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Würzburg: Samstagsbrief: Herr Reichhart, lernen Sie von den Tirolern!

Würzburg

Samstagsbrief: Herr Reichhart, lernen Sie von den Tirolern!

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    Andreas Scheuer (r) erhielt 2016 nach seiner Rede auf der Landesversammlung der Jungen Union Bayern in Penzberg von Hans Reichhart (l) ein historisches Kinder-Spielauto.
    Andreas Scheuer (r) erhielt 2016 nach seiner Rede auf der Landesversammlung der Jungen Union Bayern in Penzberg von Hans Reichhart (l) ein historisches Kinder-Spielauto. Foto: Andreas Gebert (dpa)

    Sehr geehrter Herr Reichhart,

    wir müssen reden. Über Österreich, die Maut und unser Verhältnis zu unseren Nachbarn. Keine Sorge, ich werde nicht schadenfroh mit dem Finger auf die CSU zeigen, weil es nicht geklappt hat mit der Pkw-Maut. Obwohl es schon spannend wird, zu beobachten, wie Ihre Partei nun damit umgeht, dass der einstige Wahlkampfschlager zum Image-Problem wird. Schließlich ist die versprochene Maut nicht nur vom Tisch, sie könnte den Steuerzahler auch noch richtig Geld kosten: 300 Millionen Euro, so wurde am Freitag kolportiert, dürften allein die Betreiber des geplanten Vignettensystems dem Bund in Rechnung stellen. Eine Firma kommt ausgerechnet aus Österreich.

    Aber sei's drum. Ich will ja auf die neue Runde in der deutsch-österreichischen Straßenschlacht schauen. Im Zentrum steht der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. Der Mann wird bis zum Herbst Lkw- und Autofahrer an der bayerisch-tirolerischen Grenze Tausende Stunden kosten. Weil er aus Umweltschutzgründen für Lkw eine Blockabfertigung eingeführt ha

    Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichhart findet die Tiroler Maßnahme "unsäglich".
    Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichhart findet die Tiroler Maßnahme "unsäglich". Foto: Angie Wolf

    tte, kam es zuletzt am Freitag zu kilometerlangen Staus auf der Inntalautobahn Richtung Süden. Auch Pkw kamen nicht weiter. Und damit nicht genug: Jetzt ordnet Platter an allen Wochenenden bis zum Ende der bayerischen Sommerferien – von Samstag, 7 Uhr, bis Sonntag, 19 Uhr – auch noch die Sperrung von Landstraßen an, die von Urlaubern zur Umfahrung von Staus oder zur Vermeidung der Maut auf den österreichischen Autobahnen genutzt werden können. So will Mr. Stau betroffene Dörfer vom Transitverkehr entlasten.

    Durch die Augen eines Tiroler Dorfbewohners

    Sie, Herr Reichhart, finden das Tiroler Verhalten "unsäglich und reine Schikane". Das kann man nachvollziehen, vor allem, wenn die Watschn aus dem Maut-Streit noch schmerzt. Ich sage Ihnen aber: Die Tiroler haben Recht. Nein, ich stehe auch nicht gerne im Stau. Aber versetzen Sie sich doch mal in einen Tiroler Dorfbewohner. Es mag Ihnen schwerfallen, die Welt durch die Augen dieses exotischen Bergvolks zu betrachten. Ich habe es da vielleicht ein bisschen einfacher.

    Ich wohne in Unterfranken. Vor unserer Haustüre befindet sich der "größte Parkplatz der Welt" – die A3. Stau gehört dort fast zum Alltag. Alle Welt fährt dann ab, meist irgendwo zwischen Helmstadt (Lkr. Würzburg) und Geiselwind (Lkr. Kitzingen) und schlängelt sich in Kolonnen durch die Ortschaften. Im Raum Würzburg verstopfen sie mit Vorliebe die Bundesstraßen 19 oder 27. Oder gleich den Innenstadtbereich. Da geht dann gar nichts mehr. Neulich hat sogar ein nettes älteres Ehepaar aus den Niederlanden die Nacht in seinem Wohnmobil in meiner Straße verbracht.

    Ärger über Navis und Radio-Umleitungstipps

    Ich als Autofahrer ärgere mich an solchen Tagen über Navi-Programmierer, die selbst die größten Lastwagen durch enge Gässchen lotsen, und hadere selbst mit den Kollegen vom Radio. Da raten dann Ortsunkundige am Mikrofon – in der Regel in München sitzend – den Ortsunkundigen am Steuer, die Autobahn zu verlassen und den Stau über die Käffer zu umfahren. Bis die "Echtzeitmessung" der Radiostationen mitbekommen hat, dass die Zeitersparnis ein Drauflegegeschäft ist, ist bei uns schon Land unter. Das mag eine subjektive Wahrnehmung sein, aber ganz falsch ist sie auch nicht. Und ich bin mir sicher: Unsere Region ist nicht die einzige staugeplagte in Bayern.

    Mit anderen Worten: Ich hätte nichts dagegen, wenn sich Bayern Tirol als Vorbild nimmt und die Autobahnabfahrten für Durchreisende dichtmacht. Zumindest dann, wenn's eng wird. An Freitagnachmittagen zum Beispiel, wenn der Berufsverkehr die Region ohnehin schon lahmlegt. Oder kurzfristig bei erhöhtem Verkehrsaufkommen. Die Schweizer, so erzählte es mir kürzlich eine Kollegin nach ihrem Urlaub, machen das bei Bedarf scheinbar auch so.

    Die Latte für CSU-Verkehrsminister liegt nicht hoch

    Es wäre doch zumindest einmal eine Überlegung wert. Anstatt die beleidigte Weißwurst zu spielen und den Tirolern mit der EU-Kommission zu drohen, könnten Sie doch von ihnen lernen. Gespräche zu dem Thema sind ja offenbar schon vereinbart. Lassen Sie da doch einfach das Streiten und fragen Sie die Österreicher mal nach den Erfahrungen, die sie mit der Sperrung gemacht haben. Bringt es was? Ist es gut zu kontrollieren? Immerhin hatten Sie ja schon geschlussfolgert, dass – sollte die EU die Tiroler Maßnahme durchwinken – das auch auf stark belasteten bayerischen Strecken möglich sein müsste.

    Mit 37 sind Sie ein ziemlich junger Minister. Warum also nicht neue Wege gehen und unseren Nachbarn in der Sache völlig ungrantig begegnen? Was haben Sie schon zu verlieren? Die Latte für CSU-Verkehrsminister liegt momentan nicht allzu hoch.

    Mit freundlichen Grüßen

    Benjamin Stahl, Redakteur

    Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief" Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.

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