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Schweinfurt: Samstagsbrief: Den Schwarzen Peter in der Gesundheitspolitik herumzuschieben, das nervt, Frau Ministerin Gerlach!

Schweinfurt

Samstagsbrief: Den Schwarzen Peter in der Gesundheitspolitik herumzuschieben, das nervt, Frau Ministerin Gerlach!

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    Kritischer Blick beim Besuch in Schweinfurt in Sachen Klinikschließung: Judith Gerlach ist seit November bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention.
    Kritischer Blick beim Besuch in Schweinfurt in Sachen Klinikschließung: Judith Gerlach ist seit November bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention. Foto: Martina Müller

    Sehr geehrte Frau Gerlach,

    dass in der Gesundheitspolitik vieles im Argen liegt, ist offenkundig. Das vor wenigen Tagen verkündete Aus für das Schweinfurter Krankenhaus St. Josef ist nur ein Symptom für die Krise. Gleichzeitig beobachte nicht nur ich ein massives Politikversagen. Bund und Länder bringen die dringend nötige - und vielfach versprochene - Krankenhausreform einfach nicht auf die Reihe. Und das ist nur eine, aber eben keine ganz unbedeutende Baustelle der Gesundheitspolitik.

    Spricht man mit Gesundheitsexperten der Ampel-Parteien in Berlin, zeigen diese mit dem Finger auf die "Blockierer" aus Bayern. Spricht man mit Verantwortlichen der CSU/FW-Regierung im Freistaat, schieben diese den schwarzen Peter zum Bund, der die Krankenhäuser mit ihren roten Zahlen im Stich lasse.

    Parteipolitik und Klein-Klein: Das Hin und Her nervt gewaltig

    Mit ihrem Klein-Klein in der parteipolitischen Auseinandersetzung kommt die Politik erkennbar nicht voran. Dieses ständige Hin und Her nervt gewaltig.

    Liebe Frau Gerlach, ich schreibe heute Ihnen als der verantwortlichen bayerischen CSU-Gesundheitsministerin. Aber ja, dieser Brief hätte genauso gut auch an die zuständigen SPD-Politiker in Berlin gehen können an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seine Staatssekretärin, die unterfränkische Ärztin Sabine Dittmar.

    Ich hoffe doch, dass wir uns zumindest im Kern über ein paar Dinge einig sind: In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser, in Bayern auch. Bundesweit sind es - je nach Statistik - mindestens 600 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner. Viele Industrieländer wie Frankreich, Spanien oder die USA kommen ungefähr mit der Hälfte aus.

    So viele Klinikbetten? Die Menschen in Bayern sind nicht kränker als anderswo

    In Bayern zählt die Statistik 585 Betten pro 100.000 Einwohner - damit liegt der Freistaat im Bundesschnitt. Andere Flächenländer wie Niedersachsen mit 525 oder Baden-Württemberg mit 503  halten deutlich weniger Klinikbetten bereit. Dass so viele Betten unbedingt notwendig sind, will mir nicht so recht einleuchten. Die Menschen in unserem schönen Bayernland sind nicht kränker als anderswo in Deutschland und Europa.

    Jedes Krankenhausbett, jede Klinik will finanziert sein. So ist es kein Wunder, dass die Gesundheitskosten hierzulande deutlich höher liegen als in vergleichbaren Ländern. Insgesamt fließen laut Statistischem Bundesamt rund 500 Milliarden Euro im Jahr ins Gesundheitswesen, knapp 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Kein Land in der Europäischen Union gibt für Gesundheit mehr Geld aus.

    Nach Bekanntgabe der Schließung des St. Josef-Krankenhauses stellte sich Gesundheitsministerin Judith Gerlach (links) gemeinsam mit Schwester Monika Edinger von den Erlöserschwestern der Presse in Schweinfurt.
    Nach Bekanntgabe der Schließung des St. Josef-Krankenhauses stellte sich Gesundheitsministerin Judith Gerlach (links) gemeinsam mit Schwester Monika Edinger von den Erlöserschwestern der Presse in Schweinfurt. Foto: Martina Müller

    Klar, über die Gründe und speziell deutsche Parameter wie die überalterte Gesellschaft, die diesen Statistiken zugrunde liegen, kann man diskutieren. Aber es überrascht mich einfach, wenn ich lese, dass trotz des riesengroßen (finanziellen) Aufwands die Lebenserwartung in Deutschland niedriger ist als in anderen europäischen Ländern: So werden Männer hierzulande im Schnitt 78,8 Jahre alt, in der Schweiz jedoch 81,9 Jahre. Die Lebenserwartung von Frauen in Deutschland liegt bei 83,5 Jahren, in Spanien bei 86,2 Jahren.

    Zahlen, die ich nicht erwartet hätte. Für ein effizientes Gesundheitssystem sprechen sie jedenfalls nicht. 

    Dringender Handlungsbedarf: Jetzt sind mutige Politiker und Politikerinnen gefordert

    Zahlen, liebe Frau Gerlach, die dringenden Handlungsbedarf belegen - Zumutungen für uns Bürgerinnen und Bürger inklusive. Nur die Politik kommt dieser Aufgabe nicht nach, traut sich nicht, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Auch wenn die CSU am liebsten jeder Klinik eine Bestandsgarantie geben würde: Es werden auch in Bayern weitere Krankenhäuser schließen und Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Ansonsten kollabiert das System komplett. 

    Wenn man nicht von plötzlichen Entscheidungen von Trägern, wie jetzt den Erlöserschwestern in Schweinfurt, überrascht werden will, braucht es ein Konzept. Und mutige Politikerinnen und Politiker, die im Zweifel auch erklären, warum eine Klinik-Schließung in Schweinfurt oder Würzburg trotz aller Belastung für die Betroffenen womöglich eher verkraftbar ist als eine in Haßfurt, Ochsenfurt oder Bad Kissingen.

    Vorschlag: Echte Kompromisse - trotz schmerzlicher Einschnitte

    Genau über diese Fragen müssen Expertinnen und Experten, abseits von Parteipolitik, jetzt diskutieren und sich am Ende auf gemeinsame Lösungen einigen. Mein Vorschlag: Bund und Länder richten gemeinsam Kommissionen ein, mit führenden Ministerialbeamten, mit den Gesundheitsexperten der Parteien, mit Vertretern von Ärzteschaft, Heilberufen, Pharmazie sowie den Krankenkassen. Diese erarbeiten dann Kompromisse für eine gute, bezahlbare Gesundheits- und Krankenhausversorgung.

    Wichtig dabei wäre, dass sich Politikerinnen und Politiker wie Karl Lauterbach, aber auch Sie und Ihre Parteifreunde, liebe Frau Gerlach, verpflichten, die Vorschläge einer solchen Kommission hinterher nicht zu zerreden. Sondern die Ergebnisse mutig verteidigen. Und sie schließlich umsetzen - selbst wenn es dort, wo es zu schmerzlichen Einschnitten kommt, vorübergehend Wählerstimmen kostet.

    Ich glaube, nur so kann es funktionieren. Bleiben Sie gesund!

    Beste Grüße aus Würzburg

    Michael Czygan, Redakteur

    Persönliche Post: der SamstagsbriefJedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.

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