„Gehe ich Recht in der Annahme, dass wir derzeit in Deutschland die absurde Situation haben, dass ein 30-jähriger Muslim, der sich Nacht für Nacht über seine 16-jährige ,Ehefrau' hermacht, gesetzeskonform handelt, ein 30-jähriger Nicht-Muslim, der mit einer 16-Jährigen schläft, sich aber des sexuellen Missbrauchs schuldig macht?“ Diese Frage hat Redakteurin Gisela Rauch in ihrem Samstagsbrief an Justizminister Heiko Maas zum Thema Kinderehe am 19. November formuliert. Leser kritisierten die Formulierung; sie schrieben, bei Sex zwischen einem 30-Jährigen und einer 16-Jährigen handele es sich nicht um sexuellen Missbrauch.
Auf unsere Bitte hin erläutert Professor Klaus Laubenthal, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie und Strafrecht an der Universität Würzburg, den Sachverhalt. Laubenthal zufolge ist Sex zwischen einem volljährigen Mann und einer 16-Jährigen generell nicht strafbar. Allerdings erwähnt der Strafrechtsprofessor mit Bezug auf Paragraph 174 des Strafgesetzbuchs zahlreiche Einschränkungen: So handelt es sich in der Tat um sexuellen Missbrauch, wenn es sich bei der 16-Jährigen um eine „Schutzbefohlene“ handelt.
Strafbar macht sich ein Erwachsener auch, wenn die 16-Jährige ihm „zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung“ anvertraut ist oder ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist. Um sexuellen Missbrauch handelt es sich ferner, wenn die 16-Jährige „sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt“.
Auch Gisela Rauchs Meinungsäußerung bezüglich der Kinderehe zwischen einer 14-Jährigen und ihrem 21-jährigen Cousin wurde von Lesern heftig diskutiert. „Ich sehe das nicht als ,Ehe', sondern erstens als einen Fall von sexuellem Missbrauch Minderjähriger, zweitens als Inzest“, hatte Rauch geschrieben.
Faktisch gibt es aber in Deutschland kein Eheverbot zwischen Cousin und Cousine. Das bestätigt die Leiterin des Würzburger Standesamts, Gabriele Schwalb. In der katholischen Kirche ist laut Monsignore Stefan Rambacher vom Bischöflichen Offizialat Würzburg jedoch für die kirchliche Trauung ein Dispens nötig, da das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft nach dem Recht der römisch-katholischen Kirche bis zum vierten Grad der Seitenlinie gehe, in dem Cousin und Cousine miteinander verwandt sind. Sinn des Ehehindernisses der Blutsverwandtschaft sei neben dem Aspekt der genetischen Gesundheit der Kinder auch der, dass verwandtschaftlich-familiäre Beziehungen einen eigenen Charakter hätten gegenüber einer Paarbeziehung von Mann und Frau, so Rambacher.