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WÜRZBURG: Ein "Ti amo" zur rechten Zeit, lieber Howard Carpendale!

WÜRZBURG

Ein "Ti amo" zur rechten Zeit, lieber Howard Carpendale!

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    Dieser Briefgeht an Schlagersängerund Komponist
    Dieser Briefgeht an Schlagersängerund Komponist Foto: Foto:dpa

    Auch Legenden fangen ganz unten und manchmal so an, dass sich der spätere Erfolg zunächst kaum erahnen lässt. Bei Ihnen, lieber Howard Carpendale, war das nicht viel anders. Am 5. April 1969 – das Farbfernsehen glich noch einer Sensation – gaben Sie Ihren Einstand in der soeben gestarteten ZDF-Hitparade. Mit der deutschen Cover-Version des Beatles-Songs „Ob-La-Di, Ob-La-Da“. Inhaltlich durchaus irritierend und gewöhnungsbedürftig: Es ging um irgendeinen Benny und seinen Blumenstand. Schrecklich. Zum Glück kamen danach bessere Texte – und aus Ihnen wurde tatsächlich das, was man unter einer Legende versteht.

    Geholfen hat Ihnen dabei nicht zuletzt die Sendung, die eine weitere Legende moderierte: 15 Jahre lang waren Sie Dauergast und Dauerabräumer bei „Mister Hitparade“ Dieter Thomas Heck, geborener Carl-Dieter Heckscher. Manchmal denke ich: Ohne den Mann hätte es vermutlich gar keinen Schlager gegeben. Keinen Howie. Keinen Rex Gildo. Keinen Roy Black. Keinen Drafi Deutscher.

    Als Dieter Thomas Heck vor ein paar Tagen – am 23. August – starb, war das noch mal ein Einschnitt, das endgültige Ende einer Ära. Warum ich dabei auch an Sie denken musste, wird sich gleich auflösen – es hat zum einen damit zu tun, dass Sie regelrecht einen Stammplatz in der Hitparade hatten. Vor allem aber hängt es mit dem letzten öffentlichen Auftritt von Dieter Thomas Heck zusammen, der fast 40 Jahre das Unterhaltunsgesicht des ZDF war.

    Doch lassen Sie uns vielleicht erst noch kurz zusammen in Erinnerungen schwelgen, lieber Herr Carpendale. Wie erklärt man das Phänomen Hitparade? Eine Sendung, die für eine ganze Generation prägend war. Das Epizentrum des Schlagers. Der Klassiker. In die heutige Zeit transportiert, wäre das wie DSDS und Dschungelcamp zusammen.

    Auch wenn es nur um eine Dreiviertelstunde im Monat ging – aber es war die Dreiviertelstunde. Pflichtprogramm wie „Tatort“ und Tagesschau. Ein 45-Minüter mit Wucht, beginnend mit dem Schlachtruf „Hier ist Berlin!“ Und „Zet-De-Ef“ konnte so auch nur einer sagen. Kaum war der Abspann im Stakkato-Sprech zu Ende, fieberte man der Sendung entgegen, die in ihrer besten Phase samstags ab 19.30 Uhr lief.

    Wenn der Dieter, der Thomas, der Heck mit bis dahin unerhörter Zackigkeit „aus dem Studio eins der Berliner Union“ den Howard, den Carpendale ankündigte, war die Welt irgendwie in Ordnung. Dieter Thomas Heck ließ man gerne ins Wohnzimmer. Und ein Monat ohne Sie – oder wenigstens Roland Kaiser, von mir aus auch Jürgen Marcus – war kein guter Monat.

    Wenn Ihnen, lieber Howard, jemals eine Textzeile Ihrer vielen Hits entfallen sein sollte – ich könnte spontan aushelfen. Dank Hecks Hitparade, die Sie und viele andere in den Olymp gehoben hat und mich zu einem Kenner der Schlagertexte machte. Die Sendung, die es problemlos auf 20 Millionen Zuschauer brachte, wirkt sogar bis in die Jetztzeit nach: Sie ebnete den Weg für die Helene Fischers von heute.

    15 Jahre, elf Monate, 183 Folgen bis 1984 – das war die Hitparade-Heck-Ära. Erst die Hitparade ließ Schlagersänger zu Giganten werden – und sorgte für unfassbare Verkaufszahlen: Einige Ihrer 25 Millionen verkauften Tonträger, lieber Howard Carpendale, haben Sie einem Mann zu verdanken, der eigentlich nur Ansager war – und gleichzeitig doch so viel mehr. Die Zahlen sprechen für sich: 39 Jahre moderierte der gebürtige Flensburger im Zet-De-Ef alles weg. Und warum? Genau: Weil er es konnte! Er war – auch nachdem er sein Hitparaden-Kind in jüngere Hände abgegeben hatte – das Gesicht des Senders. Ein stolzes halbes Jahrhundert.

    Es war kein Zufall, dass dieses Gesicht auch später Sie zuverlässig immer wieder in seine weiteren Shows einlud – das mit Ihnen beiden passte einfach. Auch wenn ich – um das kurz einzuflechten – dafür einiges in Kauf nehmen musste: Als perfekter Mädchenschwarm brachten Sie regelmäßig jene Augen zum Leuchten, die eigentlich ich zum Funkeln bringen wollte.

    Als sich Dieter Thomas Heck vor ziemlich genau zehn Jahren mit 70 vom Fernsehen in Richtung Spanien in den Ruhestand verabschiedete, glich das einem Einschnitt. Das Fernsehen war danach anders, vor allem aber ärmer.

    Zum Ende hin, etwa ein Jahr vor dem Tod von Dieter Thomas Heck, schloss sich dann der Kreis auf wunderbare Weise: Der Show-Gigant bekam 2017 für sein Lebenswerk endlich die Goldene Kamera. Sie haben für ihn „Ti amo“ in einer eigenen Heck-Version gesungen. Es war, wie gesagt, der letzte Auftritt von „Mister Hitparade“. Ein unvergessliches, ein letztes Bild. Unendlich ergriffen saß er in seinem goldenen Sessel, der Dieter, der Thomas, der Heck. Ein „Ti amo“ genau zur rechten Zeit. Es war ein wunderbarer Liebesbeweis – im Namen von uns allen.

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