Hans Traxler ist längst im Olymp der komischen Kunst angekommen. Am 21. Mai wird der vielfach ausgezeichnete Karikaturist 85 Jahre alt, noch immer erscheint jedes Jahr mindestens ein neues Buch. Die Sommer verbringt er in einem 400 Jahre alten Bauernhaus am Ammersee, schwimmt dort und zeichnet, zuletzt: „Ich, Gott und die Welt, neue Bildergedichte“.
„Traxler ist der malerischste und feinsinnigste deutsche Satiriker“, urteilt der Journalist Heribert Prantl. Seinen Ruf erwarb er sich als zeichnendes und textendes Aushängeschild der Satire-Magazine „Pardon“ und „Titanic“ und als Mitbegründer der Künstlergruppe Neue Frankfurter Schule. Zu den Traxler-Klassikern gehört bis heute seine erste Buchveröffentlichung, die Wissenschaftssatire „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ aus dem Jahr 1963.
Schon mit vier Jahren habe er seine erste Bildergeschichte geschrieben, erzählt der Künstler, der im Frankfurter Nordend lebt: Drei Teddybären fahren auf einer Draisine über Land und erleben haarsträubende Geschichten. Seinem älteren Bruder gefiel der Comic so gut, dass er ihn kaufte. „Das Geld reichte für eine Spitztüte mit Himbeerbonbons“, sagt Traxler. „Nachdem ich herausgefunden hatte, dass man für etwas, das Spaß macht, Geld bekommen konnte, um sich Dinge zu kaufen, die noch mehr Spaß machen, beschloss ich, nie mehr etwas anderes zu tun als komische Zeichnungen zu machen.“
Traxler nimmt den Alltagswahnsinn aufs Korn: Moden und Blasiertheiten, das Mann-Frau-Verhängnis, das Altwerden, Hölle und Himmel. Dabei kommt sein Spott nicht derb daher, sondern leicht, dezent. Für Traxlers jüngeren Kollegen Oliver Maria Schmitt ist er der „bildmächtigste Zeichner“ der Neuen Frankfurter Schule, zu deren Kern auch F. W. Bernstein, geboren 1938, Robert Gernhardt (1937-2006), Chlodwig Poth (1930-2004) und F. K. Waechter (1937-2005) gehörten.
Ein Sockel aus Sandstein
Hans Johann Georg Traxler, geboren 1929 als Sohn österreichischer Eltern, stammt aus dem westböhmischen Sangerberg (Prameny). Der Vater, Postenkommandant der Gendarmerie, und die Mutter, eine musisch begabte Hausfrau, achteten darauf, dass die Kinder katholisch erzogen wurden. „Die Mutter spielte in der Dorfkirche die Orgel, und der Vater marschierte an Fronleichnam mit seinem Schleppsäbel hinter dem Himmel her“, erinnert sich Traxler.
1938 zerschlugen die Nationalsozialisten die Tschechoslowakei, es folgten Krieg und Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung. Ende Mai 1945 verschlug es den jungen Traxler nach Regensburg. Dort nahm ihn ein Freund der Familie unter seine Fittiche und unterwies ihn in plastischer Anatomie, Faltenwurf, Zentralperspektive, Farben- und Kompositionslehre.
Zwei Jahre später starb Traxlers Mutter, die Umstände beeinflussten sein Schaffen nachhaltig: Als die Frau im Sterben lag, alarmierte Traxler einen Geistlichen, der ihr die letzte Ölung erteilen sollte. Der Pfarrer von Sankt Emmeram saß jedoch gerade beim Abendessen, wollte sich nicht stören lassen und meinte: „Der gute Wille soll für die Tat gelten.“ Daraufhin trat Traxler aus der katholischen Kirche aus, nahm fortan ihre Dogmen und Rituale immer wieder aufs Korn. Was ihn nicht daran hinderte, an einen Schöpfergott zu glauben. „Die Vorstellung von einem ewigen Leben allerdings tröstet mich nicht, sie erschreckt mich.“ Mit 17 verkaufte Traxler seine erste Karikatur an eine Münchener Illustrierte. Nach einem Intermezzo als Karikaturist in Diensten des späteren „Pardon“-Gründers Hans A. Nikel studierte Traxler von 1954 bis 1959 an der Frankfurter Städelschule Malerei und Lithografie. 1962 holte Nikel Traxler, Bernstein, Gernhardt & Co. in die „Pardon“-Redaktion. Nach dem Niedergang der Zeitschrift hoben die Freunde 1979 das Satiremagazin „Titanic“ aus der Taufe.
1983, ein Jahr nach der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler, veröffentlichte Traxler zusammen mit Peter Knorr „Birne. Das Buch zum Kanzler. Eine Fibel für das junge Gemüse und die sauberen Früchtchen in diesem unserem Lande“. Seit 1988 genießt Traxler das Künstlerleben ohne die „Titanic“. Regelmäßig hat er Cartoons für die Magazine der „Zeit“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Süddeutschen Zeitung“ gezeichnet und bisher 68 Bücher veröffentlicht. Seine Kinderbücher wie „Es war einmal ein Mann“ (1979) wurden in viele Sprachen übersetzt, darunter ins Baskische und Chinesische.
2006 nahm Traxler Egoismus und Ellenbogenmentalität auf die Schippe: Das „ICH“-Denkmal, das am Frankfurter Mainufer steht, ist ein Sockel aus Sandstein, der zum Hinaufklettern und zum Ablichten des wirklich Größten einlädt: „Ich“.
Verewigt hat sich Traxler auch mit dem „Elchdenkmal“, einer Bronzefigur des Wappentiers der Neuen Frankfurter Schule, das seit 2008 vor dem Museum für komische Kunst in Frankfurt steht. „Damit ist meine Unsterblichkeit für die nächsten 2500 Jahre gesichert“, sagt Traxler. „Das reicht fürs Erste.“ Den 85. Geburtstag feiert er mit seiner Frau Inge, seinen drei Kindern und sieben Enkeln sowie Freunden auf einem Ausflugsdampfer auf dem Main.