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Würzburg: Samstagsbrief: 100 000 Mundmasken sind ein starkes Signal, Herr Grupp!

Würzburg

Samstagsbrief: 100 000 Mundmasken sind ein starkes Signal, Herr Grupp!

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    Mundmasken sind Mangelware. Der Bekleidungshersteller Trigema springt jetzt als eines von vielen positiven Beispielen in die Bresche und stellt wöchentlich 100 000 Stück her.
    Mundmasken sind Mangelware. Der Bekleidungshersteller Trigema springt jetzt als eines von vielen positiven Beispielen in die Bresche und stellt wöchentlich 100 000 Stück her. Foto: Daniel Karmann (DPA)

    Sehr geehrter Wolfgang Grupp, ich muss Abbitte leisten. Sie waren für mich viele Jahre nur der komische Onkel mit dem sprechenden und beschlipsten Affen aus der Werbung kurz vor der Tagesschau. Mit einem Nervfaktor, der nur hauchzart hinter Seitenbacher lag.

    Eines schaffte der Affe aber: Er hämmerte mir ein, dass Trigema der größte Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung in diesem Land ist, der ausschließlich in Deutschland produziert – in diesem Fall auf der Schwäbischen Alb. Ich konnte die Werbung damals mitsprechen. So wie ich auch Seitenbacher nur sagen kann, wenn ich dabei die Stimme verstelle.

    Der Inhaber des Bekleidungsunternehmens Trigema, Wolfgang Grupp, mit dem Werbe-Affen im Jahr 2009 im Hauptwerk in Burladingen auf der schwäbischen Alb.
    Der Inhaber des Bekleidungsunternehmens Trigema, Wolfgang Grupp, mit dem Werbe-Affen im Jahr 2009 im Hauptwerk in Burladingen auf der schwäbischen Alb. Foto: Patrick Seeger (DPA)

    Jetzt, in der Corona-Krise, ändert sich vieles. Vielleicht sogar alles. Es gibt unerwartet Hässliches zu sehen, etwa die unfassbaren Ankündigungen von Adidas, Deichmann und H&M, dass ihre Filialen keine Mieten zahlen. Da geraten Dinge aus den Fugen, die Latte der Niveaulosigkeit wird jeden Tag neu gerissen. Es gibt aber zum Glück auch Schönes zu bestaunen. Da war das Beispiel Dietmar Hopp. Gestern noch im Fadenkreuz vieler Fußball-Hooligans, wiedersetzte er sich in entscheidender Position einem gewissen Donald Trump, der mal eben das geballte deutsche Impfstoff-Wissen wegkaufen wollte.

    Und auch Sie, lieber Herr Grupp, sind mir gerade schlagartig sympathisch geworden. Als alleiniger Inhaber und Geschäftsführer haben Sie angekündigt, dass Ihre Firma nunmehr mit dem Nähen von Mundmasken beginnt. Bis zu 100 000 Masken pro Woche wollen Sie produzieren, alle wiederverwendbar. Zwar nicht für den intensivmedizinischen Bereich, wohl aber von Pflegepersonal, Firmen und Behörden nutzbar. Ein starkes Signal!

    Trotzdem ploppten sogleich die maulenden Dauernörgler auf und unterstellten, da würde jemand aus einer Notsituation Profit schlagen. Dabei geht es doch gerade schlichtweg darum, einen Engpass zu beseitigen. Jede einzelne Maske kann Leben retten. Bei Ihnen werden sogar samstags Sonderschichten gefahren, um auf die hohe Stückzahl zu kommen. Und: Das Ganze läuft, so haben Sie öffentlich betont, unter der Überschrift kostendeckend. Um Gewinn geht es also gerade gar nicht. Auch hier: Daumen hoch!

    Die Mangelware-Schande

    Mit dieser Aktion versuchen Sie – wie viele andere leuchtende Beispiele auch – darauf zu reagieren, dass wir durch fehlende Vorsorge geschlittert sind. Einweghandschuhe und Mundschutz als Mangelware in einem Hochindustrie-Land. Sie baden letztlich die Fehler einer Politik aus, die in entscheidenden Bereichen versagt hat. Wir erleben gerade, was passiert, wenn man sich in lebenswichtigen Dingen von anderen abhängig macht. Wenn man vor lauter Globalisierung und Pfennigfuchserei am Ende gelackmeiert und ohne Mundschutz dasteht. Fehlende Pfennigartikel entscheiden über Leben und Tod – eine Schande!

    Geahnt haben wir es schon länger: Die fehlende Vorratshaltung ist ein Webfehler der modernen Welt. Die existenzielle Abhängigkeit von Billigproduktionsländern führte schon vor Corona dazu,  dass es beispielsweise viele Medikamente einfach nicht mehr gab, weil irgendwo im hinteren Hinter-Indien eine Firma Lieferprobleme hatte. Mit Beginn der Corona-Krise wurde alles noch viel dramatischer. Die Globalisierung sowie der Drang zum Dumping fielen uns jetzt mal so richtig auf die Füße. 

    Sie, Herr Grupp, haben sich immer ein Stück geweigert, das Spiel mitzuspielen. Ich habe es noch im Ohr: Produziert wird im Land. Seit Jahrzehnten setzen Sie konsequent auf den Produktionsstandort Deutschland und haben Erfolgt damit – es geht also.

    Trigema-Chef Wolfgang Grupp.
    Trigema-Chef Wolfgang Grupp. Foto: Patrick Seeger

    Mein (gewandeltes) Bild von Ihnen sieht inzwischen so aus: ein Unternehmer von altem Schrot und Korn. Einer, der auch das große Ganze und nicht ausschließlich die nächsten Quartalszahlen sieht. Sonst hätten Sie es auch nicht von 1969 bis hierher geschafft. Jetzt, da wir nicht in der Lage sind, uns mit den elementaren Dingen selber zu versorgen, springen Strategien wie die Ihre um so mehr ins Auge: Die Schwäbische Alb kann’s noch. Weil stolze 100 Jahre Firmengeschichte und Ihre fast 78 Lebensjahre dafür stehen.

    Zu der Aktion haben Sie mit einer wunderschönen Selbstverständlichkeit gesagt: "Wenn wir helfen können, dann helfen wir." Zu einem Zeitpunkt übrigens, als es die bundesweiten Corona-Schutzmaßnahmen noch nicht gab und als die Trigema-Geschäfte noch offen hatten. Das nur als Info für die bereits angesprochene Fraktion der maulenden Dauernörgler.

    Was mich Ihr Beispiel lehrt, Herr Grupp, lässt sich mit zwei Sätzen zusammenfassen: Wir brauchen mehr schwäbische Alb. Und: Mehr Wolfgang Grupps wären auch schön – wenn es sein muss, auch mit Affen.

    Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief" Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.

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