Liebe Mamas,
wohin geht ein Wort, wenn man es ausgesprochen hat? Warum regnet es an Sonntagen? Oder wozu sammelt man Geld, wenn man auch Gänseblümchen sammeln kann? Ich bin sicher, ihr kennt Fragen wie diese. Ich liebe es, wie Kinder unsere festgefahrenen Denkmuster mühelos auf den Kopf stellen.
Kürzlich am Frühstückstisch stellte mir mein Kind eine Frage, über die sich Menschen in Talkshows, Essays, auf dem Spielplatz und in den sozialen Netzwerken auch im Jahr 2023 noch immer emotional streiten: "Sag mal, kann man als Beruf eigentlich auch Mama werden?"
Studie errechnet: Muttersein entspricht 2,5 Vollzeitjobs
Liebe Mamas, wie hättet ihr auf diese Frage geantwortet? Hättet ihr Wert darauf gelegt, zu betonen, dass Frauen beides sein können: Mutter und berufstätig? Dass mittlerweile mehr als zwei Drittel der Frauen mit minderjährigen Kindern in Deutschland erwerbstätig sind? Und dass auch nicht alle die freie Wahl haben?

Oder hättet ihr versucht, den Unterschied zwischen Beruf und Berufung zu erklären? Und dass es für viele unabhängig von einer Erwerbstätigkeit das größte Geschenk ist, Mama sein zu dürfen.
Vielleicht wäre es euch aber auch ein Anliegen gewesen, aufzulisten, was eine Mutter alles leistet - zeitlich, körperlich, emotional. Für eine Studie haben amerikanische Wissenschaftler 2000 Frauen mit Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren nach ihrem Alltag befragt. Das Ergebnis: Mütter sind in der Woche knapp 100 Stunden mit dem Mamasein beschäftigt – das entspricht etwa zweieinhalb Vollzeitjobs. Ohne Feierabend.
Es existieren viele Muttermodelle nebeneinander
Ich kenne Mamas in ganz unterschiedlichen Situationen. Manche haben sich kurz nach der Geburt ins Berufsleben gestürzt, andere tasten sich nach langer Auszeit zurück. Einige sind Zuhause geblieben.

Was sie alle kennen, sind Bemerkungen wie diese: "So eine Ausbildung und dann Hausfrau?" "Schon wieder arbeiten, muss das sein?" "Als Mutter sollte man..." Als ob Frauen mit dem Einzug eines neues Familienmitglieds auch die Türe für bewertende Kommentare geöffnet hätten. Sie kommen – ungefragt – von Bekannten, vom Kollegium, auf Spielplätzen oder von Wildfremden auf der Straße.
Als Mama ist man sensibel - das will alleine die Natur
Ein Kind zu bekommen, ist eine unglaubliche Erfahrung, etwas Essentielles. Ein Teil von einem selbst. Da ist man sensibel, so will es die Natur. Und natürlich will Frau da alles "richtig" machen – ohne zu wissen, was das eigentlich bedeutet.

Schubladen für Mütter gibt es genug - gespickt mit Vorurteilen und Bildern. Sie schwanken von der egoistischen Working Mum über die helikopternde Perfektionistin zum aufopfernden Hausmütterchen.
Die moderne Mutterrolle ist mit widersprüchlichen Anforderungen überfrachtet
Ich lese oft, dass die moderne Mutterrolle mit widersprüchlichen Anforderungen überfrachtet ist. Wer gleichzeitig rund um die Uhr drei Kinder betreut, sich top in Form hält, eine steile Karriere macht, den Haushalt wuppt und die perfekte Partnerin ist, der hebe die Hand.
2022 waren knapp 40 Prozent der Mütter mit mindestens einem Kind unter drei Jahren zurück im Job. Zeitgleich sagten in einer Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung lediglich sechs Prozent der Männer, dass sie den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung übernehmen.
Dieser Brief ist ein liebevoller Tritt in den Hintern
Liebe Mamas, das ist kein Jammer-Brief. Ich bin glücklich, dass wir in Zeiten leben, in denen Mütter vergleichsweise frei entscheiden können, ob und wie sie leben wollen - wenn es das Umfeld, der Arbeitgeber und die Finanzen erlauben.

Liebe Mütter, dieser Brief ist ein liebevoller Tritt in den Hintern - auch in meinen eigenen. Denn sind es nicht auch wir selbst, die andere Lebens-Modelle kritisieren? Vielleicht aus Unsicherheit getreu dem Motto: Wenn ich meins für richtig halte, muss das andere ja falsch sein?
Mütter sind füreinander eine unverzichtbare Quelle der Inspiration
Dabei können wir uns eine große Stütze und Inspiration sein - über Generationen hinweg. Mütter erkennen, was die andere braucht. Sie fragen nicht, warum man müde aussieht, sie bestellen einen Kaffee zusätzlich. Sie nehmen das Kind zum Eis essen mit, wenn's im Büro länger dauert, stehen für einander ein, wenn man selbst zu erschöpft ist. Sie sind da, weil sie wissen, wie wichtig es ist, da zu sein.
Das Muttersein ist eine unglaubliche Reise, die so viel wertvoller wird, wenn wir sie gemeinsam und frei von Schubladen antreten.
Ich selbst bin an einem Tag aufopfernd, im nächsten Moment egoistisch. Ich bin gluckig, freiheitsliebend, voll Energie und tiefenerschöpft. Vor allem bin ich ich. Und ihr seid ihr. Und das ist genau richtig so!
Unsere Gesellschaft braucht starke Kinder. Und Kinder brauchen starke Vorbilder.
Liebe Mamas, macht euer Ding und haltet zusammen! Ich habe einen Heidenrespekt vor euch!
Meike Schmid
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Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.