(dpa/juk) Der russische Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn, eine der herausragenden Figuren des 20. Jahrhunderts, setzte wie kein anderer die Macht des literarischen Wortes gegen die sowjetische Tyrannei. „Ein Wort der Wahrheit überwindet die ganze Welt“, fasste der Autor des „Archipel Gulag“ (siehe rechts) seine tief religiös geprägte Überzeugung 1974 in der verspäteten Nobelpreisrede zusammen.
Solschenizyns Lebensweg führte ihn von Stalins Straflagern zum Weltruhm als Schriftsteller, in ein 20-jähriges Exil und schließlich zurück in seine veränderte Heimat. Dort wurde es zuletzt einsam um den Prediger eines „Heiligen Russlands“. Geboren wurde der wohl bedeutendste Prosaiker der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts am 11. Dezember 1918 in Kislowodsk im Nordkaukasus. Er studierte Mathematik und Physik und zog als Hauptmann der Roten Armee in den Zweiten Weltkrieg. 1945 brachten Briefe mit abfälligen Bemerkungen über den sowjetischen Diktator Stalin ihn für neun Jahre in die Mühlen von Straflager und Verbannung.
Den Alltag eines Lagerhäftlings, einfach, ohne Anklage, aber unwiderlegbar wahr, schildert Solschenizyn in seinem Debüt: „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ macht den Autor 1962 weltbekannt. Seine Romane „Im ersten Kreis“ und „Krebsstation“ können nur im Westen erscheinen. 1970 wird Solschenizyn der Nobelpreis zuerkannt „für die ethische Kraft, mit der er die unveräußerliche Tradition der russischen Literatur weitergeführt hat“. Moskau lässt ihn jedoch nicht zur Preisverleihung reisen.
1974 verhaftet die sowjetische Führung Solschenizyn und weist ihn aus, weil dem Geheimdienst KGB ein Teilmanuskript von „Archipel Gulag“ in die Hände gefallen war. Ein „Symbol der Freiheit in der Welt“ nennt Heinrich Böll den Freund und nimmt ihn in Köln auf. Solschenizyns Weg ins Exil führt über die Schweiz und Norwegen in die USA. In der Stille von Vermont, dessen Wälder den russischen ähneln, widmet sich Solschenizyn seinem zweiten Hauptwerk. Das „Rote Rad“ soll in 20 Bänden den Untergang Russlands in der Revolution erzählen, es erscheinen aber nur drei Bände.
1994, drei Jahre nach dem Ende der Sowjetunion, zu dem er selbst so viel beigetragen hat, kehrt der Autor in seine Heimat zurück. Auf einer 55-tägigen Zugreise von Wladiwostok nach Moskau lernt er das veränderte Land kennen. In mehreren Schriften, zuletzt „Russland im Absturz“ 1998, verurteilt er die fehlgeleiteten Reformen, die Verarmung, den Mangel an Demokratie. Doch sein eigenes Ideal eines Russlands, das auf dem orthodoxen Glauben und Gemeinsinn gründet, predigt er vergebens. In der Nacht zum Montag starb Solschenizyn im Alter von 89 Jahren an Herzversagen.