Konzerte des Sinfonieorchesters der Hochschule für Musik sind aus vielerlei Gründen interessant. Einerseits bieten sie einen tiefen Einblick in den Ausbildungsstand der Studierenden – den individuellen wie den kollektiven. Will sagen: Was kann jeder und jede Einzelne, und wie gut spielen sie zusammen? Andererseits lässt die Auswahl des Repertoires, die freilich der Dirigent trifft, weitere Rückschlüsse zu. Hält man sich an die Hits, oder betritt man Neuland? Wählt man Effektvolles, oder stellt man sich Sperrigem?
Das jüngste Konzert im gut besetzten großen Saal der Hochschule war ein bisschen von allem. Vor der Pause gab es mit Werken von Guillaume Lekeu und Reinhold Glière Unbekanntes, aber exotisch Eingängiges, nach der Pause einen der größten Knaller für Orchester überhaupt: Tschaikowskis Fünfte.
Guillaume Lekeu, ein hochbegabter Komponist, der viel zu früh starb
Lekeus Adagio für Streichorchester ist ein opulentes Klangbad in Moll, dem man die Begeisterung des belgischen Komponisten für Richard Wagner und ein wenig auch die Liebe zur besonderen Melodie seines Lehrers César Franck anhört. Das aber dennoch eine eigene Handschrift erkennen lässt. Wäre Lekeu nicht 1894 mit nur 24 Jahren an Typhus gestorben, wäre sein offensichtlich riesiges Talent zur vollen Entfaltung gelangt, müsste man seinen Namen heute sicher nicht erst googeln.

Für das Orchester ist das Adagio eine gute Vorbereitung auf das Harfenkonzert von Reinhold Glière (1875-1956), einem russisch-sowjetischen Künstler sächsischer Abstammung. Glière, Lehrer unter anderem von Serge Prokofjew, ist ein brillanter Handwerker, Überraschungen sind von ihm aber nicht zu erwarten, und anders als etwa Dmitri Schostakowitsch scheint er auch nie mit der Kulturpolizei Stalins in Konflikt geraten zu sein.
Tschaikowskis fünfte Sinfonie ist das Traumwerk für großes Orchester schlechthin
Aber Partituren sind immer auch das, was die Interpreten daraus machen. Andreas Mildner, Jahrgang 1984, Professor für Harfe und vielgefragter, vielseitiger und charismatischer Solist, macht das Beste daraus. Bei ihm werden selbst vorhersehbare Akkord- und Dreiklangkaskaden zum Ereignis. Jeder Ton hat Richtung, jede Phrase natürliche Struktur. Das macht es dem Orchester unter der ruhigen, unspektakulären Leitung von Ari Rasilainen leicht, immer genau auf dem Punkt zu sein. Als Zugabe spielt Mildner "Asturias" von Isaac Albéniz - ein Bravourstück voll Atmosphäre, das allein schon den Konzertbesuch wert gewesen wäre.
Dann aber das Hauptstück: Tschaikowskis fünfte Sinfonie. Ein Traumwerk für großes Orchester. Jede Menge Wumms und Doppelwumms, um es mit derzeit gängigen Begriffen zu sagen. Traumhafte Kantilenen, hinreißende Bläsersoli und nicht zuletzt knifflig-filigrane Passagen, die genauestes Zuhören verlangen. Rasilainen hat das Orchester minutiös vorbereitet und immer die große Linie im Blick. Hin und wieder würde man sich ein wenig mehr Kontur in den Details wünschen, und im Walzer knirscht es in den Ablösungen - aber was da in allen Gruppen an Können, Schwung und Sensibilität hör- und spürbar wird, lässt nur Gutes für den Nachwuchs der Profiorchester erwarten. Begeisterter, langanhaltender Beifall.