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Würzburg: Samstagsbrief: Liebe Familie Knüpfing vom Bratwurststand, Sie und Ihre Geknickte werden Würzburg fehlen!

Würzburg

Samstagsbrief: Liebe Familie Knüpfing vom Bratwurststand, Sie und Ihre Geknickte werden Würzburg fehlen!

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    Die drei Damen vom Grill (v.l.):  Silvia King (geb. Knüpfing), Hedwig Knüpfing und Charlene King-Demling geben nach einem halben Jahrhundert  ihren Bratwurststand auf dem Würzburger Marktplatz auf.
    Die drei Damen vom Grill (v.l.):  Silvia King (geb. Knüpfing), Hedwig Knüpfing und Charlene King-Demling geben nach einem halben Jahrhundert  ihren Bratwurststand auf dem Würzburger Marktplatz auf. Foto: Patty Varasano

    Liebe Hedwig Knüpfing, liebe Silvia King, liebe Charlene King-Demling,

    ich bin geknickt! Die letzten Tage mit Ihnen am Marktplatz sind angebrochen. Mir ist das alles andere als Wurst. 

    Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern. Es ist schon ein paar Jahre her, genauer gesagt sieben, als wir gemeinsam bei Ihnen in Estenfeld am Tisch saßen. Ich wollte zum Muttertag ein Porträt schreiben. Von Frauen, die zusammenhalten, etwas geschaffen haben, Oma, Mutter, Tochter. "Wie wär's mit den Knüpfings", hatte ein Kollege gemeint.

    1970 starteten die Knüpfings zunächst mit einer kleinen Bude am Paradeplatz, im Jahr 2000 bezogen sie den Marktstand, in dem sie bis heute verkaufen.
    1970 starteten die Knüpfings zunächst mit einer kleinen Bude am Paradeplatz, im Jahr 2000 bezogen sie den Marktstand, in dem sie bis heute verkaufen. Foto: Silvia Gralla

    Zu dem Zeitpunkt kannte ich Sie schon sehr gut - zumindest Ihre Bratwurst. Seit ich zum Studium nach Würzburg gekommen bin, waren Sie und Ihr Stand auf dem Marktplatz für mich eine Konstante im wilden Trubel der Innenstadt. Hausmannskost, fränkisch, klar, wohltuend. Ein Stück typisches Würzburg, ein Happen neue Heimat. Höflich, aber bestimmt, haben Sie mich als Zugezogene umerzogen: Ketchup auf die Wurst? Niemals!

    Vor der Wursttheke sind alle gleich

    Ich habe viel Zeit in Ihrer Schlange verbracht, zwischen Bankern und Kleinkindern, Großmüttern und Touristen. Vor der Wursttheke sind alle gleich. Einige aus Ihrer Kundschaft kannten Sie mit Namen, ein Plausch hier, ein kurzer Schwank da. Parallel ackerten Ihre Hände in Höchstgeschwindigkeit. Würste wenden, raus, Brötchen auf, Wurst rein, Senf, knicken, Senf - fertig.

    Von Anfang an gefiel mir der kleine Markstand mit der gelb-weißen Markise, ihr Familienunternehmen und die Banalität der Essenswahl: "Eine mit" oder "eine ohne" - das Leben konnte so schön einfach sein.

    "Eine mit" oder "eine ohne" - das Leben konnte am Bratwurststand so schön einfach sein.
    "Eine mit" oder "eine ohne" - das Leben konnte am Bratwurststand so schön einfach sein. Foto: Patty Varasano

    Dass Ihr Leben nicht immer einfach war, erfuhr ich bei unserem Treffen 2016. Wir saßen in Ihrem Wohnzimmer, als Sie mir vom tragischen Betriebsunfall Ihres Mannes, Vaters und Opas erzählten, der 2005 im hauseigenen Betrieb tödlich verunglückt war. "Unser Schutzengel" haben Sie ihn genannt. Noch immer erinnere ich mich gut an diesen Moment, ebenso an mein Gefühl, das mir sagte: Das sind starke Frauen. Wenn es jemand packt, dann die.

    Zu dritt haben Sie den Bratwurststand, den Karl und Hedwig Knüpfing 1970 zunächst als kleine Bude am Paradeplatz, ein paar Jahre später dann fest installiert am Marktplatz und seit 2000 in dem heutigen Stand betrieben haben, fortgeführt. Sechs Hände in dauernder Bewegung, Herstellung, Vertrieb, Verkauf - alles macht die Familie.

    Ihre Geknickte ist ein Stück Heimat - verpackt im hellen Brötchen

    Liebe Hedwig Knüpfing, liebe Silvia King, liebe Charlene King-Demling, Sie sind keine Frauen, die die Öffentlichkeit suchen. Auch dem Artikel damals standen Sie skeptisch gegenüber. Es sei doch ganz normal, im Drei-Generationen-Frauenteam zusammenzuhalten. Und überhaupt: Sie machen doch "nur Bratwurst".

    Silvia King (Mutter) und Charlene King-Demling (Tochter) stehen Tag für Tag in Ihrem Marktstand.
    Silvia King (Mutter) und Charlene King-Demling (Tochter) stehen Tag für Tag in Ihrem Marktstand. Foto: Silvia Gralla

    Nein, liebe Familie Knüpfing, das stimmt so nicht. Ich glaube, Sie sind sich gar nicht bewusst, dass Sie mit Ihrem Stand den Menschen in Würzburg über ein halbes Jahrhundert irgendwie auch mehr gegeben haben als nur Bratwurst. Ein Stück Heimat - verpackt im hellen Brötchen.

    Am 30. September soll nun die letzte Wurst über Ihre Ladentheke gehen. Der Rückzug erfolge aus Respekt vor Alter und Gesundheit, sagten Sie, liebe Silvia King. Eine Entscheidung, die man aus vollem Herzen akzeptieren muss. Auch, wenn es schwer fällt – nicht nur mir.

    Einige Würzburgerinnen und Würzburger sind mit Ihrer Bratwurst groß geworden

    Ihr Aufhören bewegt sehr viele Menschen in und um Würzburg. Die Kommentarspalten unter der Nachricht über Ihren Rückzug sind voll mit Anekdoten, Erinnerungen und Dankesreden. Einige sind mit Ihnen und Ihrer Bratwurst groß geworden, für andere sind Sie ein Fixpunkt bei Ausflügen. Groß, klein, alt, jung, hier geboren, neig'schmeckt – für sie alle haben Sie und Ihr Marktstand eine Bedeutung.

    Aber, getreu dem Motto "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei", wollen Sie uns den Abschied nicht zu schwer machen und haben einen Nachfolger organisiert. Und nicht nur das: Auch das Familienrezept soll weitergegeben werden. 

    Vor der Wursttheke sind alle gleich: Die "Geknickte" der Estenfelder Familie ist seit einem halben Jahrhundert bei Alt und Jung beliebt.
    Vor der Wursttheke sind alle gleich: Die "Geknickte" der Estenfelder Familie ist seit einem halben Jahrhundert bei Alt und Jung beliebt. Foto: Silvia Gralla

    Liebe Knüpfings, für mich waren und sind Sie nicht nur "die drei Damen vom Bratwurststand". Sie sind ein Stück Würzburg, eine Beständigkeit, eine kleine fränkische Wohlfühlauszeit – für Magen und Seele. Nichts Hochtrabendes, einfach und ehrlich. Unabhängig davon, ob man Bratwurst nun mag oder nicht, so muss man Ihre Leidenschaft, Ihr Engagement und Ihren Zusammenhalt einfach schätzen.

    Ich hatte damals nach unserem Gespräch großen Respekt vor Ihnen und Ihrer Leistung – und habe Ihn auch jetzt nach Ihrer Entscheidung.

    Lassen Sie es sich gut gehen, Sie werden Würzburg fehlen!

    Liebe Grüße

    Meike Schmid, Redakteurin und treue Kundin

    Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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