem Raum in kaltem Blau werden die Menschen immer eher frieren als in einem Raum in warmem Gelb oder Rot.

    Farben können Leben retten, etwa mit dem Grün des Notausgangs. Aber auch zerstören. Glaubt man Loriot. Dieser Dialog aus dem Film „Ödipussi“ zwischen der Psychologin Margarethe Tietze und dem Innenausstatter Paul Winkelmann ist jedenfalls sehr aufschlussreich.

    Sie: Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine große Verantwortung tragen, wenn Sie eine Farbe empfehlen?

    Er: Bitte?

    Sie: Ich meine, dass beispielsweise eine alleinstehende Frau, die zu Depressionen neigt, sich möglicherweise in einer violetten Sitzgruppe umbringt.

    Er: Auch wenn sie geblümt ist? Ich meine die Sitzgruppe.

    „Farbe ist interpretationsfähig, deshalb ist Farbe immer auch ein Kommunikationsangebot der Kunst an den Betrachter“, sagt Marlene Lauter, Leiterin des Würzburger Museums im Kulturspeicher. Farbe ist so etwas wie ihr Lebensthema. Andererseits wird Farbe schnell zum Lebensthema jedes Menschen, der sich ein wenig näher mit Kunst beschäftigt.

    Der Kulturspeicher jedenfalls hat einen Spruch von Joseph Beuys beim Wort genommen: „Es muss einen Ort geben, an den die Menschen gehen können, wenn sie sich über Farbe unterhalten wollen.“ Und hat die Farbe in den Mittelpunkt seiner Selbstdarstellung gerückt, etwa mit dem Beinamen „Farbspeicher“ oder den Tüten, die zwei vermeintlich unkombinierbare Rottöne kombinieren. Auf sattem Karmesinrot steht in Magenta: „Rot macht high“. Ein Zitat von Rupprecht Geiger (1908-2009), von dem ein Werk in der Sammlung Konkrete Kunst hängt. Von Geiger ist ein weiterer Spruch überliefert: „Ich male in allen Farben, Hauptsache, sie sind rot.“

    Farbe als Paradoxon, Farbe als Herausforderung

    Vor allem bei der Konkreten Kunst sticht auf vielen Arbeiten auf den ersten Blick die Farbe ins Auge – und das in wörtlichem Sinne. Wer etwa einen Moment zu lange auf die welligen Linien eines Werkes von Bridget Riley schaut, dem kann schon mal leicht schummrig werden im Kopf. Fernsehzuschauer kennen den Effekt, wenn Moderatoren unglücklich gemusterte Krawatten oder Sakkos tragen, die dann eine Art optisches Eigenleben entwickeln. Riley sagt: „Ich male kein Licht. Ich präsentiere eine Farbsituation, die beim Anschauen Licht freisetzt.“

    Doch auch in der Städtischen Sammlung im Kulturspeicher hängen Werke, bei denen es sich durchaus lohnt, einmal genauer auf die Farbe zu achten. Gerade bei gegenständlichen Arbeiten achtet der Betrachter meist vor allem auf die abgebildeten Menschen, Häuser oder Landschaften. Wie diese farblich umgesetzt sind, nimmt er vermutlich eher unbewusst wahr.

    Was passiert, wenn man ein Bild auf seine Farben reduziert

    Was passiert also, wenn man ein Bild auf seine Farben reduziert? Wenn Linien, Formen, Strukturen keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die Farbe? Der Kulturspeicher hat diese Frage praktisch umsetzen lassen und das in Düsseldorf und Berlin ansässige Design-Studio Drasdos (Slogan: „Form follows us“) beauftragt, Farbkarten zu entwickeln, die sozusagen die farbliche Quintessenz einiger Arbeiten im Museum ziehen.

    „Es ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt“, sagt Kommunikationsdesignerin Katharina Drasdo. Das Studio hat am Computer einen eigenen Algorithmus entwickelt, der die Farben aus ihrer Bindung an Motive oder geometische Formen befreit, sortiert und in Verläufen anordnet. Wobei es nicht darum ging, eine prozentuale Erhebung verwendeter Farben zu erstellen.

    „Anfangs war das Ergebnis oft zu nah am Original“, sagt Drasdo. Deshalb passten die Designer Algorithmus und Filter immer wieder an, etwa indem sie hohe Schwarz-Anteile herausrechnen ließen, wie auf Curd Lessigs „Bildnis Eva-Marie Lessig“ von 1951 (links). Bis einerseits ein Grad an Abstraktion erreicht war, der die Vorlage nicht sofort erkennbar machte, die Farbkarte andererseits aber den farblichen Geist des Originals traf – eine Quintessenz eben. Katharina Drasdo: „Da muss man sich auch mal überraschen lassen.“

    Viele Fabrbedeutungen sind festgelegt und angelernt

    Und dann ist da noch das weite Feld erlernter oder festgelegter Farbbedeutungen im Alltag wie in der Kunst. Blau für Jungen, rosa für Mädchen. Die rosarote Brille als Mittel der Realitätsflucht. Der blaue Mantel Mariens. Purpur als Farbe der Herrscher. Gold als Hinweis auf Macht und Heiligkeit. Es scheint, als habe Farbe immer eine Bedeutung. Eine Kraft, die vielleicht auf Dauer zu stark werden könnte.

    Wer – innenarchitektonisch gesehen – ganz sicher gehen möchte, der hält sich also vielleicht doch an die 28 Grautöne von Paul Winkelmann, von Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Bleigrau bis Zementgrau: „Soll ich mal ein ganz frisches Steingrau empfehlen?“

    Museum im Kulturspeicher: Städtische Sammlung, Konkrete Kunst Sammlung Ruppert, Wechselausstellungen, Oskar-Laredo-Platz 1, Würzburg. Di. 13-18 Uhr, Mi. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr, Fr., Sa., So. 11-18 Uhr.

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