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Obertheres: Samstagsbrief: Ihre deutlichen Worte tun der CSU gut, Herr Vogel!

Obertheres

Samstagsbrief: Ihre deutlichen Worte tun der CSU gut, Herr Vogel!

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    Steffen Vogel ist seit Oktober 2013 CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.
    Steffen Vogel ist seit Oktober 2013 CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Foto: René Ruprecht

    Sehr geehrter Herr Vogel,

    ich mag Politikerinnen und Politiker, die sich trauen, klare Worte auch öffentlich auszusprechen. Solche, die keine Angst haben, dabei auch mal übers Ziel hinauszuschießen. Und solche, die auch sportlich mit Kritik umgehen können, wenn es sie denn selbst mal trifft. Sie, als Landtagsabgeordneter und CSU-Kreisvorsitzender in den Haßbergen, gehören da dazu.

    Zum Ausgang der Bundestagswahl haben Sie jetzt bei Facebook einen rausgehauen: "Mit Söder oder Merz wäre das nicht passiert!! Schäuble, Bouffier & Co. sind die wahren Zerstörer der Union!" schreiben Sie in einem Post, der bis Freitagmittag knapp 100-mal geteilt und 200-mal kommentiert wurde. Die meisten Leserinnen und Leser stimmen Ihnen zu. Einzelne reagieren aber verstört ob der öffentlichen Bühne, auf der sie agieren: "Das bringt uns jetzt weiter, Steffen?", fragt der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann rhetorisch.

    Ja, schon, würde ich sagen. Sowohl die CDU als auch die CSU sollten die Diskussion über die Gründe dieser doch heftigen Niederlage in aller Offenheit führen. Das ist Demokratie.

    Die Art und Weise, wie Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier den Kanzlerkandidaten Armin Laschet letztlich im CDU-Vorstand durchgedrückt haben, war in der Tat unterirdisch. Doch dass die Union mit Friedrich Merz besser gefahren wäre, möchte ich bezweifeln. Für das neoliberale Programm der 90er Jahre gibt es keine Mehrheiten mehr.

    Und Markus Söder? Ob ein bayerischer Franke im Norden am Ende wirklich gezogen hätte? Da bleiben mir ein paar Restzweifel. Sicher aber ist, der Ministerpräsident hätte eine ganz andere Wahlkampf-Dynamik entfacht. Und ja: Alle Umfragen sprachen für Söder. Den Scherbenhaufen für die CSU hätte er allemal verhindert.

    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die CSU am schlechten Wahlergebnis der Union eine gehörige Portion Mitverantwortung trägt. Bis heute konnte mir zum Beispiel kein CSU'ler erklären, warum man nicht einfach drei, vier Wochen vor dem Laschet/Söder-Showdown eine Mitgliederbefragung in der Union gefordert hat, um den Kanzlerkandidaten zu bestimmen. Da hätte niemand ernsthaft widersprechen können. Offenbar war sich Söder seiner Sache doch nicht so sicher.  

    Was Söder von Esken und Kühnert hätte lernen können

    Dass sich der "Kanzlerkandidat der Herzen" nach der Personalentscheidung wenig loyal gegenüber Laschet verhalten hat, mag man menschlich verstehen, professionell war es nicht. Von der legendären Geschlossenheit der Union war bis kurz vor Wahlkampf-Ende nichts zu merken. Schlimmer noch: Ausgerechnet Saskia Esken und Kevin Kühnert von der SPD-Linken haben Söder vorgemacht, wie Rückendeckung für einen ungeliebten Kandidaten geht.

    Gelitten hat Ihre Partei schließlich auch darunter, dass sich hinter dem Ministerpräsidenten ein personelles Loch auftut. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer etwa ist für viele in der eigenen Partei wegen des Maut-Debakels ein rotes Tuch. So hatte die CSU in Würzburg überlegt, ob man Scheuer zu einem Wahlkampf-Termin am neuen Autobahntunnel einladen sollte. Man hat es lieber gelassen, Scheuer sei kein Werbeträger. Digitalstaatsministerin Dorothee Bär haben die Delegierten beim Parteitag einen Denkzettel verpasst: 195 Gegenstimmen sind ein Wort.

    Und erst recht, lieber Steffen Vogel, dürfen Sie sich bei den Parteifreunden bedanken, die mit millionenschweren Masken-Deals glaubten, ihre Abgeordneten-Diäten aufbessern zu müssen.

    Aber auch inhaltlich hat die CSU die Klarheit vergangener Jahre vermissen lassen. Klimawandel und soziale Gerechtigkeit waren die Themen, die die Wählerinnen und Wählern laut Umfragen am meisten interessierten. Die Antworten der CSU waren mau, die Partei tut sich schwer mit der Jahrhundert-Aufgabe Klimaschutz: Manchem Traditionalisten geht es ja schon zu weit, wenn Markus Söder Bäume umarmt und Blumen für Bienen pflanzen lässt.

    Barbara Stamm mahnt Demut im Umgang mit dem Wahlergebnis an 

    Nein zu einem höheren Mindestlohn sagen, aber dann eine höhere Pendlerpauschale fordern, versteht auch nicht jeder. Barbara Stamm, CSU-Urgestein aus Unterfranken, hat beklagt, die Partei habe das Soziale zu sehr aus den Augen verloren.

    Zudem hat Stamm Demut im Umgang mit dem Wahlergebnis angemahnt. Ein guter Ratschlag, den ich Ihnen und ihren Parteifreunden für die Aufarbeitung der Bundestagswahl ans Herz lege. Ja, regen Sie sich auf, sprechen Sie die ungeklärten (Personal-)Fragen an. Aber seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst, verschweigen Sie die eigenen Defizite nicht. Je lebendiger die CSU diskutiert, desto besser wird sie die Krise überstehen.

    Beste Grüße aus Würzburg

    Michael Czygan, Redakteur

    Persönliche Post: der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.

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