Eine spannende Familiensaga über das Leben in der DDR: Mit ihrer ausgezeichneten Serie „Weissensee“ hat die ARD vor drei Jahren Maßstäbe gesetzt. Nach langem Warten geht das in Ost-Berlin spielende Epos jetzt in eine zweite Runde – von nächsten Dienstag, 17. September, an zeigt das Erste sechs neue Folgen. Neben Uwe Kockisch und Katrin Sass spielt Jörg Hartmann eine der Hauptrollen: Der 44-Jährige verkörpert den von Ehrgeiz zerfressenen Stasi-Offizier Falk Kupfer, der nicht davor zurückscheut, gegen seinen eigenen Bruder Martin (Florian Lukas) und dessen Freundin Julia (Hannah Herzsprung) vorzugehen. Für seinen Auftritt in der ersten Staffel von „Weissensee“ erntete der Schauspieler viel Lob und erhielt den Deutschen Fernsehpreis. Jörg Hartmann, der seit vorigem Jahr den grimmigen Dortmunder „Tatort“-Kommissar Peter Faber spielt, wurde 1969 im nordrhein-westfälischen Hagen geboren und wuchs in Herdecke auf. Bis heute ist er regelmäßig an der renommierten Berliner Schaubühne zu sehen. Seine Fernsehkarriere begann er 2009.
Frage: In der neuen „Weissensee“-Staffel spielen Sie wieder den fiesen Stasi-Offizier Falk Kupfer. Wie fühlen Sie sich denn, wenn Sie in die Haut dieses Menschen schlüpfen?
Jörg Hartmann: Es ist nicht so, dass ich Manschetten hätte und mir denken würde, was ich denn da Schlimmes spielen muss. Nö, mir macht es Spaß, den zu spielen. Ich versuche, diesen Menschen zu verstehen und seine Handlungen nachzuvollziehen, auch wenn ich sie persönlich natürlich nicht gutheiße.
Ihr „Tatort“-Kommissar ist ja auch kein sympathischer Typ . . .
Hartmann: Ich habe kein Problem damit, solche Typen zu spielen. Nicht, weil ich unbedingt unsympathisch rüberkommen will und mich der Zuneigung des Publikums verweigern will. Aber beim „Tatort“ reizt es mich schon, ein sperriger Typ zu sein, und die Figur des Falk Kupfer ist in sich ja total schlüssig: Der sieht sich da als letzten Gralshüter, der den steinigen Weg zum Kommunismus weitergeht, während alle anderen vom Weg abkommen. Außerdem geht es ihm natürlich um seine Privilegien, denn bei allem Glauben an den Sozialismus ist er auch ein Machtmensch.
Glauben Sie, dass sich frühere Stasi-Funktionäre in Falk Kupfer wiedererkennen können?
Hartmann: Von den Stasi-Leuten weiß ich es nicht, die äußern sich ja nicht, kommen nicht aus ihren Löchern. Ich weiß es aber von den Opfern. Einmal haben mich Betroffene angesprochen, die zu DDR-Zeiten im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen einsaßen und mir sagten, dass meine Darstellung authentisch war: Ihr Vernehmer sei genauso ein Typ gewesen wie Kupfer. Diese Leute haben sich bei mir regelrecht bedankt, es war ihnen unglaublich wichtig, dass öffentlich gezeigt wurde, wie es damals war. Das war sehr berührend für mich und hat mich auch gefreut: Ich hätte ja auch danebenliegen können, auch wenn ich mich natürlich intensiv vorbereitet habe.
Wie genau sah Ihre Vorbereitung aus?
Hartmann: Vor Drehbeginn der ersten Staffel habe ich mir in der Birthler-Behörde Doktorarbeiten von Stasi-Offizieren über Vernehmungstaktiken durchgelesen, die haben ja an der juristischen Hochschule richtig gelernt, wie man Leute psychisch zermürbt. Für die zweite Staffel, die 1987 spielt, habe ich Bücher über die Zeit gelesen und auch mit jemandem gesprochen, der bei der Stasi-Razzia in der Umweltbibliothek dabei war. Darum geht es ja in der zweiten Staffel von „Weissensee“ ganz zentral.
Ist eine Familienserie denn generell dazu geeignet, eine dermaßen komplexe Thematik darzustellen?
Hartmann: Gerade das große Politische erzählt man am besten im kleinen privaten Rahmen, weil der Zuschauer da am besten emotional andocken kann. Auch in den großen Romanen der Weltliteratur oder in Shakespeares Königsdramen geht es um das Politische im Privaten. Wir wollen unterhalten, mit Anspruch.
Eine dritte Staffel von „Weissensee“ ist schon beschlossene Sache, es gibt sogar die Idee, die Familiensaga bis in die Gegenwart weiterzuerzählen. Wissen Sie, wie es mit Falk Kupfer weitergeht?
Hartmann: Nein, da weiß ich noch gar nichts, wir drehen das ja auch erst nächstes Jahr im Herbst, gerade werden die Drehbücher geschrieben. Ich weiß, dass es 1989 spielen wird, aber eher in der Zeit nach dem 9. November, was ich persönlich auch spannender finde, denn die Tage und Wochen unmittelbar vor dem Fall der Mauer sind ja schon oft erzählt worden.
Seit Ausstrahlung der ersten Staffel sind drei Jahre vergangen. Finden Sie diesen langen Abstand nicht sehr ärgerlich?
Hartmann: Ich hätte es besser gefunden, wenn der Abstand nicht so riesig gewesen wäre, aber darauf habe ich leider keinen Einfluss. Ich fürchte, dass viele Zuschauer, die damals die erste Staffel gesehen haben, die Handlung nicht mehr so parat haben. Immerhin gibt es am Anfang der neuen Staffel einen kleinen Rückblick, damit man wieder mitkommt.
Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?
Hartmann: Damals habe ich noch in meiner Heimatstadt Herdecke in Westfalen gelebt und im Krankenhaus meinen Zivildienst geleistet. Am Abend des Mauerfalls war ich mit einer Clique im Kino, wir sahen „Batman“, und ich war als „Joker“ maskiert. Ich war gerade daheim beim Abschminken, als mein Vater kam und sagte, dass die Mauer auf ist. Ich dachte zuerst, er hätte zwei Pils zu viel getrunken – als ich dann gemerkt habe, dass es wahr ist, war ich emotional völlig überwältigt, obwohl ich privat damals gar keinen Bezug zur DDR hatte. Kurz nach dem Mauerfall bin ich nach Berlin gefahren und habe die ganze Stimmung aufgenommen, habe die Mauerspechte gesehen und all die Transparente, die da noch von den Demos hingen. Das Ganze war eine der wichtigsten Phasen meines Lebens.