Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Wenn Hans Söllner aus seinem Leben erzählt

WÜRZBURG

Wenn Hans Söllner aus seinem Leben erzählt

    • |
    • |
    Authentizität als Markenzeichen: Hans Söllner.
    Authentizität als Markenzeichen: Hans Söllner. Foto: Foto: Daniel Peter

    Alle Plätze besetzt, alle Generationen in der Würzburger Posthalle vertreten: Hans Söllner sang und erzählte am Donnerstag auf Bayrisch allein zu Klampfenbegleitung knapp 1000 begeisterten Zuhörern aus seinem Leben. Das muss man können, wenn man es nicht kann oder, moderat formuliert: wenn Stimme und Instrumentaltechnik allenfalls mittelmäßig sind. Ausstrahlung, Legende, Kraft und Musikalität gleichen vieles aus. Der Mann kann!

    Der Mann kann von seinen Clinches mit Staatsorganen und von seinen frechen Manövern erzählen, und man kreidet ihm das nicht als Angeberei an, will auch gar nicht wissen, ob das alles wahr ist. Man geht ja gerade wegen dieser Geschichten auf ein Söllner-Konzert. Je doller der bekennende Marihuana-Raucher es bei der Medizinisch-psychologischen Untersuchung trieb, desto besser!

    Persönlich und emotional

    Angesichts seiner vielen Prozesse spricht der zweifach geprüfte Handwerker (Koch und Kfz-Mechaniker) von seinem „Jurastudium mit dreißigjährigem Praktikum“. Seit 40 Jahren tritt er auf.

    Ausgewogen geht es bei seiner Kritik zu. Alle drei Staatsgewalten kriegen ihr Fett weg. Judikative und Exekutive sind in Söllners Erfahrungsberichten von Razzien und Prozessen dran, die Legislative in weniger unmittelbar erlebten Beobachtungen. Dennoch bleiben die Texte persönlich emotional aufgeladen, so zum Beispiel von der Enttäuschung über Joschka Fischers Wandel zum „Feinstaub-Vorstand“.

    Im Wechsel mit satirischer Agitationspoesie singt der 63-jährige : und im Rampenlicht sehr gut aussehende – Opa einige „von den wenigen Liebesliedern, die nicht nach der zweiten Strophe eskalieren“. Ebenso wie die Polit-Sachen ist jeder dieser Songs individuell getextet. Söllner hat keine Masche, auch bei seinen antistaatlichen Eulenspiegeleien nicht. Das legt einen guten Grund für Glaubwürdigkeit.

    Dabei hilft gerade der Verzicht auf ästhetische Hochzüchtung. Er versteht immerhin so viel vom Saitenspiel, dass er schlimme Langeweile vermeidet, etwa durch vereinzelte kleine Lautstärke-Akzente. Wichtiger noch sein sehr kräftiger Anschlag, wie es sich für einen Künstler gehört, der entschieden etwas zu sagen hat.

    Bei jeder Note hellwach

    Ähnlich differenziert setzt er seine Stimme ein. Bei geringem Tonumfang betont er stets nuanciert, ist bei jeder Note hellwach. Hier gilt dieselbe Gleichung wie in der großen Oper: Phrasierung ist Überzeugung. Das zieht er das ohne Pause mehr als zweieinhalb Stunden lang ohne Krampf im Unterarm und ohne Stimm-Erlahmen durch: Alle Achtung!

    Bei so viel Authentizität wundert es nicht, dass in der Hälfte des langen Konzerts – zumindest durch die vierte Sitzreihe – eine Gras-Wolke wabert. Zwar schwer zu erklären, wie und wo ein Zuhörer hier einen Joint kreisen lässt. Aber über einen Verdacht ist Hans Söllner ziemlich erhaben: Dass seine Bühnentechniker das Krautaroma vom Saalrand her in die Sitzreihen blasen, um der Show einen Anstrich von Anarchie zu verpassen. Hat er nicht nötig, der Hans.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden