Sehr geehrter Herr Magath,
darf ich Ihnen gratulieren zum Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga mit Hertha BSC? Oder nehmen Sie da keine Glückwünsche an? Ein Nichtabstieg ist schließlich kein Titel – und von denen haben Sie in Ihrer langen Karriere als Spieler und Trainer reichlich gewonnen. Aber Ihren Auftrag haben Sie in Berlin erfüllt. Die Relegation gegen den Hamburger SV war zwar eine richtig enge Kiste. Am Schluss aber fragt dann keiner mehr danach, wie knapp es dabei zuging.
Magaths stoische Ruhe war ein Kontrast zu den Trainer-Hampelmännern
Dass Sie mit dem vergleichsweise luxuriös ausgestatteten Berliner Kader die Fußballmächte aus Bielefeld und Fürth hinter sich gelassen haben, nun ja . . . Dass Sie aber den HSV, der jetzt im sechsten Jahr in Serie im Bundesliga-Unterhaus verweilen muss, niedergerungen haben, verdient dennoch Respekt. Abstiegskampf ist Nervensache, und Ihre stoisch zur Schau gestellte Ruhe war ein wohltuender Kontrast zu all den Trainer-Kollegen, die glauben, in diesen entscheidenden Fußballwochen den Hampelmann machen zu müssen.
Als die Aufgabe erledigt war, sind Sie schnell in der Kabine verschwunden. Sie mussten sich auch nicht in den Mittelpunkt drängen. Ihre Kontakte zu "Bild", dem größten Boulevardblatt des Landes, sind, das hat man auch während Ihrer Tätigkeit in Würzburg gemerkt, sehr gut. Manchmal offenbar sogar freundschaftlich. Sie werden gewusst haben, dass Sie in der Presse ohnehin der gefeierte Held sein würden, dafür mussten Sie nicht noch in die Fankurve gehen.
Bei den Würzburger Kickers und in Mödling fließen Tränen
"Danke Felix!" So titelte denn auch die "Bild"-Zeitung in ihrer Berlin-Ausgabe. Eine der Schlagzeilen des Blattes teilte ein gemeinsamer Bekannter von uns in den Sozialen Netzwerken. Christian Ortlepp, während Ihrer Zeit als "Head of Flyeralarm Global Soccer" Ihr Assistent und Pressesprecher, verbreitete die Überschrift: "Magath lässt den HSV heulen." Dazu fiel mir nur eine Antwort ein: "In Mödling und in Würzburg weint man auch." Das sind die Orte, an denen die von Ihnen einst betreuten Flyeralarm-Klubs beheimatet sind.

In der Wiener Vorstadt und in Unterfranken wurde in diesem Frühling der Abstieg betrauert. Der FC Flyeralarm Admira muss in Österreich ein gutes Jahr nach Ihrem Abschied erstmals nach elf Spielzeiten in die Zweitklassigkeit. Und die Würzburger Kickers sind mit dem zweiten Abstieg in Serie gar abgestürzt in die Regionalliga und damit erst einmal raus aus dem Profifußball. Dabei sprachen Sie doch sogar über die "Vision Europapokal" am Dallenberg. Das war 2020, vor gerade einmal zwei Jahren, nachdem die Kickers mit Michael Schiele als Trainer den Aufstieg in die Zweite Bundesliga geschafft hatten. Der enorm beliebte Erfolgscoach musste kurz darauf gehen. Dass Sie ihm die Unterstützung versagten, war dabei ebenso offensichtlich wie die Tatsache, dass er noch nicht einmal eine halbwegs konkurrenzfähige Mannschaft zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Seitdem geht es mit den Kickers nur noch bergab. Das Projekt, das mit Ihrer Vorstellung im Januar 2020 startete, ist krachend gescheitert.

Ich weiß, am Ende sind Sie es nicht gewesen! Zumindest wollten Sie uns ja immer glauben machen, Sie seien nur Berater und nicht Entscheider bei den Kickers, hätten also auch nicht Michael Schiele entlassen. Das mag auf dem Papier stimmen. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob Sie es aus heutiger Sicht nicht als Fehler ansehen, damals den Daumen gesenkt zu haben. Dass Sie Schiele, der inzwischen, diesmal mit Eintracht Braunschweig, schon wieder in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist, nichts zutrauten? Dass Sie den Kickers angehende Fußball-Rentner wie die Brasilianer Douglas und Ewerton oder den Österreicher Stefan Maierhofer vermittelten? Darin sehen viele Ursachen für den Absturz der Kickers.
Bei den Würzburger Kickers bleibt ein Trümmerhaufen zurück
Nach Ihrem Relegationstriumph über Ihre alte Liebe aus Spielerzeiten, den Hamburger SV, haben Sie angekündigt, Sie würden nun wieder zu Hause Holz hacken. Im Nachhinein wirkt es so, als hätten Sie während Ihrer Tätigkeit an der Spitze des Flyeralarm-Fußball-Unternehmens auch ein Hackebeil geschwungen und die funktionierenden Strukturen in den Vereinen kurz und klein geschlagen. Was bleibt, ist ein Trümmerhaufen.

Ja, es stimmt: Sie sind seit einem Jahr schon nicht mehr für das Würzburger Fußball-Unternehmen tätig. Die Abstiege sind nicht Ihr Werk. Die Kickers haben in dieser Saison nach Ihrem Fortgang auch ohne Ihr Zutun ganz viel falsch gemacht. Es hätte nicht soweit kommen müssen, und heute alles und jeden Misserfolg auf die Entlassung von Michael Schiele zu schieben: das ist viel zu einfach. Trotzdem haben auch Sie eine Mitverantwortung für den Absturz. Vielleicht waren Sie ja auch einfach zur falschen Zeit auf dem falschen Posten am falschen Ort. Die Kickers waren womöglich eine Nummer zu klein für Sie. Liga drei ist nicht Ihr Terrain.
Es hat viele überrascht, als Sie in Berlin als Trainer verpflichtet wurden, obwohl Sie damals bei Ihrer Vorstellung in Würzburg gesagt hatten, dieser Beruf liege hinter Ihnen. Jetzt, nachdem Sie die Hertha von Platz 17 bei Ihrer Amtsübernahme zunächst auf Platz 16 geführt und dann auch die Relegationspartien erfolgreich überstanden haben, können Sie sich wieder im Lob sonnen. Was habe ich nicht alles über Sie gelesen in den letzten Tagen? Oft kam dabei das Wort Magie vor. In Würzburg war es eher ein fauler Zauber, der von Ihrem Tun in Erinnerung bleibt.
Hochachtungsvoll
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