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BAYREUTH: Wie Hitler zum düstersten Kapitel der Wagner-Geschichte wurde

BAYREUTH

Wie Hitler zum düstersten Kapitel der Wagner-Geschichte wurde

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    (dpa) Mit ihrem Verzicht auf die Festspielleitung machte Hitler-Freundin Winifred Wagner vor 60 Jahren den Weg frei für den Wiederbeginn der Wagner-Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Söhne Wieland und Wolfgang legten 1951 den Grundstein für „Neu-Bayreuth“.

    Mit der Schwiegertochter des Komponisten verbindet sich das düsterste Kapitel der über 130-jährigen Festspielgeschichte. Die Historiker Bernd Mayer und Helmut Paulus sehen sie als jene Frau, „die den jungen Revoluzzer Hitler erst salonfähig machte“. US-Spezialagent John H. Lichtblau stellte 1946 in seinem Vernehmungsprotokoll fest: „In politischer Hinsicht war Winifred Wagner eine der frühesten und standhaftesten Unterstützer Adolf Hitlers. Sie und ihr Mann (Siegfried, + 1930) lernten ihn (Hitler) im Jahr 1923 kurz vor der Münchner Bierkeller-Revolte kennen und wurden sofort gute Freunde.“ Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ging „Onkel Wolf“ in der Villa Wahnfried, dem Domizil der Wagners, ein und aus. Der „Grüne Hügel“ wurde nach 1933 zum Schauplatz von Nazi-Prominenz und Nazi-Ideologie, Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ zur braunen Repräsentationsoper. „Bayreuth sinkt auf den moralischen Nullpunkt“, heißt es in einer Festspielchronologie von MDR-Kulturradio.

    Das gesamte Werk in Misskredit

    „Nacht über Bayreuth“ lautet der Titel der Erinnerungen von Friedelind Wagner, die sich als einzige der vier Kinder während der NS-Zeit von ihrer Mutter Winifred distanzierte. „Das gesamte Werk Wagners war in Misskredit geraten und – vor allem in den USA – fast geächtet“, schreiben Mayer und Paulus in ihrem Buch über die Entnazifizierung der NS-Hochburg Bayreuth nach 1945. „Namhafte Wagner-Dirigenten fanden kein Engagement mehr. Fast schien es so, als müsste Richard Wagner selbst noch entnazifiziert werden, bevor seine Werke wieder salonfähig wurden.“

    Im Rahmen der Entnazifizierungsverfahren beantragte der öffentliche Kläger im Mai 1947, Winifred Wagner in die Gruppe der Hauptschuldigen im Sinne des „Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus“ aufzunehmen. Als eine der fanatischsten und treuesten Anhängerinnen Hitlers habe die Wagner-Schwiegertochter das Erbe Richard Wagners den ideologischen Weltanschauungen des Nationalsozialismus zur propagandistischen Ausbeutung ausgeliefert. Zwei Monate später stufte die Spruchkammer Winifred Wagner in die Gruppe der Belasteten (Aktivisten) ein. 60 Prozent ihres Vermögens, auch das von der US-Armee beschlagnahmte Festspielhaus sollten eingezogen werden. So wäre ein Neubeginn der Festspiele undenkbar gewesen. Mit dem Kalten Krieg fielen die Urteile milder aus. „Selbst mutmaßliche Aktivisten wurden nun als Minderbelastete oder Mitläufer eingestuft“, schreiben Mayer und Paulus. So wurde auch Winifred Wagner am 8. Dezember 1949 als Minderbelastete eingestuft.

    „Die Bahn war endlich vom Eis befreit“, kommentierte Wolfgang Wagner die Unterschrift seiner Mutter unter die Erklärung vom 21. Januar 1949: „Ich verpflichte mich feierlich, mich jedweder Mitwirkung an der Organisation, Verwaltung und Leitung der Bayreuther Bühnenfestspiele zu enthalten.“ Winifred Wagner übertrug die Verantwortung auf ihre Söhne Wieland (+ 1966) und Wolfgang. Sechs Wochen später hob die Bayerische Staatsregierung auch die angeordnete Vermögenssperre auf.

    Winifred Wagner blieb zwar bis zur Gründung der Richard-Wagner-Stiftung 1973 formalrechtlich Eigentümerin des Festspielhauses, zog sich aber aus dem öffentlichen Leben zurück. Ihre Gesinnung behielt sie bei. Noch 1975 bekannte sie sich in einem Interview des Filmemachers Hans-Jürgen Syberberg als ungebrochene Freundin Hitlers: „Wenn der Hitler zum Beispiel heute zur Tür hereinkäme, ich wäre genauso fröhlich und glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben wie immer.“ Winifred Wagner starb am 5. März 1980.

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