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WÜRZBURG: Zum Schluss gibt's kritische Worte

WÜRZBURG

Zum Schluss gibt's kritische Worte

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    Schlussstrich: Conrad von der Goltz verlässt nach 52 Jahren die Würzburger Hochschule für Musik.
    Schlussstrich: Conrad von der Goltz verlässt nach 52 Jahren die Würzburger Hochschule für Musik. Foto: Fotos: Ursula Düring / Röder

    „Jetzt ist der Moment“, sagt Conrad von der Goltz. Der Moment des Abschieds. Nach 52 Jahren verlässt der Geiger die Hochschule für Musik Würzburg. Seine Bilanz des halben Jahrhunderts ist kein Blick zurück im Zorn. Er spricht von einer „schönen, ja leuchtenden Zeit“. Doch der 87-Jährige beobachtet jüngere Entwicklungen in der Musikerausbildung mit Sorge. Kritik übt von der Goltz vor allem an der Praxis der Förderung junger Talente.

    „Mittlerweile ist unser Ausbildungssystem meiner Meinung nach vergiftet durch die Forderung nach schnellen Leistungsnachweisen“, sagt er. Das ist zwar auch in anderen Studienfächern so. Wenn es um Musik geht, sei das aber besonders fatal. Musikausbildung sollte mehr sein als bloßes Erlernen abfragbarer Fertigkeiten, mehr auch als Vorbereitung auf den Job, fordert er – vor allem in der Frühförderung, die sich an Kinder ab zehn Jahren richtet.

    Ausschließlich das Talent dürfe darüber entscheiden, ob ein Junge oder ein Mädchen an der Hochschule ins sogenannte Pre-College aufgenommen wird, unabhängig von der Lage auf dem Markt für Berufsmusiker. Denn: Wähle man nach dem Kriterium Angebot und Nachfrage aus, würden zu viele Hochbegabte abgewiesen.

    Gerade in den ganz jungen Leuten müsse man die Begeisterung für die Musik wecken, die „jugendliche Flamme“, wie Conrad von der Goltz das etwas pathetisch ausdrückt. Ihm schwebt eine umfassende „humanistisch-musische Förderung“ vor, welche die Entwicklung der Persönlichkeit fördert. Die Musikausbildung könne – ja müsse – dazu beitragen.

    Warum Stifter aktuell ist

    Conrad von der Goltz spricht aus langer Erfahrung. 1963 wurde der renommierte Violinist ans damalige Würzburger Staatskonservatorium berufen. Aus dem wurde die Musikhochschule, von der Goltz wurde Professor. Nach seiner Emeritierung wirkte er als Lehrbeauftragter. Er gilt als Vater der Frühförderung („neudeutsch Pre-College“).

    Was 1990 auf sein Betreiben hin für das Fach Violine in Würzburg startete, wurde sieben Jahre später Studiengang auch für andere Instrumente. Der Vater von acht Kindern aus zwei Ehen sieht die Frühförderung als sein „Lebenswerk“.

    Vor sich einen Cappuccino, erzählt Conrad von der Goltz im Garten einer Würzburger Gaststätte, wie ihn Adalbert Stifters „Nachsommer“ beeindruckt habe. Zwölf, 13 Jahre alt sei er da gewesen. Er zitiert eine Stelle, die er noch heute „hochmodern“ findet: „Es wäre die schwerste Sünde, seinen Weg nur ausschließlich dazu zu wählen, wie man sich so oft ausdrückt, der Menschheit nützlich zu werden. Man gäbe sich selber auf und müsste in den meisten Fällen im eigenen Sinne sein Pfund vergraben.“

    Conrad von der Goltz übersetzt die Worte aus dem Roman von 1857 so in die heutige Wirklichkeit: Ausbildung, gleich gar eine künstlerische, müsse zu Selbstfindung und Selbstwerdung beitragen. Andernfalls werde die Menschheit „immer mehr eine Herde“ – auch das ein Gedanke von Stifter.

    Genies und ihre Musik

    Der Geiger, der nicht mehr auftritt, aber täglich übt, erzählt von Nobelpreisträgern, die auch als Musiker hochbegabt waren. Einstein, Planck. Oder der Physikochemiker Manfred Eigen. Der habe morgens eine Stunde lang Stücke aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ gespielt. Oder den gebürtigen Würzburger Werner Heisenberg, den von der Goltz persönlich kannte. Auch Heisenberg habe als Wissenschaftler von seinen Fähigkeiten als Musiker profitiert. Und Conrad von der Goltz fragt sich, wie stark der „Faktor der musischen Ausbildung zur Persönlichkeitsfindung eines Genies“ beiträgt. Einstein & Co. sind Ausnahmen. Doch von der Goltz hat eine sehr umfassende Vorstellung von Bildung. Folgerichtig sieht er ganz generell die Verbindung von musischen und intellektuellen Fähigkeiten als Ideal, auf das man hinarbeiten müsse – mag das heute, in unserer materialistischen, von Computern getakteten Welt auch schwerer sein als früher.

    „Ich bin ein Idealist“, sagt er. Doch die Realität verhält sich oft recht störrisch gegenüber Idealisten. Also zieht Conrad von der Goltz den Schlussstrich unter seine Würzburger Zeit. Einmal weil es ihm zuletzt an der Musikhochschule nicht mehr so recht gefallen habe. Zudem sei die Autobahn Nürnberg – Würzburg „Deutschlands schlimmste“. Die musste er regelmäßig befahren: Der Musiker lebt in der Nähe von Regensburg in einem Haus, das er in einen Schlosspark hineingebaut hat.

    Mit Regensburg verbindet ihn noch mehr. Conrad von der Goltz hat an der dortigen Hochschule für Kirchenmusik einen Lehrauftrag. Für Frühförderung natürlich. Dort gibt es, so glaubt er, jene Idealisten, die er in Würzburg nicht mehr finden konnte.

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