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München: Samstagsbrief: Bitte trauen Sie sich was als Bayerns neue Kultusministerin, Frau Stolz!

München

Samstagsbrief: Bitte trauen Sie sich was als Bayerns neue Kultusministerin, Frau Stolz!

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    Von der Kultusstaatssekretärin zur Kultusministerin: Die Freie-Wähler-Politikerin Anna Stolz aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart) ist künftig für die Schulpolitik in Bayern verantwortlich.
    Von der Kultusstaatssekretärin zur Kultusministerin: Die Freie-Wähler-Politikerin Anna Stolz aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart) ist künftig für die Schulpolitik in Bayern verantwortlich. Foto: Johannes Kiefer

    Sehr geehrte Frau Stolz,

    herzlichen Glückwunsch zu Ihrer bevorstehenden Ernennung zur bayerischen Kultusministerin! Das ist für Sie ohne Zweifel eine große Ehre und eine große Herausforderung zugleich.

    Ich finde es auch für die Menschen in der Region sehr gut und wichtig, dass eine Unterfränkin künftig das wichtige Schulressort leiten wird. Zeigt doch der Koalitionsvertrag der künftigen Bayerischen Staatsregierung, den ihre Freien Wähler kürzlich mit der CSU abgeschlossen haben, einen starken Fokus auf München und Südbayern, etwa in der Kultur- und Wissenschaftspolitik.

    Da kann diese neue Staatsregierung mehr Franken-Kompetenz und Ihre "Franken-Power" an maßgeblicher Stelle durchaus gut gebrauchen.

    Was Kultusminister mit Fußball-Bundestrainern gemeinsam haben

    Nach fünf Jahren als Staatssekretärin im Kultusministerium machen Sie sich sicherlich keine Illusionen: Vergnügungssteuerpflichtig wird Ihre neue Aufgabe an der Spitze des Ministeriums sicher nicht.

    Denn mit Kultusministern ist ja ein bisschen so wie mit Fußball-Bundestrainern: Daheim auf dem Sofa sitzen jede Menge Menschen, die so ziemlich alles besser zu wissen glauben zur Aufstellung, zur Strategie und zu besseren Ergebnissen auf dem Fußballplatz – beziehungsweise in den Klassenzimmern.

    Was die Schulen betrifft, müssen aber Sie, liebe Frau Stolz, künftig entscheiden. Und eines ist jetzt schon klar: Egal, was auch immer Sie vorhaben, Sie werden es nie allen recht machen können.

    Zumal Sie es als Kultusministerin in Bayern nicht nur mit Schülern, Lehrern, Eltern oder Schulleitern zu tun haben. Es gibt auch noch eine ganze Reihe ehrgeiziger Verbände rund um die bayerischen Schulen, die alle für sich hartnäckig für die Interessen ihrer Mitglieder kämpfen und dafür um öffentliche Aufmerksamkeit ringen.

    Dazu müssen Sie bald ein Ministerium führen, dass seit jeher im Verdacht steht, aufgrund eines großen Eigenlebens seiner Abteilungen zu den schwierigsten Häusern innerhalb der Staatsregierung zu gehören – gemäß dem angeblichen Ministerialbeamten-Motto: Ist uns doch wurscht, wer unter uns Minister – oder Ministerin – ist.

    Die bildungspolitischen Herausforderungen für Anna Stolz in Bayern sind gewaltig

    Auch die inhaltlichen Herausforderungen im neuen Job sind gewaltig: 6.000 zusätzliche Lehrestellen sollen Sie bis 2028 besetzen, obwohl es aktuell gar nicht genügend Nachwuchs-Lehrkräfte gibt. Dazu 3.000 Verwaltungskräfte, Sozialarbeiter, Schulpsychologen.

    Zuwanderer-Kinder brauchen Deutsch-Lehrer, die ebenfalls nicht ausreichend verfügbar sind, aber laut Koalitionsvertrag schon sehr bald verfügbar sein sollen. Grundschüler haben ab 2026 einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung, die qualifiziert besetzt sein will. Und Schwimmen lernen sollen die ABC-Schützen auch dann, wenn Ihre Heimatkommune kein Geld mehr für den Unterhalt des örtlichen Schwimmbads hat.

    Den Lehrerberuf sollen Sie attraktiver machen, die Klassenzimmer digitaler. Kleinen Schulen auf dem Land sollen Sie die Zukunft sichern. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, ein paar Teilzeitlehrkräfte zur freiwilligen Mehrarbeit zu motivieren?

    Und möglicherweise können Sie ja Schülern, Eltern und Lehrern erklären, wie die von Ministerpräsident Markus Söder ausgedachte wöchentliche "Verfassungsviertelstunde" in den Klassenzimmern genau funktionieren soll.

    Zuhören, diskutieren, streiten – und auch mal provozieren, wenn es der Sache hilft

    Ich will Ihnen hier keine bildungspolitischen Ratschläge geben – davon bekommen Sie derzeit sicherlich genug. Aber ein paar Wünsche möchte ich gerne loswerden: Suchen Sie nicht den Weg des geringsten Widerstands. Hören Sie auf die Schul-Praktiker vor Ort, wenn es um sinnvolle Lösungen geht – und weniger auf Interessenvertreter und Bedenkenträger in Verbänden oder auch in Ihrem eigenen Ministerium.

    Legen Sie sich an mit hartnäckigen Besitzstandswahrern und ideologischen Fortschritts-Verweigerern. Hören Sie zu, diskutieren Sie, streiten Sie, wenn nötig. Und provozieren Sie ruhig auch mal, wenn es hilft, damit sich in der Sache etwas bewegt.

    Schulpolitik muss in Bayern eine öffentliche Sache sein

    Vor allem aber: Reden Sie offensiv über alles, was Sie tun und warum Sie es tun. Denn gerade die Schulpolitik muss in einer demokratischen Gesellschaft im Sinne des lateinischen Ursprungs des Wortes "Republik" eine "res publica" sein – eine "öffentliche Sache".

    Kurzum, sehr geehrte Frau Stolz: Trauen Sie sich, im Sinne unserer Kinder eine mutige Schulpolitik zu machen. Und reden Sie darüber so viel und so intensiv wie möglich. Kritik, Ärger, Widerspruch werden Sie trotzdem ernten – und das ist auch gut so. Denn nur in der kontroversen Auseinandersetzung können die besten Lösungen entstehen.

    Bayerns Schulen können einen frischen politischen Wind aus München gut gebrauchen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Henry Stern, Landtagskorrespondent

    Persönliche Post: der SamstagsbriefJedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.

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