Sehr geehrter Herr Markert,
ich beneide Sie sehr. Sie haben den vielleicht schönsten Arbeitsplatz, den ein Sommer hierzulande bieten kann. Sie arbeiten im Freibad. Also dort, wo das Leben für hoffentlich viele sonnenverwöhnte Tage unbeschwert ist. Die schlimmen Nachrichten aus der Welt bleiben ausgeschaltet. Sie werden auf dem Smartphone schnell weggewischt für die Kamerafunktion und den Selfie-Modus.

Sie, lieber Herr Markert, arbeiten dort, wo der Kreis eines Menschenlebens so klar zu erkennen ist. Im Planschbecken tummeln sich die kleinen Erdenbürger. Noch tragen sie wasserdichte Windeln und freuen sich, wenn ihre Patsche-Händchen mit ungelenken Bewegungen ins Wasser klatschen. Die Blicke der jungen Mamas und Papas sind vollkommen selig und vollkommen gestresst zugleich, weil auch im Paradies des Sommers die unsichtbare Gefahr lauert.
Der Kreis eines Menschenlebens wird im Freibad besonders gut sichtbar
Im Schwimmbecken nebenan tummeln sich die schon größeren Kinder. Das Müdewerden ist auf den Abend verlegt, unablässig wird ins Wasser gesprungen, immer wieder geht es die Leiter auf den Sprungturm oder die breite Rutsche hinauf, um ein ums andere Mal mit der Arschbombe Wasserfontänen zu erzeugen. Wenn es dabei die Mädchen oder Jungs aus der Parallelklasse erwischt - um so besser!

Ja, und dann sind dann noch ein paar Meter im Becken frei, wo die Älteren, auch mit sonnengegerbter, aber schon faltiger Haut ihre Bahnen ziehen und sich fit halten für die Herausforderungen des Seniorenlebens. Diesen bunten Bogen des Lebens dürfen Sie, Herr Markert, schon viele Sommer lang begleiten.

Ihr Reich ist das Freibad von Bischofsheim in der Rhön. Für Sie wird es gewiss der schönste Arbeitsplatz der Welt sein. So wie all die anderen Freibäder in Unterfranken zwischen Spessart und Hassbergen die schönsten Plätze für Ihre Kolleginnen und Kollegen sein werden. Ob Bademeister und Bademeisterin im Volksmund, Schwimmmeister oder Schwimmmeisterin als offizieller Titel oder Badeaufsicht: Sie und Ihresgleichen sind Garanten eines schönen Sommers. Für die Badegäste, ob klein oder groß, ist das Freibad dank Ihrer wachsamen Augen ein unbeschwerter und sicherer Ort. Und dafür möchte ich Danke sagen.
Die Badeaufsicht muss ihre Adleraugen überall haben
Sie müssen an einem warmen Sommertag tatsächlich Ihre Augen überall haben. Das ist durchaus anstrengend. An den Wegen kann mit noch so deutlicher Schrift stehen "Nicht vom Beckenrand ins Wasser springen!". Kinder starten mit den besten Zeugnissen in die Sommerferien – und haben ausgerechnet im Freibad das Lesen verlernt!

Dann ertönt ein schriller, durchdringender Ton aus Ihrer Trillerpfeife – und schon wissen die Kinder, dass sie ertappt wurden. Ihre laute Stimme, die den übermütigen Badegästen hinterherruft, verschafft sich schnell Respekt. Ich habe Sie und Ihre Trillerpfeife selbst jahrelang gehört, wenn wir mit dem Sohn Abkühlung in Bischofsheim gesucht und gefunden haben. Eine gefürchtete Gestalt waren Sie aber nie. Sie sagen ja selbst, dass man "eine Mischung aus kleiner Autorität und Kumpel" sein müsse, damit die Gäste sich nicht nur sicher, sondern auch wohlfühlen.
Das Freibad soll ein menschlicher Ort sein
Immerhin ist ihr Rat ständig gefragt, bei den Kleinen wie bei den Großen. Und auch bei den Feriengästen, für die Sie immer einen Tipp haben. Ihr Bischofsheimer Freibad soll ein menschlicher Ort sein. Ein Ort, an dem man als junger Mensch, vor allem auch als junges Mädchen, unbekümmert sein kann. Sie haben ein gutes Gespür, wie man mit den Jungs umgeht, wenn "ihnen die Hormone einschießen", wie Sie es formulieren. Sehr gut, dass Ihnen damals auch der Typ aufgefallen ist, der ständig Mädchen beobachtete und sich später als polizeibekannt herausstellte.

Ihre Rettungsschwimmer-Prüfung frischen Sie alle zwei Jahre auf. Auch in Erster Hilfe sind Sie stets auf dem neuesten Stand, um im Ernstfall das Richtige zu tun. Ganz abgesehen von Ihrer technischen Kenntnis. Seit 2010 ist das so, als Sie, Herr Markert, Ihre wichtige Arbeit im Bischofsheimer Hallenbad und weiter im Freibad begannen.
Der Nachwuchs in Bischofsheim ist gesichert
66 Jahre werden Sie in diesem Jahr, das Ihnen leider gesundheitliche Probleme bereitet hat. Weil Sie für Ihr Freibad brennen, haben Sie auch schon Ihre Nachfolge geregelt. Ab September wird im Hallenbad eine staatlich geprüfte Schwimmmeisterin in Ihre Fußstapfen treten, sie wird von Ihnen eingelernt. Sie hatten die Frau mit Ihrer offenen Art einfach angesprochen - und überzeugt.
Eine solch glückliche Nachwuchsarbeit wünsche ich allen Bädern der Region. Denn die Zukunftssicherung für die Schwimmstätten in Unterfranken ist eine größere Herausforderung als jede Prognose, was dieser durchwachsene Freibad-Sommer 2024 noch zu bieten hat.
Mit erfrischenden Grüßen,
Ihr Gerhard Fischer
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