Liebe Annadora Diller-Köninger,
an diesem Wochenende beginnt der Advent – und mit ihm die Hochsaison der Weihnachtsmärkte. Seit 40 Jahren steht Ihr Name für den Weihnachtsmarkt in Sommerhausen bei Würzburg. Wenngleich es in der Region viele zauberhafte Angebote dieser Art gibt, ragt Ihr Markt aus der Masse heraus. Weil er ein Lebenswerk ist. Ihr Lebenswerk. Das gilt es zu würdigen. Deshalb schreibe ich Ihnen.
Sie sind 90 Jahre alt und hängen sich noch immer mit Ihrem kleinen Team des Kultur- und Heimatvereins Sommerhausen in die Organisation rein. Neulich verkündeten Sie, dass Sie damit aufhören wollen. Sie geben etwas in andere Hände, das ich als Perle der Weihnachtsmärkte in der Region bezeichne.
Zugegeben, die Konkurrenz schläft nicht. Weihnachtsmärkte mitten im Wald, in engen Dorfgassen oder Burgruinen, mit einem besonderen musikalischen oder kulinarischen Rahmen: Derlei Beschauliches gibt es in Mainfranken mehrfach. Das ist gut.
Doch Ihr Markt in Sommerhausen, Frau Diller-Köninger, hat seinen Charme aus einer besonderen Logik heraus. Denn Sie haben sich das zu eigen gemacht, was Sommerhausen seit Jahrzehnten prägt: Es ist das Künstlerdorf schlechthin in der Region. Also ist Ihr Weihnachtsmarkt auch der Weihnachtsmarkt der Künstlerinnen und Künstler.
Nicht die üblichen Buden - sondern ein Weihnachtsmarkt der Höfe, Keller, Galerien
Er findet nicht allein an den üblichen Holzbuden statt, sondern vor allem in Galerien, Gewölbekellern und urigen Innenhöfen. Der allein schon sehenswerte Fachwerk-Altort tut sein Übriges zur Gemütlichkeit. Neudeutsch würde man sagen: Seit 1984 skalieren Sie konsequent die Corporate Identity von Sommerhausen. Oder verständlicher ausgedrückt: Sommerhausen ist durch Ihr Wirken noch schillernder geworden als es eh schon war.

Frau Diller-Köninger, ich kenne Sie als kantige, energische Künstlerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Das ist Ihr Markenzeichen und zweifellos der Garant für Ihren Erfolg mit dem Weihnachtsmarkt. Den hatten sie nicht von Beginn an, denn Ihre Idee wurde in Sommerhausen einst als Hirngespinst abgetan, wie man sich im Ort erzählt.
Dass Sie beharrlich geblieben sind, danken Ihnen heute Scharen von Gästen. Ganze Busladungen selbst aus fernen Bundesländern kommen im Advent Wochenende für Wochenende in Sommerhausen an. Auch aus der Schweiz oder Österreich reisen Menschen eigens zu Ihrer Veranstaltung. Doch trotz dieser Popularität hat man nicht oft das Gefühl, dass Ihr Weihnachtsmarkt überfüllt ist.
Werbung muss der Kultur- und Heimatverein längst nicht mehr machen, war im Ort zu erfahren. Der besondere Charme des Weihnachtsmarktes habe sich längst herumgesprochen.
Busreisen zu Weihnachtsmärkten in Metropolen - und nach Sommerhausen
Ist so. Zu einer Tagesfahrt zu einem "etwas anderen Weihnachtsmarkt" lädt etwa ein Bus-Unternehmen aus Aalen ein. Ein anderes in Rheinland-Pfalz wirbt gar mit einem Ausflug zu einem "der attraktivsten Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland". Die Annoncen stehen in einer Reihe mit Fahrten zu Märkten in Metropolen wie Nürnberg, Zürich, Prag oder Stuttgart.

Auch wenn man von all diesen Superlativen ein bisschen was abzieht, bleibt immer noch das Glücksgefühl, das Ihr Weihnachtsmarkt der Hotellerie und Gastronomie im Ort beschert. Es gebe immer mehr Stammgäste, die mitunter seit Jahrzehnten nach Sommerhausen kommen und dort gleich auch übernachten, war vom Kultur- und Heimatverein zu erfahren. Die Unterkünfte im Ort seien schon Wochen vor dem Weihnachtsmarkt ausgebucht.

Was all die zigtausend Besucherinnen und Besucher auf dem Sommerhäuser Weihnachtsmarkt an Umsatz lassen, ist nicht bekannt. Der Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute schätzt, dass auf den 3200 Weihnachtsmärkten im Land insgesamt etwa drei Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen gespült werden.
Viele Besucher, gutes Geschäft: Märkte bringen Umsatz
Das lässt den Schluss zu, dass es auch in Sommerhausen um einen prallen Batzen geht. Geld, das weitgehend im Ort bleibt, weil viele Ausstellerinnen und Aussteller Einheimische sind. Das ist ebenfalls Ihr Verdienst, Frau Diller-Köninger. Das müssen auch jene Menschen eingestehen, die nicht so viel mit Glühwein, Punsch und Christbaumkugeln am Hut haben.

Als gebürtige Würzburgerin leben Sie seit 1976 im Künstlerdorf. "Dass ich Sommerhausen aufgemischt habe, weiß ich schon", haben Sie neulich über sich selbst gesagt. Sie haben damit fürwahr nichts Schlechtes angerichtet. Das zeigt allein die Ehrenbürgerschaft, die Sommerhausen Ihnen 2010 verlieh. Sechs Jahre später folgte das Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Frauen und Männern.
Sinn für die Heimat, Tatkraft, Beharrlichkeit: Das sind Ihre Tugenden, Frau Diller-Köninger. Tugenden, die selten geworden sind. Ein 2006 veröffentlichtes Buch über Sie trägt den Titel "Ohne Diller wär' es stiller". Gut, dass es anders ist.
Mit weihnachtlichen Grüßen,
Jürgen Haug-Peichl, Redakteur
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